Der Wert des Menschen
Thierry Taugourdeau ist 51 Jahre alt.
Er lebt mit seiner Frau und seinem geistig behinderten Sohn in einer
Eigentumswohnung. Sein bodenständiges Leben ist jedoch zur Zeit
keines mehr. Thierry ist seit fast 2 Jahren arbeitslos. Der
titelgebende Wert des Menschen sinkt für ihn Tag um Tag. In seinem
minimalistischen Sozialdrama schildert Regisseur Stéphane Brizé
die Entbehrungen, eines ungebrauchten Mannes in den Mühlen der
modernen, optimierten Arbeitswelt. Der Wert des Menschen begeht
dabei nicht den Fehler einen großen Aufschrei provozieren zu
wollen, oder pauschale Vorverurteilungen auszusprechen, sondern
arbeitet sich langsam am Verfall des eigenen Selbstvertrauens ab. So
begleiten wir Thierry beim Bewerbertraining, bei Terminen auf Ämtern
und Banken und sehen, wie er langsam des Kampfes um Anerkennung müde
wird. Als er schließlich einen neuen, minderwertigen Job ergattern
kann, prasseln andere zermürbende Situationen auf ihn ein. Mittels
einer starren Kamera und langen sowie trostlosen Einstellungen
verbildlicht Der Wert des Menschen die zunehmende persönliche und
soziale Wertlosigkeit des Protagonisten. Durch das Fehlen jeglicher
musikalischer Untermalung (mit Ausnahme einiger Songs, die von
Akteuren (an)gespielt werden) dringen Bildsprache und Schauspiel
noch viel ungefilterter an das Publikum heran. Für diese stille
aber präzise Leistung konnte Hauptdarsteller Vincent Lindon den
Cesar und den Schauspielpreis beim Filmfestival in Cannes gewinnen.
Seine realistische Verkörperung eines Mannes, der stets
Unwägbarkeiten zu Schlucken hat, von dem aber selbst nur
Konformität erwartet wird, legt den Charakter zusätzlich
nachvollziehbar an. Der Wert des Menschen verlangt dem Zuschauer
einiges ab. Der Film ist definitiv kein Feel-Good-Movie. Die
halbdokumentarischen, teils sehr langwierigen Szenen werden
definitiv nicht nur auf Anklang stoßen. Thematik und Umsetzung sind,
obwohl jederzeit glaubwürdig, sperrig und schwer zugänglich. Erst
gegen Ende der 93 Minuten Laufzeit kommt verstärkt Spannung auf,
wenn die ohnehin schon triste Atmosphäre des Films noch zusätzlich
bedrückender wird. Dennoch wird Der Wert des Menschen ein kleines
und interessiertes Publikum mit Sicherheit für sich gewinnen
werden. Wer die schlechte deutsche Synchronisation des französischen
Originals ignoriert, bekommt einen ungewöhnlichen Arthousefilm zu
sehen, der zeigt, dass es nicht nur Geld und Zeit sind, die den
eigentlichen Wert des Menschen ausmachen.
6/10
Für Fans von: 2 Tage, 2 Nächte
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