Samstag, 19. März 2016

Haltung bewahren



Der Wert des Menschen

Thierry Taugourdeau ist 51 Jahre alt. Er lebt mit seiner Frau und seinem geistig behinderten Sohn in einer Eigentumswohnung. Sein bodenständiges Leben ist jedoch zur Zeit keines mehr. Thierry ist seit fast 2 Jahren arbeitslos. Der titelgebende Wert des Menschen sinkt für ihn Tag um Tag. In seinem minimalistischen Sozialdrama schildert Regisseur Stéphane Brizé die Entbehrungen, eines ungebrauchten Mannes in den Mühlen der modernen, optimierten Arbeitswelt. Der Wert des Menschen begeht dabei nicht den Fehler einen großen Aufschrei provozieren zu wollen, oder pauschale Vorverurteilungen auszusprechen, sondern arbeitet sich langsam am Verfall des eigenen Selbstvertrauens ab. So begleiten wir Thierry beim Bewerbertraining, bei Terminen auf Ämtern und Banken und sehen, wie er langsam des Kampfes um Anerkennung müde wird. Als er schließlich einen neuen, minderwertigen Job ergattern kann, prasseln andere zermürbende Situationen auf ihn ein. Mittels einer starren Kamera und langen sowie trostlosen Einstellungen verbildlicht Der Wert des Menschen die zunehmende persönliche und soziale Wertlosigkeit des Protagonisten. Durch das Fehlen jeglicher musikalischer Untermalung (mit Ausnahme einiger Songs, die von Akteuren (an)gespielt werden) dringen Bildsprache und Schauspiel noch viel ungefilterter an das Publikum heran. Für diese stille aber präzise Leistung konnte Hauptdarsteller Vincent Lindon den Cesar und den Schauspielpreis beim Filmfestival in Cannes gewinnen. Seine realistische Verkörperung eines Mannes, der stets Unwägbarkeiten zu Schlucken hat, von dem aber selbst nur Konformität erwartet wird, legt den Charakter zusätzlich nachvollziehbar an. Der Wert des Menschen verlangt dem Zuschauer einiges ab. Der Film ist definitiv kein Feel-Good-Movie. Die halbdokumentarischen, teils sehr langwierigen Szenen werden definitiv nicht nur auf Anklang stoßen. Thematik und Umsetzung sind, obwohl jederzeit glaubwürdig, sperrig und schwer zugänglich. Erst gegen Ende der 93 Minuten Laufzeit kommt verstärkt Spannung auf, wenn die ohnehin schon triste Atmosphäre des Films noch zusätzlich bedrückender wird. Dennoch wird Der Wert des Menschen ein kleines und interessiertes Publikum mit Sicherheit für sich gewinnen werden. Wer die schlechte deutsche Synchronisation des französischen Originals ignoriert, bekommt einen ungewöhnlichen Arthousefilm zu sehen, der zeigt, dass es nicht nur Geld und Zeit sind, die den eigentlichen Wert des Menschen ausmachen. 

6/10

Für Fans von: 2 Tage, 2 Nächte

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