Dienstag, 28. Juli 2015

Die Liebe in Zeiten des Colts



Slow West

Glücklicherweise gibt niemand mehr etwas auf die veraltete Ansicht, das Westerngenre sei tot. Zwar stammen die jüngsten Filme dieser Gattung in den seltensten Fällen aus dem Stammland USA, doch die Qualität der Streifen lässt wiederholt aufhorchen. So auch im vorliegenden Slow West, dem Regiedebüt des Schotten John Maclean. Um seine große Liebe für sich zu gewinnen, zieht es den 16jährigen Jay von der britischen Insel ins entfernte Amerika. Doch seine Traumfrau Rose, sein Begleiter Silas, sowie die unwirklichen Verhältnisse in der neuen Welt stellen den jungen Romantiker auf eine harte Probe. Slow West gibt uns mit der Liebe als zentrales Motiv einen frischen, fast schon märchenhaften Blick auf den wilden Westen. Passend dazu erleben wir einen naiven Jüngling als Hauptfigur, der weder zynisch noch abgestumpft allen Widrigkeiten entgegentritt, um für seine Werte einzustehen. Einen solchen klassischen Antihelden bekommt er mit Michael Fassbender zur Seite gestellt. Der hochdekorierte Vielfilmer gibt seinen Silas als typischen, raubeinigen Revolverhelden, der Jay, gespielt vom australischen Nachwuchsstar Kodi Smit- McPhee, mit fortlaufender Spielzeit ein treuer und gutherziger Freund wird. Doch es sind die kleinen Episoden und spannenden Randfiguren, die dem ungleichen Paar auf seiner Odyssee geschehen und begegnen, die Slow West so unterhaltsam und ungewöhnlich machen. So treffen Jay und Silas auf den undurchsichtigen Feingeist Werner, eine entflohenes Sklaventrio, das durch seine Musik zu begeistern weiß und eine Großfamilie, die bei Lagerfeuer und reichlich Alkohol abstrakte Gleichnisse zum Besten gibt. In dieses teils sehr melancholische Setting flechtet Regisseur Maclean dann stetig klassische Westernmotive, die von herrlich schrägem, schwarzen Humor kommentiert werden. So bekommen wir Indianerüberfälle, ein Antagonistenteam von Kopfgeldjägern (angeführt von Dauergegenspieler Ben Mendelsohn) und einen schön überdrehten, bleihaltigen Showdown zu sehen. Slow West ist dabei wirklich betörend gefilmt und geschnitten. Die sonnendurchfluteten, farbstrotzenden Panoramabilder bleiben noch lange im Gedächtnis. Dazu bietet der Film trotz seiner ruhigen, geradlinigen Erzählweise in nur 84 Minuten jede Menge Überraschungen und kann zusätzlich mit einer starken, weiblichen Hauptrolle auftrumpfen. Slow West überzeugt somit als überraschend humorvolle Neuinterpretation klassischen Westernstoffes.

