Samstag, 31. Dezember 2016

Jahresrückblick 2016

Ein äußerst durchschnittliches Kinojahr geht zu Ende. Die Qualität, der im Folgenden aufgeführten Top-Filme des Jahres ist unheingeschränkt hoch, dennoch rührt die große Dichte an der Spitze eher vom Fehlen des ganz großen Wurfes her. Viele Positionen wären daher vertauschbar, doch alle diese Streifen sind äußerst empfehlenswert. Wie immer hielt ich mich bei der Auswahl der Filme streng an die Kinostarts in Deutschland, obwohl die eigentliche Saison hier ja erst Ende Februar oder Anfang März endet, wenn die großen Oscarblockbuster in den Kinos gelaufen sind. Somit findet ihr hier wie gewohnt viele Streifen aus dem ersten Quartal 2016. 

Dies sind die besten (und einige der schlechtesten) Filme des vergangenen Jahres:


10 – The Jungle Book
Bildgewaltige, düstere und stimmungsvolle Liveaction-Neuauflage des Disneyklassikers. Zumindest in der Originalfassung perfekt synchronisiert. Optisch bahnbrechend und musikalisch spannend umgesetzt.


9 – The Revenant
Perfekte Bilder, perfektes Schauspiel, perfekter Film. Jedoch schreit hier alles vordergründig nach Aufmerksamkeit und Preisen. Daher nur Platz 9. Aber für Leo gab es den Oscar. Endlich.


8 – Vor der Morgenröte
Blieb mir stärker im Gedächtnis als erwartet. 4 Szenen aus dem Leben Stefan Zweigs. Ein frischer Blick auf das so gern für tot erklärte Bio-Pic-Genre. Erstklassig von Josef Hader und Aenne Schwarz gespielt und mit großartiger Kameraarbeit veredelt.


7 – Rogue One: A Star Wars Story
Für mich sind Star Wars-Filme cineastische Highlights, nicht mehr. Ich verbinde mit ihnen keine Sehnsüchte nach verlorenen Kindheitstagen. Daher sehe ich Rogue One einfach als einen hervorragenden und erstaunlich kompromisslosen Sci-Fi-Kriegsfilm mit dem gewissen Etwas.


4 Filme, die ich in diesem Jahr besser nicht gesehen hätte


Louder than bombs
Hochkarätig besetzter Schuss in den Ofen. Dröger und unendlich langweiliger Arthousefilm, in dem weder etwas passiert, noch irgendeine Figur eine Entwicklung durchlebt. Kunst, um der Kunst willen vom norwegischen Newcomer Joachim Trier

Point Break
Das wahrscheinlich schwachsinnigste Drehbuch des Jahres. Zwei Stunden völliger Fremdscham mit unterentwickelten Figuren und lächerlichen Szenen. Nur die Stuntcrew wusste zu überzeugen. Ein Mahnmal wider dem Remakewahn.

Triple 9
Eine schier endlose Brigade von A-Listern in einem heillos überfrachteten Cop-Thriller ohne Struktur oder Glaubwürdigkeit. Hier wollten alle nur ihren Gehaltsscheck. Ermüdender und uninspirierter Quatsch.

Girl on the train
Gone Girl für ganz ganz Arme. Per se als Trashfest genießbar, wäre da nicht die unerklärliche Ernsthaftigkeit, mit der sich Girl on the Train verkaufen will. Noch nie habe ich einen Kinosaal vor unfreiwilliger Komik so herzhaft lachen hören. Große schauspielerische Talente werden hier reinem Schrott geopfert. Ein scheußlicher Film.


6 – Everybody wants some!!
Das Feel-Good-Movie des Jahres. Frische Gesichter und alte Gassenhauer in Richard Linklaters Quasi-Fortsetzung von Dazed and Confused. Ein Wochenende Party, Freiheit und große Wahrheiten. Witzig, Warmherzig und unverkrampft nostalgisch. Die vielleicht beste Teeniekomödie seit den 80ern.


5 – Spotlight
Oscar für den besten Film. Das großartigste Casting des Jahres. Dazu eine unaufgeregte, zeitlose Inszenierung, die stets begeistert, aber nie das bedrückende Drehbuch überlagert. Ein immens wirkungsvoller Journalistenthriller alter Schule.


4 – Arrival
Dennis Villeneuve hat nach Prisoners und Sicario in den vergangenen Jahren auch 2016 einen Platz in dieser Liste sicher. Arrival sucht nach dem, was uns menschlich macht, ist dabei clever, realistisch und wirklich charmant. Intelligente Science-Fiction über die Kraft der Kommunikation mit beeindruckenden Klängen von Jóhann Jóhannsson.


