Montag, 29. Februar 2016

Oscarrückblick

Oscarrückblick

Die Gewinner:


Bester Film: "Spotlight
 
Darsteller: Leonardo DiCaprio, "The Revenant"
 
Darstellerin: Brie Larson, "Raum"
 
Nebendarsteller: Mark Rylance, "Bridge of Spies"
 
Nebendarstellerin: Alicia Vikander, "The Danish Girl"
Regie: Alejandro González Iñárritu, "The Revenant"
 
Originaldrehbuch: Josh Singer und Tom McCarthy, "Spotlight"  
Adaptiertes Drehbuch: Charles Randolph und Adam McKay, "The Big Short"
Animationsfilm: "Alles steht Kopf"
Fremdsprachiger Film: "Son of Saul", Ungarn
 
Kamera: Emmanuel Lubezki, "The Revenant"
 
Schnitt: Margaret Sixel, "Mad Max: Fury Road"  
Ausstattung: Colin Gibson und Lisa Thompson, "Mad Max: Fury Road"  
Kostüme: Jenny Beavan, "Mad Max: Fury Road"  
Makeup und Hairstyling: Lesley Vanderwalt, Elka Wardega und Damian Martin, "Mad Max: Fury 
Road"  
Musik: Ennio Morricone, "The Hateful 8"
 
Filmsong: "Writing's on the Wall" von Sam Smith und James Napier, "Spectre"
 
Ton: Chris Jenkins, Gregg Rudloff und Ben Osmo, "Mad Max: Fury Road"  
Tonschnitt: Mark A. Mangini und David White, "Mad Max: Fury Road"  
Visuelle Effekte: Andrew Whitehurst, Paul Norris, Mark Williams Ardington und Sara Bennett, "Ex Machina"  
Dokumentarfilm: "Amy"
 

Kurz-Dokumentation: "A Girl in the River: The Price of Forgiveness"  
Animations-Kurzfilm: "Bear Story" (Chile)
 

Kurzfilm: "Stutterer"


Die 88. Academy Awards wurden vergeben. Leo hat seinen Oscar, Spotlight ist bester Film geworden und die Show war unterhaltsam wie lang nicht mehr und politisch wie nie.


Viel wurde um die Rolle von Chris Rock als Moderator der Zeremonie gerätselt. Er widerstand jedoch der Versuchung, den Kollegen Will Smith und Spike Lee zu folgen und die Oscars zu boykottieren. Stattdessen nutzte er die Gunst der Stunde um kräftig gegen den weißen Altherrenclub namens Academy auszuteilen. Rock sprach beißend und einfühlsam, witzig und wahrhaftig und appellierte am Ende an die Verantwortlichen in Hollywood, allen Schwarzen mehr Chancen einzuräumen. Der Vergleich der Rollen, die DiCaprio Jahr für Jahr angeboten bekommt mit denen, die schwarze Oscargewinner wie Forest Whitaker oder Jamie Foxx heute spielen, traf den Kern der #oscarssowhite-Thematik präzise. Rock ließ auch während sämtlicher anderer Moderationen nicht locker. Zwei Einspieler seien an dieser Stelle diesbezüglich genannt. Zum ersten wurden Schlüsselszenen der nominierten Filme mit schwarzen Comedians wie Whoopi Goldberg nachgespielt, zum anderen wurde ein Interview aus Compton, dem titelgebenden Vorort Los Angeles' für den von der Academy übergangenen Straight outta Compton gezeigt, in dem deutlich wurde, dass die vorwiegend schwarze Bevölkerung selbstverständlich genau diesen Streifen sah, aber keinen der acht als besten Film nominierten. Der Nachhall im Dolby Theatre und den sozialen Medien war gewaltig. Kaum erwähnenswert, dass Straight outta Compton seine einzige Oscarnominierung nicht in einen Preis umwandeln konnte. Gleiches gilt auch für Creed.


Doch Diversität im allgemeinen war der Schwerpunkt des Abends. Alejandro Gonzales Innaritu rief in seiner Dankesrede für einen besseren Umgang mit amerikanischen Ureinwohnern und Menschen nichtweißer Hautfarbe im Ganzen auf („make sure for once and forever that the color of the skin become as irrelevant as the length of our hair.”), Spotlight-Prouzent Micheal Sugar forderte den Vatikan öffentlich mit Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche umzugehen und Leonardo DiCaprio appellierte in seiner Dankesrede an die Führer dieser Welt den Klimawandel endlich global anzuerkennen und als größtes Problem der Menschheit zu bekämpfen. Passend dazu trat im laufe der Show der amerikanische Vizepräsident Joe Biden auf die Bühne, um für die Regierungsinitiative It's on us zu werben und Lady Gaga anzusagen, die als Schirmherrin der Kampagne gegen sexuellen Missbrauch an amerikanischen Schulen und Universitäten fungiert und zugleich ihren oscarnominierten Song Til it happens to you zum besten gab, der thematisch in die gleiche Kerbe schlug. Diese Performance, während der Gaga mit dutzenden Missbrauchsopfern auf der Bühne stand, war der emotionale Höhepunkt der vierstündigen Show und wurde mit Standing Ovations und massenweise Tränen gefeiert.



Zwei andere nominierte Songs sorgten allerdings für Unstimmigkeiten. Dem transsexuellen Engländer Anhoni wurde keine Einladung ausgesprochen sein Stück Manta Ray aus dem Film Racing Extinction live zu performen. Dem späteren Gewinner Sam Smith (Writing's on the wall aus Spectre) wurde diese Ehre zwar zuteil, seine Dankesrede sorgte allerdings für einen Eklat, da Smith sich als erster offen Homosexueller Oscargewinner bezeichnete. Um diesen klaren Fehler zu erkennen, hätte der Brite nur in seiner eigenen Kategorie stöbern müssen. Elton John gewann bereits 1995 für Can you feel the love tonight (König der Löwen), Glen Hansard 2008 für Falling Slowly (Once) einen Oscar für den besten Song. Beide sind offen homosexuell. In diesem Zusammenhang wirkte dann auch Smith' Ansprachen zur Stärkung der LGBT-Gemeinde unpassend.