8/10


Für Fans von: Todeszug nach Yuma, The Homesman

Im Taxi



Taxi Teheran

Jafar Panahis Werdegang steht symbolisch für die Kraft, die die Kunst im Allgemeinen und der Film im Speziellen auch im global vernetzten 21. Jahrhundert noch aufbringen muss, und glücklicherweise auch kann, um gegen Unfreiheit und willkürliche Grenzen Position zu beziehen. Der iranische Regisseur wurde 2010 zu zwanzig Jahren Berufsverbot und einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt, die bis heute ausgesetzt ist. Als Unterstützer der grünen Oppositionsbewegung war er an Filmen beteiligt, die dem Teheraner Regime unliebsam erschienen. So ist auch die Entstehung Panahis neusten Werkes, Taxi Teheran, ein gefährliches Unterfangen geworden. Der Film zeigt den Regisseur zugleich in der Rolle eines Taxifahrers auf seiner Route durch die iranische Hauptstadt. In den 82 Minuten Laufzeit präsentiert uns Panahi einen spannenden Einblick eines weithin abgeschirmten Landes. Mit fortlaufender Spieldauer werden die Fahrgäste des Taxis jedoch weniger zufällig. So sehen wir unter anderem Panahis Nichte im Taxi ihres Onkels, die einen Film für ein Schulprojekt drehen soll. Die Einschränkungen, die von staatlicher Seite schon den Jüngsten bei der Verwirklichung ihrer künstlerischen Ideen im Wege stehen, bilden den zentralen Aspekt des Gesprächs zwischen Onkel und Nichte, sowie des gesamten Films. Diese Aussage wird erneut vertieft, wenn die iranische Menschenrechtsaktivistin Nasrin Sotudeh sein Fahrgast wird. Jedoch ergreift Panahi der Fahrer nie Partei, sondern lässt die Ansichten seiner Insassen immer unkommentiert zum Zuschauer fließen. Mit stoischer Denkermine agiert er vordergründig als Moderator. Doch in der faszinierenden Mischung aus Dokumentation und Fiktion (auch nach dem Film ist es eine Freude zu rätseln, ob Fahrgäste zufällig in das titelgebende Taxi stiegen) offenbaren die Nebenfiguren den Standpunkt des Regisseurs Panahi, die der Taxifahrer Panahi lieber verschweigt. Neben der Kritik am iranischen System zeigt Taxi Teheran auch wiederholt die Liebe seines Machers zum Kino an sich. Neben der thematisch übergeordneten Ebene, die sich auf die problematische Veröffentlichung des Films bezieht (Panahi musste Taxi Teheran, wie seine beiden zuvor gedrehten Streifen Dies ist kein Film und Closed Curtain auf einem USB-Stick außer Landes schmuggeln lassen), wird dies besonders deutlich, wenn ein Schwarzmarkthändler für amerikanische Filme und Serien als Passagier ins Geschehen eingreift. Als kulturelles und politisches Statement ist Taxi Teheran ein enorm gelungener und wichtiger Film. Für Fans klassischen Filmemachens könnte das Kinoerlebnis an sich, bedingt durch die technische Umsetzung, jedoch etwas eingeschränkt sein. Da Panahi fast ausschließlich mit einer schwenkbaren Kamera auf der Mittelkonsole seines Taxis drehte, bekommt der Zuschauer teilweise das Gefühl einer Überwachungskamera zu folgen, manche Abschnitte des Films sind auch ähnlich spannend. Dazu ist die deutsche Synchronisation wirklich ungewohnt. Ob versucht wurde, viel vom iranischen Sprachfluss zu übernehmen, vermag ich nicht einzuschätzen, von einer typischen Gesprächsführung bleibt zumindest wenig. Schlussendlich mindern diese Aspekte den Aussagegehalt des Films jedoch nicht. Ausgezeichnet mit dem goldenen Löwen der Berlinale ist Taxi Teheran einmal mehr ein würdiger Gewinner des politischsten aller Filmfestivals.

8/10

Für Fans von: Argo, Leviathan

Donnerstag, 23. Juli 2015

Großer Held ganz klein



Ant-Man

Zweifellos sind es die Avengers, die im Marvel Cinematic Universe (MCU) über allem stehen. Die Solofilme der einzelnen Superhelden gipfelten bislang stets in den Crossover- Weken von Iron Man, Hulk und co. Querverweise innerhalb der Streifen woben ein starkes Band, das Fans des Franchises die Wartezeit zum nächsten Abenteuer ihres Lieblingshelden verkürzte und schließlich wurde mit Beendigung der Phase 1 des MCU (Avengers, 2011) eine filmübergreifende Story etabliert. Doch schon im vergangenen Jahr stahlen die Helden aus der zweiten Reihe mit Guardians of the Galaxy S.H.I.E.L.D. die Show. Und auch wenn erst vor zwei Monaten der von Kritikern und Fans gleichsam gefeierte Avengers: Age of Ultron die Kinokassen stürmte, würde es mich nicht wundern, wenn Ant-Man als überzeugender Gegenentwurf zum selbstironischen Bombastkino rund um Captain America und Hawkeye nachhaltiger im Gedächtnis der Kinozuschauer bleibt. Die Geschichte des Profidiebs Scott Lang, der mit Hilfe des Wissenschaftlers Dr. Pym und dessen Tochter zum Kämpfer in Ameisengröße wird, ist von einer phantasievollen Unbeschwertheit geprägt, die den bisherigen Marvel-Filmen oftmals gefehlt hat. Zwar erzählt Regisseur Peyton Reed, der bisher hauptsächlich im amerikanischen Fernsehen in Erscheinung trat, eine klassische Origin-Story und kämpft folgerichtig auch mit deren Problemen, doch mit jeder Menge Leichtigkeit und tollen Figuren hält er den Zuschauer über die gesamten 115 Minuten bestens bei der Stange. Besonders Rom-Com Darsteller Paul Rudd und Altmeister Michael Douglas geben in den Hauptrollen ein großartiges Gespann ab. Während Der Hobbit- Amazone Evangeline Lilly als zentrale weibliche Protagonisten noch ziemlich blass bleibt (durch eine der beiden(!) Post-Credit-Scenes sollte sie jedoch auch in Zukunft ein Wörtchen im MCU mitzureden haben), sind die Nebenrollen mit zahlreichen bekannten Gesichtern Hollywoods aufstrebender Stars gespickt. So dürfen wir uns unter anderem über die Serienschauspieler Bobby Cannavale (Boardwalk Empire), Judy Grier (How I met your mother, The Big Bang Theory, Two and a half man) und Corey Stoll (House of Cards) freuen. Optisch geht Ant-Man einen gewaltigen Schritt in die richtige Richtung. Glücklicherweise erkannte Marvel die Zeichen der Zeit und versuchte einen Helden aus der zweiten Reihe nicht mit zunehmend erdrückendem Action-Overkill zu inszenieren. Stattdessen werden Ant-Mans Fähigkeiten erstaunlich innovativ eingesetzt und geben dem Film zusätzlich einen schönen Heist-Movie-Einschlag. Das Leben zwischen Mensch und Insekt bildet hier eine großartig umgesetzte Vorlage für jede Menge spannender und humorvoller Sequenzen, in denen auch die 3D-Technik überzeugend zum Einsatz kommt. Besonders der bahnbrechende Showdown in einem Kinderzimmer ist eine phantasievolle Alternative zur globalen Zerstörung aus den Avengers-Abenteuern und lässt uns über den etwas eindimensionalen Antagonisten hinwegsehen. Nichtsdestotrotz entpuppt sich Ant- Man als ein neuer, zentraler Faktor des MCU und wird in Zukunft einiges zum Kampf um die Infinity-Steine beizutragen haben. Sein Solo-Film zumindest beendet Marvels zweite Phase mit einem dicken Ausrufezeichen.

