Donnerstag, 3. März 2016

Ich bin unschuldig


El Clan

Zwischen 1976 und 1985 stand Argentinien unter der Herrschaft einer Militärdiktatur. Besonderes internationales Augenmerk wurde in dieser Zeit dem Falklandkrieg und dem verordneten Staatsterror zuteil, im Zuge dessen schätzungsweise 30000 Menschen spurlos verschwunden. Das Schicksal dieser sogenannten Desaparecidos ist bis heute vielfach nicht aufgeklärt. El Clan beschäftigt sich nun mit der Puccio-Familie, die im Argentinien der frühen 80er Jahre mit Entführungen und Morden ein einträgliches Geschäft leitet, während der Schein des Ehrenwerten in ihrer Nachbarschaft aufrecht gehalten wurde. In angenehm kurzweiligen 108 Minuten ist El Clan permanent überraschend. Einem europäischen Publikum ist die Geschichte der Puccios weitgehend unbekannt, daher kann schon die Ausgangssituation, um den brutalen Gegensatz von Familien- sowie Sozialleben und dem gewalttätigen Gangsterdasein, mit mehreren doppelten Böden aufwarten. Dazu überrascht Regisseur Pablo Trapero auch inszenatorisch mit viel schwarzem Humor und einem abgedrehten Soundtrack, der mit Acts wie Creedance Clearwater Revival und The Kinks das makabere Geschehen gewitzt konterkariert. So wird die von unterschwellig zu vordergründig und zurück wechselnde Spannung konsequent aufrecht gehalten. Besonderes Augenzwinkern legen die Filmemacher immer dann an den Tag, wenn es um die Verknüpfung von Staat und organisierter Kriminalität geht. Die politischen und gesellschaftlichen Umbrüche im Argentinien der 80er Jahre sind von zentraler Bedeutung in El Clan (die filmische Umsetzung dank Originalmaterial aus jener Zeit äußerst eindrucksvoll) und trugen mit Sicherheit ihren Teil dazu bei, dass der Film zum erfolgreichsten jemals in den argentinischen Kinos laufende Streifen überhaupt wurde. Neben dem Erfolg in der Heimat konnte El Clan auch mit dem Gewinn des silbernen Löwens bei den Filmfestspielen von Venedig 2015 international auf sich aufmerksam machen. Für die Produzenten rund um Regielegende Pedro Almodóvar war dies nach Wild Tales ein weiterer globaler Hit. Die packendste Figur des Films ist zweifellos Familienpatriarch Arquimedes. Guilliermo Francella, der eigentlich für Slapstick und Comedy bekannt ist, verkörpert die verschiedenen Facetten des Oberhaupts, egal ob als Familienmensch, als Gangsterboss, oder als Mischung aus beidem, gleichsam glaubhaft. Sein mitleiderregendes Festklammern an die Vergangenheit macht Arquimedes in Verbindung mit dem glaubhaften Schauspiel zu mehr als einem hassenswerten Opportunisten. Als Mann, der den demokratischen Aufbruch seines Landes 1985-87 , ebenso wie den persönlichen Aufbruch seiner nun erwachsenen Kinder als persönlichen Affront begreift, bleibt Arquimedes bis zu seinem Lebensende zu einem gewissen Teil bedauernswert. Diese charakteristische Gratwanderung gelingt El Clan ganz hervorragend. Er ist somit in jeder Hinsicht ein bemerkenswerter Film.

8/10

Für Fans von: Die Mafia mordet nur im Sommer, Wild Tales,

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