Snowden
Der
politisch umstrittenste Filmemacher Amerikas nimmt sich der größten
Enthüllungsgeschichte des Landes an – ein hochbrisantes Stück
Kino mit Konfliktpotential scheint sich den Weg auf die Leinwände
zu bahnen. Doch wer in Oliver Stones Umsetzung der Biografie von
Edward Snowden einen hochoktanigen Nägelkauer à la Geboren am 4.
Juli oder JFK – Tatort Dallas erwartet, kann enttäuscht werden.
Aus europäischer Sicht wirkt Snowden fast schon inhaltlich zahm und
es fällt schwer, die dargestellten Ereignisse als augenöffnend zu
bezeichnen. Ein guter Film ist Stone jedoch allemal gelungen.
Ausgehend von den berühmten, schicksalshaften Tagen in einem
Hotelzimmer in Hongkong, in denen sich Edward Snowden dazu
entschloss mit seinen Enthüllungen an die Öffentlichkeit zu gehen,
wird uns in Rückblenden die Geschichte des später berühmtesten
aller Whistleblower in den amerikanischen Geheimdiensten erzählt.
Snwoden ist dabei viel mehr Bio-Pic als waschechter
Paranoia-Thriller und spricht dank eines großartigen Casts und der
allgemeingültigen Erkenntnisse, die der Film aus den Erlebnissen
seines Protagonisten zieht, dennoch stets die große Mehrheit an.
Wir sehen Edward Snowden zu Beginn als schmächtigen Rookie, der
sich nur durch seine IT-Fähigkeiten in der CIA halten kann. Der
dringende Wunsch zur Sicherheit der USA beizutragen, weicht nur
langsam den Beobachtungen über die globale Überwachung, die Edward
Snowden nach und nach macht. Hier überschneidet sich dessen
Biografie mit der des Regisseurs. Denn Oliver Stone meldete sich in
seiner Jugend begeistert für einen Kampfeinsatz im Vietnamkrieg und
wurde in seiner beruflichen Laufbahn zu einem der unerbittlichsten
öffentlichen Kritiker dieses Militäreinsatzes. Snowdens
Entwicklung wird im Film sehr dialoglastig und durch die Einbindung
seiner langjährigen Freundin Lindsay Mills ebenfalls auf sehr
persönlicher Ebene präsentiert, doch viele Schauplatzwechsel und
eine großartige technische Umsetzung lassen dies in einer sehr
fiebrigen und somit unterhaltsamen Atmosphäre geschehen. Besonders
die Kameraarbeit des Briten Anthony Dod Mantle (127 Hours, Slumdog
Millionaire, Rush) trägt signifikant zum allgegenwärtigen
Paranoiagefühl bei. Trotz der Rahmenhandlung wird Snowden recht
schematisch erzählt. Stone verlässt sich hierbei ganz auf die
Brisanz seiner Story, der ich maximal für Amerikaner selbst eine
erhellend Wirkung nachsagen würde. Die gesellschaftliche Wertung
von Edward Snowdens Taten ist im Rest der Welt schlicht zu
eindeutig, als das dieser Film zusätzlich zu dessen Gunsten
herhalten müsste. Das internationale Publikum kann sich hingegen an
einem tollen Cast rund um Hauptdarsteller Joseph-Gordon Levitt,
Divergent-Star Shailene Woodley, Mr. Spock-Akteur Zachary Quinto,
und Leinwandikone Nicholas Cage erfreuen. Zusätzliche Nebenrollen
von Melissa Leo, Rhys Ifans, Tom Wilkinson und Timothy Olyphant
sorgen für den Stone- typischen bunten Reigen an bekannten
Gesichtern in Snowden. Mit 135 Minuten erscheint der Streifen
verhältnismäßig aufgebläht, doch dank toller Leistungen aller
Beteiligten und der großartigen Optik, weißt dieser ungewohnt
subtile Film in der Vita Oliver Stones nur minimale Längen auf und
wird mit der Einbettung vieler Original- und Nachrichtenaufnahmen
sowie einem Gastauftritt des realen Edward Snowdens zumindest zu
einem spannenden Zeitdokument.
7/10
Für
Fans von: Citizenfour, Inside WikiLeaks