Presie wurden auch noch vergeben. Der Gewinner des Abends mit 6 Oscars war klar Mad Max: Fury Road. Die sogenannten großen Preise machten allerdings andere unter sich aus. Die Gewinner in den Schauspielkategorien, für beste Regie und die Drehbücher bargen allesamt keine große Überraschung. Lediglich Mark Rylance als bester Nebendarsteller war rund um Sylvester Stallones Buzz etwas ins Hintertreffen geraten, erhielt den Preis aber ebenso verdient. Mit Spotlight und The Revenant die beiden einflussreichsten Werke der Saison als beste Filme bzw. am besten gedrehte Filme auszuzeichnen, halte ich für eine gerechte Entscheidung. Ein emotionaler Höhepunkt war der erste Oscar für den legendärsten lebenden Filmkomponisten Ennio Morricone im Alter von 88 Jahren. Die größte Überraschung des Abends war allerdings der Triumph von Ex Machina in der Kategorie beste visuelle Effekte. Auch wenn der Streifen deutlich mehr Aufmerksamkeit seitens der Academy verdient gehabt hätte, so ist dieser Oscar ein wichtiges Zeichen für klein budgetierte Independent-Filme und mehr als verdient.



Hinsichtlich der weiten Streuung der Preise (wie im vergangenen Jahr wurden 16 verschiedene Filme ausgezeichnet) und der angestoßenen Debatte, die den Begriff der Diversität in den nächsten Jahrzehnten in Hollywood hoffentlich mit Inhalt füllen wird, verdient die 88. Oscarverleihung die abschließenden Worte, mit denen Michael Keaton auf die Bühne stürmte, um sich als Ensemblechef für Spotlight feiern zu lassen:



Fuck Yeah!

Sonntag, 28. Februar 2016

Watergate in Boston



Spotlight

Viele Filme haben seit 1976 versucht sich als Erben von Alan J. Pakulas Die Unbestechlichen zu platzieren. Die Mutter aller Enthüllungsjournalismusgeschichten bleibt allerdings bis heute unerreicht. Auch Spotlight wird daran nichts ändern, der Kultfaktor von Die Unbestechlichen ist einfach zu groß. Doch wenn es ein Film schafft, legitimer Nachfolger der Erzählung um Bob Woodward und Carl Bernstein, dann Spotlight. Tom McCarthys Drama umgeht den Fehler, sensationslüstern und effekthascherisch vom Missbrauch katholischer Priester zu erzählen. Stattdessen rückt er vier Reporter in den Mittelpunkt des Streifens und erzeugt durch feine Beobachtungen, punktierte Dialoge und außergewöhnliche Schauspieler zugleich ein Psychogramm der amerikanischen Ostküstenstadt Boston sowie eine Hommage an den Wert der Printmedien und ihrer Unterstützer. Regisseur McCarthy und sein Drehbuchautor Josh Singer konnten sich bereits über viele Filmpreise freuen und werden wahrscheinlich auch noch einige Trophäen mehr einsammeln können. Durch die Konzentration auf die vier Protagonisten erlebt der Zuschauer die emotionalen Auswirkungen des Missbrauchsskandals deutlich realitätsnaher und nachvollziehbarer, als es der Fall gewesen wäre, wenn Spotlight die großen Mengen an Namen, Fakten und Ereignissen ungefiltert ausgegeben hätte. In Kombination mit den brillianten Akteuren rund um Michael Keaton, Rachel McAdams, Mark Ruffalo, Liev Schreiber und Stanley Tucci entsteht so großes und eindrucksvolles Kino ohne große und eindrucksvolle Mittel. Einen der Schauspieler besonders hervorzuheben, würde der Errungenschaft des gesamten Casts auch Unrecht tun. Drehbuchbedingt kommt Mark Ruffalo allerdings der zentrale, emotionsgeladene Part zu Gute, der sich bei mir besonders einbrannte. McCarthys Inszenierung ist angemessen zurückhaltend. Seine Story ist fesselnd genug, technische Spielereien wären fehl am Platz. Für eine elegante Kameraarbeit und einen präzisen Schnitt findet der Amerikaner dennoch Platz, weshalb Spotlight, der hauptsächlich in der Beengtheit von Archiven, Büros und Konferenzräumen spielt, auch optisch hervorragend gelungen ist. Dazu beweisen die Filmemacher bei der zeitgeschichtlichen Komponente ihrer Geschichte viel Feingefühl, wenn sie die Ereignisse rund um 9/11 (Spotlight ist im Jahre 2001 angesiedelt) absolut organisch und schockierend ehrlich ins Geschehen eingliedern. Ebenso vielschichtig gelang auch das Portrait der katholischen Kirche. Die Gemeinden sind bis heute ein zentraler Aspekt des öffentlichen Lebens in Boston, die Reporter zum Großteil Söhne und Töchter ihrer gläubigen Stadt. Der Einfluss der Kleriker hinter den Kulissen wird dadurch zugleich verständlich und bedrohlich. Fans pathosreicher Kriminalgeschichten sind in Spotlight sicher falsch aufgehoben. McCarthys Blick auf die Errungenschaften des klassischen Journalismus richtet sich definitiv an Freunde des vielschichtigen Erzählens und der starken Charakterbildung. Wer dies mag, wird 128 Minuten lang einer perfekt getimten aber unaufgeregten Sogwirkung ausgesetzt, die er so schnell nicht wieder vergisst. 

9/10

Für Fans von: Die Unbestechlichen, Zodiac, State of Play


Freitag, 26. Februar 2016

Oscarvorhersage

Oscarvorhersage 2016

Am 28.2. werden im Dolby Theatre in Los Angeles zum 88. Mal die Academy Awards verliehen. Der Hashtag #oscarssowhite bestimmte die Meldungen zu diesem Thema in den letzten Wochen, einige Entscheidungen der Oscarwähler auf den Nominierungslisten sind auch unabhängig von Herkunft und Hautfarbe bedenklich. Und dennoch verspreche ich mir eine unterhaltsame Nacht, die natürlich nicht den Einfluss ausübt, den sie gern hätte, für lustige Gedankenspiele aber allemal einlädt.

Auch in diesem Jahr habe ich keine Vorauswahl für Kurz- und Dokumentarfilme getroffen. Außerdem musste ich leider auch die besten fremdsprachigen Filme auslassen, da erst ein einziger in Deutschland zu sehen war. 