8/10

Für Fans von: Allen bisherigen MCU-Filmen, Mission: Impossible



Mittwoch, 22. Juli 2015

Der kauzige Onkel


Escobar – Paradise Lost

Sich einem Mann wie Pablo Escobar filmisch zu nähern, scheint eine gewaltige Aufgabe zu sein. Der kolumbianische Drogenbaron würde auf den ersten Blick mit seiner unbegreiflichen Ambivalenz zwischen verehrtem Wohltäter und brutalem Kartellboss die perfekte Vorlage für ein packendes Biopic abgeben. Doch vielleicht ist es in diesem Zwiespalt begründet, dass ein solcher Film dem internationalen Kino bisher vorenthalten wurde. Mit Escobar – Paradise Lost nähert sich Regiedebütant Andrea di Stefano (als Schauspieler aus Life of Pi und Eat, Pray, Love bekannt) dem Phänomen Escobar auf ambitionierte und ungewöhnliche Weise an., indem er auf dessen detailliert belegtes Familienleben zurückgreift. In die Rekonstruktion des Lebens mit Frau und Kindern flechtet di Stefano den fiktiven kanadischen Surflehrer Nick ein, der Escobars Nichte Maria zur Frau nimmt. Und so ist, anders als der Filmtitel vermuten ließ, Josh Hutchersons Nick der Protagonist des Films. Der Tribute von Panem-Star agiert durchaus überzeugend, an der Seite der spanischen Newcomerin Claudia Traisac gerät auch die zentrale Liebesgeschichte nie unpassend. Klarer Star und Aushängeschild des Films ist jedoch Benicio del Toro und seine Darstellung Pablo Escobars. Der mexikanische Oscargewinner (Traffic) hat zwar vergleichsweise wenig Screentime, ist aber der uneingeschränkte Mittelpunkt jeglichen Geschehens auf der Leinwand. Del Toros Leistung ist schlicht genial. Eine bessere Verkörperung Escobars mag ich mir derzeit beim besten Willen nicht vorstellen. Neben dem großartigen Cast kann Escobar – Paradise Lost mit enormer Intensität und Spannung aufwarten. Die Handlung des Films hat ihren Ursprung am Vorabend Escobars Auslieferung an die kolumbianischen Behörden am 1.4.1991. Die damit einhergehende Unsicherheit und Paranoia innerhalb des Kartells überträgt sich von der Leinwand direkt auf den Zuschauer. Leider muss ich Escobar – Paradise Lost dennoch eine gewisse Uneinigkeit ankreiden. Di Stefanos selbst gewählter erzählerischer Rahmen wird nach der Hälfte des Films aufgelöst, der damit einhergehende Cliffhanger verpufft wirkungslos. Überhaupt wirkt der Film durch einige Rückblenden und Flash Forwards recht zerfahren. Dazu ist das Passing des Streifens teilweise chaotisch. Vor allem die ersten 45 Minuten sind äußerst gestreckt, weswegen Escobar – Paradise Lost am Ende der 120 Minuten etwas die Luft ausgeht. Trotz einiger Ungereimtheiten lohnt sich ein Blick auf diese Annäherung an eine der zwiespältigsten Persönlichkeiten der jüngeren Geschichte.