5 Filme, die die Top Ten knapp verpassten


Midnight Special
Berührendes Sci-Fi-Drama mit einer großen Portion Spielberg. Mit Michael Shannon, Adam Driver und Kirsten Dunst bestens besetzt. Inhaltlich überraschend, visuell eindrucksvoll. Für den großen Sprung aber etwas minimalistisch.

Mustang
Türkisch-Französische Koproduktion um 5 Töchter, die in den Weiten Anatoliens ihrer rückständigen Familie entkommen wollen. Selten wurde Freiheitswillen so quirlig und lebendig auf die Leinwand gebracht. Konkurrierte um den Auslandsoscar.

El Clan
Die erstaunliche Geschichte einer hochangesehenen, argentinischen Familie, die ihre Kontakte in Politik und Wirtschaft nutzt, um ungestört dem Gangsterdasein zu frönen. Unterhaltsam, inszenatorisch überraschend, insgesamt nur etwas überfrachtet.

Der Schamane und die Schlange
Ein beeindruckender, fiebriger Ritt in schwarz und weiß. Wir folgen Menschen, die auf zwei Zeitebenen einer Heilpflanze der amazonischen Ureinwohner auf der Spur sind. Ein Film, der trotz seiner psychedelischen Inszenierung viel zum Thema Kolonisierung zu sagen hat. Ein würdiger, erster jemals für einen Oscar nominierter, kolumbianischer Streifen.

Sing Street
Pure Lebensfreude, die Popmusik der 80er, jugendlicher Tatendrang und eine zeitlose Liebesgeschichte ohne Kitsch machten aus Sing Street einen kleinen aber eindrucksvollen Überraschungsfilm. Nach Once und Can a song save your life? der dritte großartige Musikfilm von John Carney.


3 – Raum
Kein Film war 2016 bedrückender und machte zugleich hoffnungsvoll und fassungslos. Geniale Performances von Brie Larson (oscarprämiert) und Newcomer Jacob Tremblay. Ein zutiefst menschlicher Film über die Torturen einer jungen Mutter und ihres Sohnes.


2 – The Nice Guys
Der einzige Film, den ich in diesem Jahr zweimal im Kino gesehen habe – aus gutem Grund. The Nice Guys ist durchgedrehtes unerwartbares und zum Schreien komisches Kino. Die Geschichte zweier Privatdetektive ist dank Ryan Gosling und Russell Crowe ein wahres Fest voller skurriler Szenen, einprägsamer Charaktere und einem herrlichen Gefühl für das Leben in den 70er Jahren.


1 – The Big Short
Das perfekte Ensemblestück. Steve Carrell, Brad Pitt, Christian Bale und, erneut, Ryan Gosling führen in dieser hochoktanigen Wall Street-Komödie durch die völlig widerwärtigen Geschäftspraktiken, die zur weltweiten Finanzkrise 2007/2008 führten. Mit einer Überdosis Fantasie und einem perfekt adaptierten Drehbuch macht uns Regisseur Adam McKay trotz viel Fachchinesisch menschliche Schicksale hinter den Maschinerien des Investmentbankings auf amüsanteste Weise begreiflich. The Big Short ist nicht nur Margot Robbie im Schaumbad, es ist ein Film, der auch nach dem wiederholten Male noch uneingeschränkt begeistert. Mein Lieblingsfilm 2016 und dazu einer der am besten geschnittenen Streifen aller Zeiten.