Bester Animationsfilm

Nominierungen:

Anomalisa
Der Junge und die Welt
Alles steht Kopf
Shaun das Schaf
Erinnerungen an Marnie

Für das Stop-Motion-Verfahren an sich sind die Nominierungen von Shaun das Schaf und Anomalisa schon große Erfolge. Auch dem (vermeintlich) letzten Film der legendären japanischen Ghili-Studios, Erinnerungen an Marnie, eine Nominierung zukommen zu lassen, hat seine Richtigkeit. An Alles steht Kopf wird aber kein anderer Film vorbeikommen. Ist meiner Meinung nach auch richtig so.



Sollte gewinnen: Alles steht Kopf
Wird gewinnen: Alles steht Kopf



Beste visuelle Effekte

Nominierungen:

Ex Machina
Der Marsianer
Mad Max: Fury Road
The Revenant
Star Wars: Das Erwachen der Macht

Alle fünf Nominierten waren optische sehr eindrucksvolle Filme, doch hinterließ Star Wars mit der höchsten Konzentration auf digitale Effekte den größten Eindruck. Alle bisherigen Preisverleihungen sahen das ähnlich.


Sollte gewinnen: Star Wars – Das Erwachen der Macht
Wird gewinnen: Star Wars – Das Erwachen der Macht


Bester Ton

Nominierungen:

Bridge of Spies
The Revenant
Der Marsianer
Mad Max: Fury Road
Star Wars – Das Erwachen der Macht


Bester Tonschnitt

Nominierungen:

Sicario
The Revenant
Der Marsianer
Mad Max: Fury Road
Star Wars – Das Erwachen der Macht

Beide Kategorien gehen für gewöhnlich an den selben Film. Dies schlägt sich auch in den Nominierungen wieder (in welcher Art sich Sicario und Bridge of Spies diesbezüglich unterscheiden, erschließt sich mir nicht). Da ich denke, die Academy wird Mad Max: Fury Road Gewinne in den großen Kategorien vorenthalten, wird wohl die technische Leistung des Stabs in Ton und Tonschnitt gewürdigt werden, was definitiv verdient wäre.


Sollte gewinnen: Mad Max: Fury Road
Wird gewinnen: Mad Max: Fury Road


Bester Schnitt

Nominierungen:

The Revenant
Spotlight
Star Wars: Das Erwachen der Macht
Mad Max: Fury Road
The Big Short

Ich denke, die Academy wird hier der Einheit in den Auszeichnungen in technischen Kategorien treu bleiben und Mad Max: Fury Road aden Oscar zukommen lassen. Den tatsächlich besten Schnitt lieferte meiner Meinung nach aber definitiv Hank Corwin in The Big Short ab. In einem großartigen Film waren die spektakulär geschnittenen Szenen das absolute Highlight.


Sollte gewinnen: The Big Short
Wird gewinnen: Mad Max: Fury Road


Bestes Make-up und beste Frisuren

Nominierungen:

Mad Max: Fury Road
The Revenant
Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand

Mad Max: Fury Road. Keine Frage. Wer den Film sah, wird diese Unausweichlichkeit nachvollziehen können.


Sollte gewinnen: Mad Max: Fury Road
Wird gewinnen: Mad Max: Fury Road


Bester Song

Nominierungen:

Earned it – Fifty Shades of Grey
Manta Ray – Racing Extinction
Simple Song #3 – Ewige Jugend
Til it happens to you – The Hunting Ground
Writings on the Wall - Spectre

Earned it ist melodieloser, einschläfernder R&B-Mainstream, Manta Ray eine klassische Klavierballade. Simple Song #3 ist ein einfach großartig-ergreifendes Opernwerk (Ewige Jugend hätte definitiv mehr Aufmerksamkeit bei dieser Oscarverleihung verdient gehabt), Til it happens to you der einzige Rocksong der Nominierten. Er wird ein ordentlicher Gewinner werden. Writings on the Wall hat zu schlechtes Feedback in den letzten Monaten bekommen, ist aber mein uneingeschränkter Favorit.


Sollte gewinnen: Writings on the Wall
Wird gewinnen: Til it happens to you


Beste Filmmusik

Nominierungen:

Ennio Morricone – The Hateful Eight
Thomas Newman – Bridge of Spies
Jóhann Jóhannson – Sicario
John Willimas – Star Wars: Das Erwachen der Macht
Carter Burwell – Carol

Bis auf Thomas Newman hätten für mich alle anderen den Oscar verdient. Stephen Rennicks hätte nach meinem Dafürhalten noch eine Nominierung für Raum verdient. Ennio Morricone gilt als absoluter Favorit, doch ich würde mich anders entscheiden:


Sollte gewinnen: Jóhann Jóhannson – Sicario
Wird gewinnen: Ennio Morricone – The Hateful Eight


Bestes Kostümdesign

Nominierungen:

Paco Delgado - The Danish Girl
Jacqueline West – The Revenant
Sandy Powell – Carol
Sandy Powell – Cinderella
Jenny Beavan – Mad Max: Fury Road

Carol wird trotz seiner Genialität wohl in keiner anderen Kategorie eine realistischere Chance auf einen Oscar haben, als in dieser. Ich würde es dem Film in jedem Fall wünschen. Als einziger wirklicher Kostümfilm ist natürlich auch Cinderella nicht zu unterschätzen. Und Mad Max: Fury Road ist in allen vorrangig optischen Kategorien Mitfavorit. Eine völlig offene Entscheidung.


Sollte gewinnen: Sandy Powell – Carol
Wird gewinnen: Jenny Beavan – Mad Max: Fury Road


Bestes Szenenbild

Nominierungen:

Bridge of Spies
Mad Max: Fury Road
The Danish Girl
The Martian
The Revenant

Siehe Make-Up. Klare Sache. Erinnert ihr euch an die Gitarre?


Sollte gewinnen: Mad Max: Fury Road
Wird gewinnen: Mad Max: Fury Road


Beste Kamera

Nominierungen:

Roger Deakins – Sicario
Emmanuel Lubezki – The Revenant
Ed Lachman – Carol
Robert Richardson – The Hateful Eight
John Seale – Mad Max: Fury Road

Deakins sollte für seine flimmernde Digitalfotografie gewinnen, Lachman für sein Talent, miut der Kamera Geschichten zu erzählen, Richardson für alles, was er in 70mm erreicht hat und Seale für die Übersicht, die er dem Zuschauer im Wahnsinn von Mad Max: Fury Road schenkte. Doch die Academy wird sich wohl für die offensichtlichste Wahl entscheiden und Lubezki als ersten Menschen dreimal am Stück für die beste Kamera auszeichnen. Das finde ich in der Kategorie mit der höchsten Qualitätsdichte etwas schade. Mein Favorit steht allerdings auch schon lange fest.