7/10

Für Fans von: Che, Scarface

Sonntag, 19. Juli 2015

Die Würfel wurden neu gemischt



Desaster

Nach dem totalen Rohrkrepierer What the fuck heißt redirected freue ich mich enorm, dass es in diesem Jahr auch eine gelungene Gangsterkomödie aus Versatzstücken von Tarantino und Guy Ritchie in die Kinos schafft. Erfreulich und verwunderlich zu gleich ist dabei, dass Desaster eine deutsche Produktion mit hierzulande allseits bekannten Schauspielern ist. Im sonnigen St. Tropez tummeln sich einfältige Auftragskiller, bestechliche Staatsanwälte und schwule Motorradcops, die allesamt hinter den Millionen eines Hamburger Gangsterbosses her sind. In luxuriösen Ambiente sehen wir in unterhaltsamen 90 Minuten die genreüblichen Verwicklungen, Betrügereien und überraschenden Wendungen. Fans zynischer Gangsterstreifen können die Geschichte natürlich zu einem Großteil vorausahnen. Zu Offensichtlich werden scheinbare Nebensächlichkeiten in den Mittelpunkt der Handlung gerückt, als das sie mit fortlaufender Spieldauer noch überraschen könnten. Doch glücklicherweise etabliert Regisseur Justus von Dohnányi die Handlung des Films nicht als zentrales Element von Desaster, sondern nutzt sie als Aufhänger für grandiose Einzelszenen. Der komplette Cast (unter anderem sind Der Nanny-Star Milan Peschel, Tatort-Kommissar Jan Josef Liefers und dessen Ehefrau Anna Loos mit an Bord) ist mit sichtbarer Spielfreude am Werk, sodass jeder Charakter auf seine eigene Art im Gedächtnis bleibt. Dazu garniert von Dohnányi sein Werk mit grandiosen und zitierwürdigen Dialogen. Besonders das zentrale Killerduo Ed und Mace (Liefers und der Regisseur selbst) hat eine geniale Leindwandchemie und braucht sich hinter den offensichtlichen Hollywoodvorbildern nicht zu verstecken. Dazu ist Desaster wirklich außergewöhnlich schön anzusehen. Mit innovativer Kameraarbeit und intelligentem Schnitt wird der Wahnsinn der Ereignisse in krassem Gegensatz zur betörenden Schönheit der Mittelmeerküste gestellt. Ein unterhaltsamer Soundtrack rundet das positiven Eindruck ab. Auch wenn das Gesamtpaket Desaster nicht ganz die Qualität seiner Einzelteile erreicht, kommen Freunde toll getimter Dialoge und makaberen Wortwitzes mit dieser Hommage an das Gangsterkino der 90er Jahre voll und ganz auf ihre Kosten.