Donnerstag, 15. Dezember 2016

Eine erneute Hoffnung



Rogue One – A Star Wars Story

Ein kleiner Ausflug in die Geschehnisse des Star Wars-Universums außerhalb der Hauptsaga sollte es werden. Ein Abenteuer, das die mutigen Taten von vermeintlichen Randfiguren behandelt. Nicht mehr als ein inhaltliches Verbindungsstück zwischen Die Rache der Sith und Eine neue Hoffnung. Doch was Godzilla-Regissuer Gareth Edwards mit Rogue One vorlegt, ist nicht weniger als bombastisches, kompromissloses Sci-Fi-Actionkino allererster Güte. Rogue One kann sich als ersten wahren Kriegsfilm unter dem Star Wars-Logo feiern. Hier ist der Name Krieg der Sterne Programm. Die Story rund um eine kleine Rebellen- Allianz, die die Pläne des Todessterns klauen will, beinhaltet viele klassische Elemente eines solchen Kriegsfilms. Desertierte Soldaten, Einsätze hinter feindlichen Linien, abtrünnige Kämpfer, Spionage und Gegenspionage. Passend dazu auch der dreckige und düstere Look des Films. Hier wird schnell geschnitten und geschossen, die Verluste sind hoch. Lange Dialoge mit philosophischem Einschlag sucht man vergebens, es regieren keine weisen Jedi, sondern ein bestialisches, imperiales Terrorregime. Die klassische Epik eines Star Wars- Films wird natürlich dennoch zelebriert. Optisch braucht sich Rogue One nicht hinter Das Erwachen der Macht zu verstecken. Die Kameraarbeit von Zero Dark Thirty-DoP Greig Fraser ist tadellos, die Special Effects aus George Lucas' Kultschmiede Industrial Lights & Magic mal wieder beeindruckend. Lediglich der Einsatz des 3D-Effektes gelang in Star Wars VII noch besser. Viele Szenen schienen dort allerdings speziell darauf ausgelegt zu sein. Der Gegensatz aus brutaler Kriegsaction und magischem Star Wars-Feeling hat mich dann auch besonders in seinen Bann gezogen. Ein bedeutender Aspekt davon ist natürlich auch die musikalische Begleitung des Streifens. Für Rogue One übergab nun Altmeister John Williams den Staffelstab der Komposition an Michael Giacchino, was erwartungsgemäß keine qualitative Verschlechterung darstellt. Der oscargekrönte Science- Fiction-Veteran (Star Trek, A world beyond, Planet der Affen: Revolution) stellt sich ganz in den Dienst der Sache und liefert einen eingängigen und effektvollen Soundtrack ab. Weiterhin schafft es Rogue One die Vielfalt der Figuren in der Star Wars-Welt zu erweitern. Der Druide K-2SO oder der blinde Kämpfer Chirrut Imwe haben definitiv Kultpotential. Dazu können sich die Verantwortlichen mit einem tollen Näschen für das Casting der Charaktere rühmen. Felicity Jones ist als Anführerin Jyn Erso eine absolute Idealbesetzung. Ihre kämpferische Ausstrahlung konterkariert perfekt ihr zierliches Äußeres und erdet sie somit in der Rolle als zupackende Heldin. An ihrer Stelle dürfen außerdem der Mexikaner Diego Luna (Milk, Elysium) und der britische Aufsteiger des Jahres Riz Ahmed (Jason Bourne, The Night of) überzeugen. Auf Seiten des Imperiums wurde mit Ben Mendelsohn eine Ikone des Antagonisten-Verkörperung als Direktor Orson Krennic besetzt, der im Laufe des Films sogar Darth Vader Paroli bieten darf. Forest Whitaker und Mady Mikkelsen runden mit ihren kleinen aber bedeutenden Rollen ein hervorragendes Gesamtbild der Akteure vor der Kamera ab. Zusätzlich zu all dem bisherigen Lob boten mir die letzten drei Minuten von Rogue One ein vollkommen unerwartetes und schlicht magisches Kinogefühl. In etwas ausgedehnten 134 Minuten kam letzten Endes einfach sehr viel Gutes zusammen. Eine kluge, geerdete Story, ein toller Cast, viel Unabhängigkeit und dennoch die Kraft, Star Wars-Fans mit kindlicher Freude und Fantasie zu begeistern. 

9/10

Für Fans von: Star Wars

Dienstag, 29. November 2016

Fachgespräche und Fachzerstörung




Deepwater Horizon

Die Ölplattform Deepwater Horizon ist Synonym für die massive ökologische Katastrophe, die sie auslöste. Am 20. April 2010 kam es dort zu einem Blowout. Das ausströmende Öl verursachte einen Brand auf der Plattform, diese sank zwei Tage später. Die folgende Ölpest im Golf von Mexiko ist bis heute die schlimmste ihrer Art. Nicht weniger tragisch war dabei der Verlust von 11 Bohrarbeitern. Der für jegliche Art von Actionfilmen bekannte Regisseur Peter Berg nahm sich nun auf Grundlage der in der New York Times erschienenen Artikelreihe Deepwater Horizon's Final Hours dieser Ereignisse an, um sie in einen klassischen Katastrophenfilm umzuwandeln. Und mit dieser klassischen Herangehensweise macht Berg alles richtig. Deepwater Horizon funktioniert wie Genrekino der 70er Jahre. Das Privatleben der Hauptfiguren wird zu Beginn kurz ergründet – die emotionale Bindung im Verlauf der Katastrophe ist gegeben. Heldenhafte und schurkige Charaktere sind sofort zu erkennen. Nahezu jedes Gesicht auf der Leinwand ist dabei ein bekanntes. Dementsprechend liest sich der Cast äußerst ansehnlich. Mark Wahlberg, Kurt Russell, Kate Hudson, John Malkovich, Dylan O'Brien und Gina Rodriguez sind mit von der Partie. Natürlich sind explosive Actionsequenzen und heldenhafte Rettungsszenen das Entscheidende bei solch einem Film, doch die durchweg überzeugenden Akteure (allen voran der für Blockbusterverhältnisse toll aufspielende Mark Wahlberg), erden die Story und sorgen für erstaunlich packende und nahegehende Momente. Nichtsdestotrotz sind es am Ende die Schauwerte, die überzeugen müssen. Im Falle von Deepwater Horizon geht diese Rechnung auch auf. Die eigentliche Katastrophe ist schlicht spektakulär und beeindruckend gefilmt. Das dreckige und brutale Geschehen überträgt sich mühelos auf den Zuschauer, der trotz bekanntem Ausgang von den Entwicklungen auf der Bohrinsel mitgerissen wird. Peter Berg fährt seinen wackeligen Kamerastil im Gegensatz zu Lone Survivor deutlich zurück und mischt immer wieder beeindruckende Helikopteraufnahmen unter die allgegenwärtige Hektik. Den größten Gefallen tut sich Deepwater Horizon dann jedoch zum Ende des Streifens. Mit nur 107 Minuten Laufzeit schafft es der Film ein atemloses und dramaturgisch perfekt ausbalanciertes Stück Actionkino zu sein. Die einzelnen Menschen stehen hier im Vordergrund, Schuldfrage und Auswirkungen auf Wirtschaft und Umwelt interessieren hier nur am Rande, werden aber deutlich benannt bzw. geklärt. Deepwater Horizon ist natürlich kein künstlerisch wertvoller Film. Auch werden hier nicht alle cineastischen Klischees vermieden (hier sei an Kate Hudsons Rolle erinnert). Doch solch kurzweilige und handwerklich hochwertige Unterhaltung gibt es viel zu selten. 