Sollte gewinnen: Roger Deakins – Sicario
Wird gewinnen: Emmanuel Lubezki – The Revenant


Bestes Originaldrehbuch

Nominierungen:

Bridge of Spies
Alles steht Kopf
Ex Machina
Straight outta Compton
Spotlight

Am Gewinn von Spotlight sollte es keinen Zweifel geben. Ich freue mich über die Nominierungen für Ex Machina und Alles steht Kopf, die beide Überraschendes leisteten, aber die phänomenal erzählte Geschichte aus Spotlight nicht toppen sollten. Einzig wirklich Konkurrenz hätte nur von Drehbüchern kommen können, die nicht nominiert wurden. So ist das Ignorieren von The Hateful Eight und vor allem Steve Jobs eine ziemliche Blamage für die Academy.


Sollte gewinnen: Spotlight
Wird gewinnen: Spotlight


Bestes adaptiertes Drehbuch

Nominierungen:

Carol
The Big Short
Raum
Brooklyn
Der Marsianer

Eine mittelmäßig besetzte Kategorie, in der für mich der klare Favorit feststeht.
Die Academy wird es wohl genauso sehen.


Sollte gewinnen: The Big Short
Wird gewinnen: The Big Short



Beste Nebendarstellerin

Nominierungen:

Rachel McAdams – Spotlight
Jennifer Jason Leigh – The Hateful Eight
Alicia Vikander – The Danish Girl
Rooney Mara – Carol
Kate Winslet – Steve Jobs

Da es die Verantwortlichen schafften zwei astreine Hauptrollen in diese Kategorie zu mogeln, findet der erhoffte Zweikampf zwischen Jennifer Jason Leigh und Kate Winslet nicht statt. Alicia Vikander hätte in dieser Kategorie viel eher für Ex Machina nominiert werden sollten, ist aber dennoch Favoritin der Academy.


Sollte gewinnen: Rooney Mara – Carol
Wird gewinnen: Alicia Vikander – The Danish Girl


Bester Nebendarsteller

Nominierungen:

Mark Rylance – Bridge of Spies
Sylvester Stallone – Creed
Christian Bale – The Big Short
Mark Ruffalo – Spotlight
Tom Hardy – The Revenant

Sylvester Stallone wird wohl seinen ersten Schauspieloscar erhalten. 38 Jahre nach dem ersten Rocky-Film ist das auch absolut OK, seine Leistung war großartig. Mir gefiel allerdings Mark Ruffalo besser. Eine absolute Schande ist die Nominierung Christian Bales anstelle von Steve Carell. Seine Performance machte The Big Short zu mehr als einer reinen Abrechnung mit den Banken. Michael Keaton (Spotlight), O'Shea Jackson Jr. (Straight outta Compton) oder Benicio Del Toro (Sicario) hätten auch ruhig nominiert werden dürfen, Seth Rogen (Steve Jobs) sogar müssen.


Sollte gewinnen: Mark Ruffalo – Spotlight
Wird gewinnen: Sylvester Stallone – Creed



Beste Hauptdarstellerin

Nominierungen:

Brie Larson – Raum
Charlotte Rampling – 45 Years
Cate Blanchette – Carol
Jennifer Lawrence – Joy
Saisore Ronan – Brooklyn

Die einzigen zwei Damen, die Brie Larson ernsthaft gefährlich hätten werden können, wurden in der Nebendarstellerinnenkategorie verheitzt. Ohne Alicia Vikander (The Danish Girl) und Rooney Mara (Carol) sollte Larson nichts zu fürchten haben. Emily Blunt hätte für Sicario eine Nominierung verdient gehabt.


Sollte gewinnen: Brie Larson – Raum
Wird gewinnen: Brie Larson – Raum


Bester Hauptdarsteller

Nominierungen:

Bryan Cranston – Trumbo
Eddie Redmayne – The Danish Girl
Leonardo DiCaprio – The Revenenant
Michael Fassbender – Steve Jobs
Matt Damon – Der Marsianer

Leo wird es dieses Jahr wohl machen. Mir bleibt allerdings eine mehr als bittere Note hafte, da dieser Gewinn nur auf die massive Kampagne für einen Oscartriumph DiCaprios zurückzuführen sein wird. Seine Leistungen in Aviator oder The Wolf of Wall Street waren kein bisschen weniger oscarreif. Doch die körperlichen Entbehrungen beim Dreh von The Revenant, die nichts über das Schauspiel an sich aussagen, werden die Academy wohl weichklopfen. Wenigstens ist die Debatte dann vielleicht vorbei, verdient hat DiCaprio den Preis generell in jedem Fall. Dass Tom Hardy für Legend nicht einmal nominiert wurde, ist eine weitere Schande.


Sollte gewinnen: Michael Fassbender – Steve Jobs
Wird gewinnen: Leonardo DiCaprio – The Revenant


Beste Regie

Nomionierungen

Adam McKay – The Big Short
Alejandro Gonzales Innaritu – The Revenant
Lenny Abrahamson – Raum
George Miller – Mad Max: Fury Road
Tom McCarthy – Spotlight

Für sein visionäres Filmemachen sollte George Miller den Oscar erhalten. Seine Chancen stehen auch nicht schlecht, dennoch denke ich, die Wähler haben sich auf Innaritu eingeschossen. In seiner Ganzheit ist The Revenant als Werk seines Regisseurs für diesen Preis auch richtig. Lenny Abrahamson gönne ich die Nominierung von ganzem Herzen, ich hätte lediglich lieber Ryan Coogler für Creed als Tom McCarthy auf der Liste gesehen.


Sollte gewinnen: George Miller - Mad Max: Fury Road
Wird gewinnen: Alejandro Gonzales Innaritu – The Revenant


Bester Film

Nominierungen:

The Big Short
Brooklyn
The Revenant
Spotlight
Mad Max: Fury Road
Der Marsianer
Bridge of Spies
Raum

Für dem emotionalen Impact würde ich den Preis jederzeit an Spotlight oder Raum geben. Die besten Visionen wurden für mich in The Big Short und Mad Max: Fury Road umgesetzt. Brooklyn, Der Marsianer und Bridge of Spies sind meiner Meinung nach in dieser Liste fehl am Platz. Ex Machina, Creed und vor allem Steve Jobs fehlen. Die Academy wird sich wahrscheinlich mit The Revenant für den aufwändigsten und martialischsten Film entscheiden. Technisch ist das in jedem Fall vertretbar. Mir gefällt nicht, dass das Marketing des Films so gezielt auf die Oscars hinarbeitete. Es gab definitiv schon bessere Filmjahrgänge, einen Totalausfall wird allerdings auch niemand wählen.