7/10


Für Fans von: Snatch – Schweine und Diamanten, Knockin' on heavens door

Freitag, 17. Juli 2015

Teeniesterben 2.0







Unknown User

Durch seine ungewöhnliche Prämisse hat sich Unknown User (sinnigerweise eine „Übersetzung“ des Originaltitels Unfriended) zu einem heiß erwarteten Horrorthriller gemausert. Denn mit minimalem Aufwand inszeniert der georgische Regisseur Levan Gabriadse seinen ersten englischsprachigen Film auf einer einzigen Desktopfläche. Die Handlung erschließt sich dem Zuschauer nur durch all das, was die Highschoolschülerin Blaire Lily im Internet sieht. So bekommen es sie und ihre fünf in einem Skypechat miteinander verbundene Freunde mit einer geheimnisvollen Reinkarnation ihrer ehemaligen Mitschülerin Laura Barns zu tun, die vor genau einem Jahr durch Mobbing in den Selbstmord getrieben wurde. Alle Beteiligten haben jedoch große Geheimnisse zu verbergen, die der Unbekannte geschickt gegen die Teenager einsetzt. Bald fließt Blut. Die Ausgangssituation ist mit Abstand das Interessanteste an Unknown User. Der enorm verengte Blick auf den Bildschirm steht in einem krassen Gegensatz zur schier unendlichen Welt des Internets, die wir ausführlich präsentiert bekommen. Als Kinogänger gibt es viele Chatverläufe und Hintergrundrecherchen zu lesen (die Übertragung des Geschriebenen ins Deutsche ist sehr ordentlich gelungen), das Tempo bleibt glücklicherweise hoch, Leerlauf kommt nicht auf. Die perfiden Spiele, die der unsichtbare Rächer mit seinen Opfer treibt, sind ein wesentlicher Bestandteil dessen; und obgleich die Regeln des Films äußerst einfach gehalten sind, ist der Ausgang dieser Spiele stets ungewiss. An einigen Stellen ist Unknown User dann allerdings auch recht vorhersehbar. Wenn uns zu Beginn des Films alle Beteiligten vorgestellt werden, wird schnell klar, wie jeder im Laufe des Films ins Gras beißen wird. Zu offensichtlich werden Gegenstände und Waffen scheinbar zufällig ins Geschehen integriert. Generell zählt die Figurenzeichnung nicht zu den Stärken des Films. Alle Charaktere werden als ziemlich unsympathisch dargestellt, dazu kann Gabriadse nicht auf Klischees verzichten. Natürlich haben die Freunde einen Computerspezialisten unter sich, der dazu noch ein übergewichtiger Kiffer ist. Folgerichtig kann sich auch keiner der Schauspieler nachhaltig in den Vordergrund spielen. Dazu ist Unknown User gerade dann am schwächsten, wenn er seinen eng gesteckten Rahmen verlässt und versucht ein Stück von großen Found-Footage-Kuchen abzubekommen, in dem er seine Protagonisten mit dem Laptop in der Hand mysteriöse Spaziergänge unternehmen lässt. Diese vorauszuahnenden Kniffe mindern die Spannung, Schockeffekte werden dann nur noch über unerträgliche Jump-Scares transportiert. Glücklicherweise geschieht dies nicht übermäßig oft. Und auch wenn uns der Film ein überraschend offenes Ende präsentiert, über dessen Nutzen jeder selbst entscheiden sollte, fällt es schwer, den im Ansatz guten Unknown User dauerhaft im Gedächtnis zu behalten.

5/10

Für Fans von: Open Window, Paranormal Activity

Donnerstag, 16. Juli 2015

Deutscher Rundumschlag






Heil

Es ist ein ungewöhnlicher und für deutsche Verhältnisse erstaunlich ambitionierter Film, den uns 3 Zimmer/Küche/Bad – Regisseur Dietrich Brüggemann nun in die Kinos bringt. In Zeiten des schier endlosen NSU-Prozesses ist es durchaus lobenswert eine Gesellschaftssatire über Nazis und ihr Bild in der medialen Öffentlichkeit zu produzieren. Sollte es einen zentralen Handlungsstrang in Heil geben, dann behandelt dieser wohl den Berliner Autoren Sebastian Klein. Als Sohn afrikanischer Einwanderer wird er auf Lesetour im fiktiven sächsisch-thüringisch-brandenburgischen Grenzkaff Prittwitz von der örtlichen Nazijugend niedergeschlagen und nach vollständigem Gedächtnisverlust für deren Propaganda eingespannt. Das bereits angedeutete Problem der fehlenden Konzentration auf ein zentrales Geschehen wirkt sich mit zunehmender Laufzeit verstärkt auf den gesamten Film aus. Bis sich zum herrlich abstrakten Finale,in dem sich an der deutsch-polnischen Grenze alle Parteien zum großen Showdown treffen, wirkt Heil oftmals wie eine recht zerstückelte Sketchshow. Zugegebenermaßen sind die einzelnen Szenen mitunter zum Schreien komisch.Unfähige Verfassungsschützer und ihre verzweifelten Versuche geeignete V-Leute anzuwerben, eine scheinbar gebildete Eltie-Nazis, die als selbsternannte Nipster (Nazi-Hipster) dem Zeitgeist folgen wollen und dabei krachend untergehen, Antifa-Leute unter akutem Verfolgungswahn, deren Aktionen ständig an Lustlosigkeit und internen Abstimmungen scheitern und vor allem der alltägliche Wahnsinn in Fernsehtalkshows und auf Social-Media-Plattformen – Brüggemann verwurstet alles und jeden zu einer großen Nummernrevue. Eine satirische Dimension erreicht er dabei leider nicht. Zu allgemein geht Heil gegen jeglichen politischen Extremismus vor. Ein bedrohliches Szenario, das den Zuschauer über den gesellschaftlichen Alltag zwischen Asylpolitik und NPD-Verbot reflektieren lassen würde, fehlt hier. Dazu bewegt sich Heil inszenatorisch nach vielversprechendem Beginn im Als wir träumten-Style (dessen Regisseur Andreas Dresen hat im fertigen Film übrigens eine kleine Rolle) auf betulichen Fernsehfilmniveau. Die Besetzung des Streifens hingegen kann sich durchaus sehen lassen. Neben den etablierten Stars Benno Fürmann und Liv Lisa Fries (Und morgen Mittag bin ich tot), sehen wir in Heil amüsante Gastauftritte unter anderem von Heinz-Rudolf Kunze und Thees Ullmann. Letztendlich ist Dietrich Brüggemann mit Heil ein wahrlich witziger Film gelungen, der aktuelle Themen komödiantisch aufarbeitet, jedoch einiges an Potenzial verschenkt.

6/10

Für Fans von: The Interview, Stromberg – Der Film



Sonntag, 12. Juli 2015

Das Lachen des Killerroboters







Terminator: Genisys

Nach gut zwei Dritteln des Films fragt ein von J.K. Simmons gespielter Polizist nach den Zusammenhängen der in Terminator: Genisys entwickelten Geschichte. Sarah Connors Antwort: 'Wir sind hier, um die Welt zu retten'. Dialoge dieser Art werden im mittlerweile fünften Teil des Terminator-Franchises zuhauf geboten, dazu bekommt der Zuschauer durch den inhaltsleeren Voice-Over von Jai Courtney ständig den Eindruck, Regisseur Alan Taylor (Thor: The Dark Kingdom) hat gar kein Interesse eine nachvollziehbare Story zu etablieren. Tatsächlich sagte er sogar in einem Interview, es sei nicht gewollt, dass die Zuschauer den komplizierten (nicht zu verwechseln mit komplex) Plot durchschauen. Während die ersten beiden Terminator-Filme das Zeitreiseparadoxum geschickt umschifften und bis heute zwei der besten Actionfilme aller Zeiten sind, scheitert Terminator: Genisys an sich selbst. Die ersten 45 Minuten des Streifens bieten noch beste Unterhaltung. Die Ereignisse aus dem ersten Terminator-Film werden neu aufgerollt, der Zuschauer kann in wohligen Erinnerungen an James Camerons Meisterwerk von 1984 schwelgen. Doch Terminator: Genisys begnügt sich nicht damit, die bisher eingeführten Zeitebenen 1997, 2029 und eben 1984 beizubehalten und einen unterhaltsamen Actionblockbuster zu schaffen, sondern beschäftigt sich zusätzlich mit Sarah Connors Kindheit von 1973, verlegt den Hauptplot, samt einer im Kern interessanten, aber eindimensional erzählten Das-Vertrauen-in-die- Technik-wird-unser-Ende-sein-Geschichte, ins Jahr 2017 und lässt eine zweite, parallel entstandene Timeline auf das verwirrte Kinopublikum los. Dazu sind Sarah Connor und Kyle Reese mit Game of Thrones-Star Emilia Clarke und Jai Courtney leider unzureichend besetzt. Besonders letzterer sorgt durch seine begrenzten schauspielerischen Fähigkeiten in den ernsteren Szenen für unfreiwillige Lacher. Einzig Arnold Schwarzenegger verkörpert den Ur-Terminator wie vor 30 Jahren und hat die Sympathien des Publikums durchweg auf seiner Seite. Mit ausgefeilten Actionsequenzen lässt sich eine lückenhafte Story bekanntermaßen zumindest noch in einen spaßigen und unterhaltsamen Film umwandeln. Doch auch dies gelingt Terminator: Genisys nur bedingt. Der Film sieht im Ganzen wirklich ordentlich auch, das CGI ist auf hohem Niveau (vor allem Arnies Kampf gegen sein jüngeres Ich kann sich wirklich sehen lassen), doch keine Schießerei, keine Verfolgungsjagd oder große Explosion wird nach dem Film im Gedächtnis bleiben. Der direkte Bezug zu Camerons Arbeiten ist zwar im Kern vorhanden, doch Fans der ersten Terminator-Filme werden enttäuscht aus dem Kino kommen. Terminator: Genisys ist schlussendlich ein zwar straff inszeniertes und optisch gelungenes, aber völlig überflüssiges Sequel. Glücklicherweise übersteht das Vermächtnis von Terminator und Terminator 2 auch eine zweite missratene Fortsetzung nach Terminator: Salvation ohne Schaden zu nehmen.