Sollte gewinnen: The Big Short
Wird gewinnen: The Revenant


Sonntag, 21. Februar 2016

Whiskey und rote Haare



Brooklyn

Irland in den 1950er Jahren. Verstocktheit, aufgesetzte Etikette und traditionelle Familienwerte prägen das karge Leben in den ländlichen Gebieten der Grünen Insel. Die beschwerliche Reise über den Atlantik in die Vereinigten Staaten ist seit vielen Jahrzehnten Hoffnung und zugleich Dilemma des Teils der irischen Bevölkerung, der sich dem vorgegebenen Dasein nicht mehr beugen möchte. Eine junge Dame, Eilis Lacey, entscheidet sich nun ebenfalls für diesen Schritt, der für sie trotz der aussichtsreichen Zukunft mit starken Schuldgefühlen, ob ihrer zurückgelassenen Familie, einhergeht. Brooklyn konzentriert sich in seinen 113 Minuten Laufzeit ganz detailliert auf den Werdegang der schüchternen Eilis. Regisseur John Crowley (Boy A, True Detective) konnte mit Saoirse Ronan für diese Herausforderung die perfekte Besetzung finden. Die Irin (im Alter von 12 Jahren bereits oscarnominiert für Abbitte) schultert den gesamten Film, alle in ihm enthaltenen Emotionen und verkörpert glaubwürdig den Wandel der scheuen Immigrantin zur lebensfrohen Großstadtfrau. Der titelgebende New Yorker Stadtteil wird dabei, wie der gesamte Film auch, in herrlichsten, farbenfrohen und lebensbejahenden Hochglanzbildern eingefangen. Aufbruch und Chancenvielfalt scheint aus allen Poren des Streifens zu strömen. Doch Brooklyn ist keinesfalls eine Abrechnung mit dem rückständigen, irischen Inselleben. Die innere Zerrissenheit und das erdrückende Heimweh sorgen für die zentralen emotionalen Konflikte der Hauptfigur und des gesamten Films. Dabei gehören die Szenen auf der Überfahrt nach Amerika zu den Stärksten in Brooklyn, wenn sich die schier endlose Entfernung zwischen den Kontinenten und ihre metaphorische Entsprechung in Eilis' Herzen wortwörtlich Bahn brechen. Das Drehbuch, für das sich Kultschriftsteller Nick Hornby verantwortlich zeigt, interessiert sich dann auch weniger für die vielen Nebencharaktere, die ehrlich gesagt auch nicht übermäßig innovativ daherkommen. Liebevolle Verehrer auf beiden Kontinenten, strenge und fürsorgliche ältere Damen und vorlaute Kinder sorgen nicht für eine spannende Personenkonstellation. Doch glücklicherweise lässt Crowley seinen Film nie uninteressant oder langweilig werden. Eine tolle Ausstattung, der optimistische Score und wahre Gefühle sorgen in diesem Auswandererdrama für sinnlichen Kinogenuss.

8/10

Für Fans von: Die Asche meiner Mutter, Can a song save your life, Der Pate 2



Samstag, 20. Februar 2016

Freitag, der 6. März



Midnight Special

Von Zeit zu Zeit tauchen am Kinohimmel kleine Filme auf, über deren Produktion man wenig erfuhr, die mit wenig Marketing und einer geringen Kopienanzahl gefunden werden wollen. Midnight Special ist ein perfektes Beispiel für diese Streifen. Das gesamte Team vor und hinter der Kamera ist international etabliert, doch die schnelle Veröffentlichung nur 6 Tage nach der Weltpremiere auf der Berlinale und die plötzlich aufkommenden, wohlwollenden Besprechungen der Presse überraschten mich schon. Doch generell ist das Nichtwissen um alles, was Midnight Special betrifft, ein wahrer Segen, wenn sich der Vorhang öffnet. Zur Story des Science-Fiction-Dramas sei auch nur so viel gesagt, dass ein achtjähriger Junge im Zentrum des Films steht, der aus den verschiedensten Gründen von ganz unterschiedlichen Menschen und Gruppierungen gejagt wird. Midnight Special richtet sich ohne Anbiederung an den Mainstream an ein cineastisch veranlagtes Publikum. Mit großen Effektorgien und einer simpel gestrickten Handlung wartet der Film nicht auf. Stattdessen kann sich der Zuschauer auf ein psychologisch dichtes Rätsel freuen, das nur langsam Ebene für Ebene freigibt und so 111 Minuten bedrohliche Spannung verursacht. In Verbindung mit einem tollen Score und phantasievollen, naturverbundenen Bildern erreicht Regisseur Jeff Nichols (Take Shelter, Mud) eine absolute Gleichstellung von Atmosphäre und Inhalt. Midnight Special entfaltet sich behutsam (im 2. Drittel leider zu behutsam) und dennoch eindringlich. Der hochkarätige Cast zieht den erwartungsfrohen Zuschauer stets in den Bann des universellen Dramas. Zu diesem gehören neben Nichols-Stammschauspieler Michael Shannon (Zeiten des Aufruhrs, Boardwalk Empire) auch Kirsten Dunst (Spider- Man-Trilogie, Melancholia), Joel Edgerton (Black Mass, Exodus), Adam Driver (Star Wars VII, Inside Llewyn Davis) und Altstar Sam Shepard (Password: Swordfish, Im August in Osage County). Gemeinsam mit Nachwuchsdarsteller Jaeden Lieberher, der schon in St. Vincent beeindruckend agierte, erschaffen diese Akteure eine für einen Mysteryfilm überdurchschnittliche Ensembleleistung. Die zentralen Themen vom Schutz der Schwachen und der Fähigkeit des Staunens bleiben so nachhaltig im Kopf des Kinogängers. Eine genreübergreifende Erzählung und eine Hommage an die Fantasyepen der achtziger Jahre – Jeff Nichols hat für Freunde des unerwarteten Kinos eine kleine Perle geschaffen.