4/10

Für Fans von: Terminator-Franchise

Freitag, 10. Juli 2015

Und täglich grüßt Nicholas Sparks



Für immer Adaline

Da es glücklicherweise unmöglich ist, Liebe wissenschaftlich komplett zu ergründen, sind Kombinationen aus Lovestorys und Fantasyelementen häufig publikumswirksame Filme. In exakt diese Kerbe schlägt nun Für immer Adaline. Die titelgebende, 29jährige Dame lebt allein und zurückgezogen im San Francisco der Jetztzeit, obwohl sie bereits im Jahre 1905 das Licht der Welt erblickte. Da ihr biologischer Alterungsprozess gestoppt wurde, ist ihr Leben von vielen Verlusten und Entbehrungen geprägt. Adalines Einsiedlerdasein wird jedoch von der Liebe auf eine harte Probe gestellt. Um die Ernsthaftigkeit des Fantasyplots machen sich die Filmemacher in Für immer Adaline keine großen Gedanken. Mit dem besten Gag des Streifens wird dem Zuschauer klar gemacht, warum die Protagonistin nicht mehr altern kann. Wer sich diesem entwaffnendem Charme hingeben kann, wird vergnügliche 112 Minuten erleben. Denn obgleich der Film weder sonderlich spannend, noch überraschend ist, so überzeugt er durch seine sympathische, lebensbejahende Art und seine Kurzweiligkeit. Einzig Adalines männlicher Gegenpart, der Niederländer Michiel Huisman in seiner ersten englischsprachigen Hauptrolle, bleibt den gesamten Film hinweg blass. Dies ist auch der schwachen Figurenzeichnung geschuldet, denn nach dem ersten Filmdrittel, ist sein Ellis Jones nur noch nett anzusehen. Blake Lively hingegen, die hier die Adaline gibt, kann auf ganzer Linie überzeugen. Sie beherrscht die ruhigen und zurückgezogenen Facetten der modernen Adaline ebenso, wie die Darstellung der jungen, lebhaften Frau in allen Rückblenden. Von Letzteren hätten wir im Übrigen gern noch mehr gesehen. Ähnlich wie in Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand ist Adalines Figur als Leitfaden durch ein ereignisreiches Jahrhundert äußerst unterhaltsam anzusehen. Aus der Nebendarstellerriege kann besonders Altmeister Harrison Ford als Ellis' Vater herausragen. Seine Szenen mit Blake Lively sind emotionales Zentrum der Geschichte und sorgen für die nötige Portion Herzschmerz. Für einen größeren cineastischen Genuss hingegen, hätten dem Film ein paar inszenatorische Kniffe gut getan. So ist Für immer Adaline im Ganzen gemütlich anzusehen und definitiv empfehlenswert für Romantikfans, wirkt aber etwas konventionell.

6/10

Für Fans von: Der seltsame Fall des Benjamin Button, Das Haus am See

Freitag, 3. Juli 2015

Hahnenkämpfe



Men & Chicken

Wer auch nur einen der drei Spielfilme des dänischen Ausnahmeregisseurs Anders Thomas Jensen kennt, wird auch von seinem neusten Werk Men & Chicken kein typisches, oder gar vorhersehbares Hollywoodkino erwarten. Nach seinem Oscargewinn (1999 für den Kurzfilm Wahlnacht) schickte sich Jensen an, mit Flickering Lights und Dänische Delikatessen morbide und außergewöhnliche Filme aus Dänemark in die weite Welt zu schicken. Mit Adams Äpfel schuf er 2006 schließlich einen modernen Klassiker. Neun Jahre ließ Jensen seine Fans nun auf seine neuste Regiearbeit warten. Und obwohl er in dieser Zeit keinesfalls untätig war (die Drehbücher zum oscarnominierten Nach der Hochzeit und dem großartigen Western The Salvation gehen beispielsweise auf seine Kappe), so ist in Men & Chicken die Hingabe des Regisseurs in jeder Szene greifbar. Jensen nimmt uns einmal mehr in einen untypischen Mikrokosmos voller verschrobener Charaktere mit. Die beiden grundverschiedenen Brüder Gabriel und Elias erfahren durch den Nachlass ihres verstorbenen Vaters, das dieser nicht ihr Erzeuger war. Um diesen ausfindig zu machen, begeben sie sich auf die abgelegene Insel Ork, auf der ihre drei Halbbrüder Gregor, Josef und Franz mit einer Unzahl von lebenden wie ausgestopften Tieren und einigen dunklen Geheimnissen zusammenleben. Ähnlich wie bereits Adams Äpfel ist Men & Chicken stark von biblischen Themen durchzogen. Doch statt der Hiobsgeschichte und der Theodizeefrage präsentiert uns Jensen hier seine eigene, abstrakte Schöpfungsgeschichte. Die Frage nach den Grenzen des Menschseins wird in Men & Chicken (der Titel kann im Übrigen gar nicht wörtlich genug genommen werden) zwar mit humoristischem Unterbau, aber doch nachhaltig gestellt. Neben seiner ausgefallenen Story kann sich der Regisseur ganz auf das starke Ensemble verlassen. Wie in jedem von Jensens bisherigen Filmen übernimmt der dänische Superstar Mads Mikkelsen auch in Men & Chicken die Hauptrolle. Zusammen mit den vier weiteren Hauptcharakteren (die allesamt von bedeutenden dänischen Schauspielern verkörpert werden, von denen mit Illuminati und Kind 44-Darsteller Nikolaj Lie Kaas ein weiteres internationales Schwergewicht auftritt) balanciert Mikkelsens Elias auf dem schmalen Grad zwischen Gutherzigkeit und schierem Wahnsinn. Eine Balance, die der gesamte Film über die Laufzeit von 104 Minuten erstaunlicherweise nicht verliert. In dieses etwas verstörende Gesamtbild fügen sich auch die herrlich schaurigen Kulissen bestens ein. Die Außenaufnahmen für das abgewirtschaftete Domizil der Familie entstanden dabei im ehemaligen Sanatorium und Militärhospital des brandenburgischen Beelitz-Heilstätten. Im Gesamten wird Men & Chicken durch seine eigenwillige Herangehensweise und schwierige Identifikation mit den Figuren sicherlich einige Kinozuschauer abstoßen. Fans abseitiger und ungewöhnlicher Filme sollten jedoch definitiv einen Blick riskieren, da der Streifen seine Figuren trotz aller körperlichen und seelischen Unzulänglichkeiten nie der Lächerlichkeit preisgibt.

7/10

Für Fans von: Adams Äpfel, In China essen sie Hunde

BANANA


Minions

Seit dem Erscheinen des ersten Films des Ich – Einfach unverbesserlich-Franchises im Jahre 2010 waren die pillenförmigen, gelben Gehilfen des Superschurken Gru die absoluten Lieblinge der Fans. Bevor 2017 Ich – Einfach unverbesserlich 3 ins Kino kommt, geboten es die Hollywoodgesetze, das Leben der Minions in einem eigenen Spin-Off zu vermarkten. Und so gibt uns der schlicht Minions betitelte 3D-Animationsfilm nun 91 Minuten lang Auskunft über die Entstehungsgeschichte und frühere Abenteuer der knuddeligen Latzhosenträger. Besonders die erste halbe Stunde des Films ist dabei ein wahrer Hochgenuss. Wie die Minions hier in die Weltgeschichte eingebunden werden, ist schlicht genial und sorgt für ein stets hohes Tempo und eine enorme Gagdichte. Im folgenden hat der Film jedoch mit zunehmenden Problemen zu kämpfen. Da neben den drei zentralen Minions Kevin, Stuart und Bob kein menschlicher Protagonist eingeführt wird, fehlt dem Zuschauer eine Identifikationsfigur. Zusammen mit der unentschlossenen und vorhersehbaren Haupthandlung kommt im weiteren Verlauf des Streifens vermehrt Leerlauf auf. Hier wäre eine stärkere Fokussierung auf die hinreißende Bankräuberfamilie Nelson sinnvoll gewesen. Den Gelblingen selbst fehlt, auch bedingt durch ihre eigentümliche Art der Kommunikation, das Potential zu Hauptcharakteren. Besonders wenn Randfiguren ins Geschehen eingreifen, wird dieser Punkt auffällig. Komplettieren Sidekicks (wie die Minions selbst) sonst den Gesamteindruck eines (Animations)films, so verpuffen ihre Auftritte hier oftmals durch einen fehlenden roten Faden. Abseits davon hat Minions auch seine starken Seiten. Da die Haupthandlung des Films im Jahre 1968 angesiedelt ist, können sich die etwas erfahreneren Zuschauer an zahlreichen Anspielungen und Gags erfreuen, die auf Zeitgeist und Popkultur der sechziger Jahre fußen. Dazu gibt es einen hervorragenden Sixties-Soundtrack (inklusive des unvermeidbaren Mellow Yellow von Donovan). Die Animationstechnik ist auf der Höhe der Zeit, viele Details sind präzise ausgearbeitet, selbst der an dieser Stelle so oft kritisierte Einsatz der 3D-Technik lohnt in diesem Fall und bietet in den Actionszenen reichlich Augenfutter. Minions ist somit vor allem ein Spaß für die Kleinen, die sich an reichlich Tempo und Slapstick erfreuen dürfen. Storytechnisch bedingt, fehlt dem Film jedoch einiges an Tiefe, wie es die älteren Kinobesucher aus vergleichbaren Disney- oder Pixarstreifen gewohnt sind.

6/10

Für Fans von: Ich – Einfach unverbesserlich 1 + 2, Die Pinguine aus Madagascar