8/10

Für Fans von: E.T., A world beyond, Starman, A.I. - Künstliche Intelligenz

Donnerstag, 18. Februar 2016

Legionen für den Film



Hail, Caesar

Die 50er gelten gemeinhin als die goldene Ära Hollywoods. Joel und Ethan Coen, die 2016 zum zweiten Mal die Berlinale eröffnen, verneigen sich in Hail, Caesar gleichermaßen vor dieser Blütezeit der großen Studios, wie sie sie auch genüsslich durch den Kakao ziehen. Einen Handlungsabriss dieses Films zu geben, gestaltet sich deutlich schwieriger, als es beispielsweise dessen Trailer glauben machen möchte. Im großen Ganzen folgt der Zuschauer dem klassischen Hollywood-Fixer Eddie Mannix, der die Scherben hinter betrunkenen Superstars, schwangeren Tänzerinnen, gierigen Klatschreportern und begriffsstutzigen Westernhelden zugunsten der (fiktiven) Capitol Records aufräumen muss. Die Welt der Studios, in die Hail, Caesar eintaucht, ist der beste Grund für jeden Filmfan, diesen Streifen zu sehen. Die Coen-Brüder inszenieren mehrere kleine Filme im Film, die allesamt direkt aus den 50ern stammen könnten. So sehen wir die Arbeit hinter den Kulissen zu einem großen Sandalen-Epos (der titelgebende Hail, Caesar), einem überdrehten Musical, einem aufgesetzten Gesellschaftsdrama und einem romantischen Western. Kostüme, Musik und vor allem Szenenbild sind purer Genuss für alle Sinne. Besonders die Bilder, die Kamera-Genie Roger Deakins auf klassischem 35mm-Film einfängt, sind viel mehr als bloße, abgefilmte Szenen. Die Kameraarbeit hilft dem Zuschauer durch perfekt getimte Perspektivwechsel und nuancierte Lichtsetzung stets den Überblick durch den rauschhaften Ablauf der Handlungsstränge zu behalten. Dies funktioniert, im Gegensatz zur inhaltlichen Ebene, bestens. Denn dort kann selbst ein famoser Josh Brolin den erzählerischen Wust der Coens nicht bändigen. Würde der Kalifornier nicht derart überzeugen, käme Hail, Caesar einer reinen Sketchrevue nahe. Die zahlreichen Neben-, Unter- und Zusatzhandlungen bleiben zwar immer greifbar, bilden aber keine erzählerische Einheit. Hier wirkt dann auch das Tempo des Films, trotz knapper 106 Minuten Laufzeit, uneben. Glücklicherweise kann sich der Kinogänger in jeder einzelnen Minute am großartigen Ensemble in Hail, Caesar erfreuen. Neben dem bereits erwähnten Josh Brolin blieben mir besonders George Clooney, der einen etwas überforderten und hölzern agierenden Schauspieler gibt und Nachwuchstalent Alden Ehrenreich als beliebter Sänger und Reitgenie, der jedoch nicht in der Lage ist unfallfrei zu sprechen, in Erinnerung. Dazu konnten die Coen-Brüder ihren Einfluss im realen Hollywood gelten machen und besetzten auch die kleinste Nebenrolle mit Akteuren wie Tilda Swinton, Jonah Hill, Scarlett Johannson, Ralph Fiennes, Frances McDormand und Channing Tatum. Wer genau hinsieht, kann auch Christopher „Highlander“ Lambert und Boardwalk Empire-Star Jack Huston durchs Bild laufen sehen. Hail, Caesar wird schlussendlich im Œuvre der Coens keinen großen Stellenwert einnehmen können. Ihren wahrlich witzigen und überdrehten Ansatz konnten sie in diesem Film nicht in Gänze bändigen, weshalb sich der Zuschauer „nur“ über ein buntes Potpourri der guten Laune freuen kann.

8/10

Für Fans von: Grand Budapest Hotel, Die Hollywood-Verschwörung



Die Summsebiene



Dirty Grandpa

Warum Robert DeNiro in Filmen zweifelhaften künstlerischen Rufs wie Dirty Grandpa mitspielt, wird mir auch zukünftig rätselhaft bleiben. Da der 72jährige weder sich noch seiner Umwelt irgendeinen Beweis seiner Professionalität schuldig ist und er sich in seiner über fünf Jahrzehnte andauernden Karriere sicher auch ein finanzielles Polster beiseite legte, möchte ich gern glauben, DeNiro verspürt den Drang nach entbehrungsreichem Method Acting und herausfordernden Figuren nicht mehr in dem Maße, wie er es in seiner schauspielerischen Hochzeit tat. Ein unterdurchschnittliches Drehbuch in eine unterhaltsame Komödie zu wandeln gelingt dem New Yorker natürlich dennoch spielend. In Dirty Grandpa überredet DeNiro als frisch verwitweter Ex-Soldat und Lebemann seinen verklemmten Enkel einen Road Trip zum legendären Spring Break in Daytona Beach, Florida zu unternehmen. Als Familiennachwuchs und Junganwalt besetzten die Filmemacher Popsternchen und Teenieschwarm Zac Efron, der auch in diesem Streifen beweist, dass er wohl nie ein guter Schauspieler sein wird, aber genügend Zeigefreudigkeit an den Tag legt, um sich zum absoluten Depp des Films zu machen und seine High School Musical- Vergangenheit amüsant auflaufen zu lassen. Während die Chemie zwischen den Hauptdarstellern einigermaßen durch den Film trägt, krankt Dirty Grandpa wie bereits erwähnt an einem schlechten Skript und tonalen Ungereimtheiten. Die bewusst anzügliche Komödie dreht sich im Grunde nur um Sex, Spaß und Drogen. Die Idee der Autoren, den Film zum einen ohne jeden Anflug von Erotik als reines Schwätzer-Stück anzulegen und zum anderen die Hippie-Attitüde des Rentners in einer spießigen Familienidylle aufzulösen, stößt somit besonders bitter auf. Zusätzlich bietet das Geschichte keine einzige spannende Nebenfigur und bleibt von Minute 1 bis 102 vorhersehbar. Die Subplots um Trauerarbeit, auferlegte Lebensentwürfe und Umweltschutz (!) ergeben nie ein schlüssiges Gesamtbild und dienen auch nicht der charakterlichen Vertiefung der Handelnden, sondern werden stets für, zugegeben wirklich witzige, Runninggags geopfert. Womit die größte Stärke des Films bereits erwähnt wurde. Die Gagdichte in Dirty Grandpa ist wirklich aller Ehren wert. Nur wenige Witze wollen so gar nicht zünden, alle Beteiligten sind mit spürbarer Freude am Werk und auch wenn der Film das Genre der Rated-R-Komödie nicht neu erfindet, so kombiniert er wenigstens deren oberflächliche Versatzstücke zu einem wahrlich unterhaltsamen Trip. Für Freunde der sanften Berieselung und des derben Humors ist Dirty Grandpa somit allemal sehenswert, wer hingegen auch in einer platten Story tiefe Wahrheiten sucht, sollte den Streifen besser meiden.

5/10

Für Fans von: American Pie, Hangover, Bad Neighbors

Freitag, 12. Februar 2016

Chimichanga!



Deadpool

Seit 2004 kämpft Ryan Reynolds bereits um die filmische Umsetzung der legendären Deadpool-Comics. Im Schatten der X-Men-Reihe hat sich der spätpubertierende, dauerfluchende Antiheld eine treue Fanbase erarbeitet, an die sich dieser Film nun auch vorrangig richtet. Das irrsinnig witzige Spiel mit Zitaten, Seitenhieben und ernstgemeinten Referenzen an die aktuelle Comicverfilmungswelle und die Popkultur des 21. Jahrhunderts sowie Angriffen auf den guten Geschmack im allgemeinen bedarf zum vollständigen Genießen eines hohen Vorwissens um diese Themen. Fans der glattgebügelten Avengers- Streifen werden hier genüsslich vor den Kopf gestoßen. Der nicht jugendfreien Comicvorlage wird ausgiebig gehuldigt, die abnorme Einstellung des Protagonisten genüsslich zelebriert. Deadpool erzählt dabei die Origin-Story des rot maskierten Superhelden. Der ehemalige Elitesoldat Wade Wilson wird nach einer Krebserkrankung den sadistischen Mutationsplänen eines psychopathischen Mediziners unterworfen, die ihm zwar außergewöhnliche Kräfte geben, allerdings auch den Wunsch nach Vergeltung wecken. Zusätzlich werben die X-Man unnachgiebig um den entstellten Rächer. Die eigentliche Handlung dient mehr als Pflichterfüllung, denn als ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Schicksal eines Mutanten. Deadpool selbst sagt im Film dann folgerichtig (er durchbricht fortwährend die vierte Wand), er bekämpft seinen Gegner, weil er eben böse ist. Und eigentlich ist alles eine Liebesgeschichte. Und tatsächlich: neben dem anzüglichen Humor, der ironischen Übersexualisierung und der rohen Gewalt funktioniert die Lovestory zwischen Wilson und der ehemaligen Prostituierten Vanessa noch am besten. Dies ist vor allem Hauptdarsteller Reynolds selbst zu verdanken, der unter anderem mit Ed Skrein (Transporter: Refueled) und Nachwuchsdarstellerin Brianna Hildebrand (ihr Charakter trägt den phänomenalen Namen Negasonic Teenage Warhead) einen spielfreudigen und überzeugenden Cast um sich schert. Jedoch mangelt es Deadpool mit fortlaufender Spielzeit an einem guten Passing. Für einen Superheldenfilm muten lediglich zwei Actionszenen dann doch etwas arg zurückgenommen an (das Finale erinnert dann zusätzlich böse an die klassischen Marvel-Endschlachten, die Deadpool eigentlich persifliert), dazu werden einige Szenen, wie eben jenes Finale, oder die schmerzvolle Mutation, zu arg ausgereizt, sodass die eigentlich knackige Laufzeit von 108 Minuten durchaus noch hätte reduziert werden können. Dem sichtbaren Spaß, den das Team um Newcomer-Regisseur Tim Miller beim Dreh hatte, mindert das glücklicherweise nicht. Somit entfaltet Deadpool deutlich mehr Wirkung als wahrgewordener, feuchter Traum von Comic-Nerds, denn als großes cineastisches Werk. Die bereits angedachte Fortsetzung ist trotzdem eine tolle Idee, da der freche Bastard von einem Film endlich frischen Wind in das so bierernste Sammelsurium der Marvel- und DC-Streifen bringt.

7/10

Für Fans von: Kick-Ass, Kingsman – The Secret Service, Watchmen

Mittwoch, 10. Februar 2016

Die Jagd nach Ruhm und Hühnern



Creed

Sportfilme haben oft das Problem, dass sie sich nur mit deutlichen Abstrichen wiederholt ansehen lassen. Der Ausgang des finalen Kampfes oder des finalen Spiels zwischen einzelnen Athleten oder Teams ist bekannt, der Fokus auf das Geschehene lässt sich durch die Konzentration des Streifens auf dieses Duell nicht reproduzieren. Creed ist nun eine der großen Ausnahmen dieser Eigenart. Regisseur Ryan Coogler ist es zu verdanken, dass wir hier ein erwachsenes Drama vorgelegt bekommen, welches die Beheimatung in der Boxsportszene nur als Aufhänger für die brilliant geschriebene Charakterstudie eines jungen Sportlers und seines alternden Trainers nutzt. Wenn Apollo Creeds Sohn, Adonis, auf die Nemesis seines Vaters, Rocky Balboa trifft, wird in der Logik der Rocky-Serie als auch in der filmhistorischen Realität ganz natürlich häufig von Vermächtnis gesprochen. Nicht umsonst wird der deutsche Verleihtitel des Films mit dem Zusatz Rocky's Legacy vervollständigt. Doch Coogler und seine Hauptdarsteller umschiffen die allzu martialische Ehrerbietung, die dieser Thematik in ähnlich gelagerten Filmen gern innewohnt. Zum einen sehen wir da Michael B. Jordan, der schon im Erstling des Regissuers, Fruitvale Station, auf sich aufmerksam machte. Als Amateurboxer mit schwieriger Herkunft ist er auf der ständigen Suche nach Selbstverwirklichung und einer Vaterfigur. Der Fantastic Four- Darsteller lässt seinen Ausrutscher im vergangenen Jahr durch eine enorme Physis und ein sehr nuanciertes emotionales Spiel, das mich häufig überraschte, schnell vergessen. An seiner gibt Sylvester Stallone bereits zum siebtem Mal, die von ihm erschaffene Kultfigur Rocky Balboa. 39 Jahre nach seiner Oscarnominierung für Rocky wäre dem New Yorker der Goldjunge für den besten Nebendarsteller in diesem Jahr wirklich zu wünschen. Sein feines Spiel lässt den zurückgezogenen, ehemaligen Star, der den Großteil seiner Freunde und Familienangehörigen überlebt hat, stets greifbar und realitätsnah wirken. Treffen Stallone und Jordan nun in Creed aufeinander, sind dies die definitiv besten Szenen des Films. Wer nun sperrige Kost zum Thema Vergangenheitsbewältigung erwartet, kann dennoch aufatmen. In den 134 Minuten Laufzeit wird viel trainiert, geboxt und gelitten. Die Stationen, die Adonis und Rocky im Verlauf der Handlung abarbeiten, sind dem klassischen Sportfilm entnommen – hier sei einmal mehr Regisseur Coogler gedankt, der durch eine perfekte Balance der einzelnen Storyelemente dem Zuschauer das Gefühl gibt, nur 90 Minuten im Kino verbracht zu haben. Verstärkt wird diese tolle Empfindung zusätzlich durch den emotionsgeladenen Score des jungen Schweden Ludwig Göransson. Der Wir sind die Millers-Komponist lässt sich in seiner Arbeit nicht von der berühmten Rocky-Musik Bill Contis einschüchtern, sondern geht mit großer Orchestrierung und viel Pathos einen eigenen stimmigen Weg, der besonders in Verbindung mit der tollen Kameraarbeit der Französin Maryse Alberti in den Boxszenen den Zuschauer vollständig mitreißt. Letztere hat im Übrigen mit The Fighter schon ein ähnlich hochwertiges Sportdrama gefilmt. Und auch die Fotografie in Creed lässt das raue Leben in den Straßen Philadelphias und die aufgeheizte Stimmung in den Boxrings spürbar werden. Creed ist somit in jeder Hinsicht ein überraschend guter Film geworden. Kein perfektes, aber ein nahezu fehlerloses Werk, das die Fans der Rocky-Klassiker ebenso zufriedenstellen wird, wie Freunde detaillierter Figurenentwicklung.

8/10

Für Fans von: Rocky, The Fighter, The Wrestler, Warrior

Freitag, 5. Februar 2016

Wahl & Kampf







Suffragette

Über 100 Jahre sollte es dauern, ehe die britische Suffragetten-Bewegung rund um Emmeline Pankhurst filmisch verarbeitet wurde. Die Brick Lane-Regisseurin Sarah Gavron konnte nun einen Allstar-Cast gewinnen, um den militanten Kämpferinnen für Wahlrecht und Gleichberechtigung der Frau ein cineastisches Denkmal zu setzen. Erzählt wird Suffragette aus der Sicht der einfachen Wäschereiarbeiterin Maud Watts, die angestachelt durch den öffentlichen Protest und die unmenschlichen Zustände an ihrem Arbeitsplatz radikalisiert wird und schließlich ab 1912 an den gewalttätigen Guerilla-Protesten der Woman's Social and Political Union (WBSU) teilnimmt. Durch die Fokussierung auf eine gewöhnliche Arbeiterin wird der aufklärerische Ton des Films natürlich zusätzlich unterstrichen und der Zuschauer hat eine ideale Begleiterin an der Hand, die ihn mit der Materie vertraut macht. Die Schattenseite dieser Praxis ist allerdings seine dramaturgische Gewöhnlichkeit. Überraschungen im Drehbuch lassen in den 107 Minuten Laufzeit auf sich warten. Von deutlich höherem Niveau sind hingegen die schauspielerischen Leistungen. Carey Mulligan beherrscht das Leinwandgeschehen von der ersten Sekunde an und mimt die unterdrückte Werktätige genauso überzeugend wie die aufbegehrende Aktivistin. Auf weiblicher Seite ist dazu noch Helena Bonham Carter mit von der Partie, deren Urgroßvater interessanterweise der zur Zeit der Filmhandlung amtierende Premierminister Lord Herbert H. Asquith und ein absoluter Suffragettenhasser war. Ein Wort an dieser Stelle noch zu Meryl Streep. Sämtliche Trailer und alle Filmplakate geben vor, die Ausnahmeakteurin sei eine zentrale Figur in Suffragette. Ihre tatsächliche Leinwandzeit beträgt jedoch lediglich etwa drei Minuten (Streep hatte insgesamt nur zwei Drehtage). Passenderweise wird ihre Figur, WSBU-Gründerin Emmeline Pankhurst, im Streifen ähnlich mystisch überhöht, wie es auch beim Engagement Meryl Streeps selbst in diesem Fall den Anschein hat. Die männliche Schauspielerriege ist mit Brendan Gleeson und Ben Wishaw ähnlich prominent besetzt. Ersterer verkörpert einen eifrigen Polizisten, der mittels modernster Ermittlungstechnik (es ist historisch belegt, dass zur Zerschlagung der Suffragetten- Bewegung erstmals die fotografische Überwachung einzelner Personen praktiziert wurde) die Proteste untergraben will. Wishaw hingegen bleibt dank des äußerst realistischen Porträts von Mauds Ehemann Sonny Watts als zwischen allen Stühlen Zerriebener im Gedächtnis. Keinen besonderen Gefallen haben sich die Filmemacher allerdings bei ihrer Wahl des Inszenierungsstils getan. Mit hektischen Schnitten und viel Shaky-Cam-Einsatz sollte die eingestaubte Optik von Historienfilmen modern durchbrochen werden. Dieser Effekt ist jedoch für den Zuschauer letztendlich nicht nachvollziehbar sondern nur ärgerlich. Wie wichtig die filmische Aufarbeitung des Stoffes in Großbritannien dennoch zu seien scheint, beweisen abschließend noch zwei Fakten. Zum einen wurde der oscargekrönte Komponist Alexandre Desplat für die Erschaffung des Scores gewonnen, zum Zweiten ist Suffragette der erste Film überhaupt, der von der britischen Regierung die Erlaubnis erhielt im Unterhaus des Palace of Westminster zu drehen. Mit all diesem Background hätte Suffragette ein außergewöhnliches Porträt außergewöhnlicher Frauen werden können, kann sich aber durch das ideenarme Drehbuch und die technische Umsetzung auf besserem TV- Niveau trotz seiner tollen Darsteller nicht aus dem filmischen Durchschnitt erheben.

6/10

Für Fans von: Pride, Die Asche meiner Mutter