8/10

Für Fans von: Der Sturm, Everest, Flammendes Inferno

Montag, 28. November 2016

Viele viele bunte Tiere




Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind

Wohl niemand hat ernsthaft daran geglaubt, dass nach 7 Büchern und 8 Filmen die Geschichten aus dem Harry Potter-Universum auserzählt wären. Zu groß ist die Verlockung von Studios, Verlegern und Investoren, zu groß jedoch auch die Fantasie der Erschafferin dieser Welt, J.K. Rowling. Nach dem gigantischen Erfolg ihres Theaterstücks Harry Potter and the cursed child, dass derzeit in London gespielt wird, schuf die Schriftstellerin ihr erstes reines Drehbuch. Doch Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind, wird kein einmaliges Werk bleiben. 5 Filme sind geplant, allesamt basierend auf einem gut 50 Seiten dünnen Sachbuch gleichen Namens, dass Rowling als Begleitheft zur Geschichte des berühmtesten Zauberlehrlings der Popkultur veröffentlichte. Da kann selbst Peter Jackson neidisch werden. Für alle diese Filme holte sich Rowling mit David Yates auch gleich den Regisseur der Harry Potter-Streifen 5-8 an Bord. Und ehe sich der Zuschauer versieht, beginnt Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind mit dem altbekannten Design und der berühmten Musik der Harry Potter-Saga. Doch der Übergang wird vollzogen, inhaltlich, musikalisch und auch optisch. Harry Potter oder andere (Haupt-)Charaktere, die dem Zuschauer bereits bekannt sind, treten im Verlauf der 133 Minuten Laufzeit nicht ins Zentrum des Geschehens. Naturgemäß werden viele Querverweise gemacht, Namen fallengelassen und Anspielungen gemacht, doch die breite Palette der handelnden Figuren ist zu Beginn unbekannt. Womit Stärken und Schwächen des Films auch schon benannt werden. New Scamander ist als Protagonist eine tolle Figur. Der Wächter über und Sammler der titelgebenden Wesen wirkt in seiner Darstellung von Oscarpreisträger Eddie Redmayne neugierig, bisweilen verspielt, aber immer geheimnisvoll und tiefgründig. Mit Dan Foglers (Milo und Mars, Taking Woodstock) Jacob Kowalski wird dem Zuschauer zusätzlich ein Charakter an die Hand gegeben, dessen einzige Aufgabe das Erfragen und somit Entdecken der magischen Welt ist. Diese unterscheidet sich, hauptsächlich durch die zeitliche und örtliche Verlagerung ins New York des Jahres 1926, in Vielem von der aus Hogwarts bekannten. Dazu ist das Casting der weiblichen Hauptrolle mit Katherine Waterston hervorragend gelungen. Doch mit jeder zusätzlich eingeführten Figur nimmt das Chaos auf der Leinwand seinen Lauf. Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind bekommt seine zahlreichen Handlungsstränge nie wirklich unter einen Hut. Natürlich soll hier eine ganze Filmwelt etabliert werden, doch die eigentliche Geschichte bleibt ständig unter einem ausufernden Überbau verborgen. In der ersten Stunde sind dies die vielfältigen tierischen Begleiter Scamanders, in der zweiten die vielen Charaktere und ihre Verwicklungen. Wenn im, zusätzlich aus zig Superheldenfilmen kopierten, Finale schließlich alles versucht wird zusammenzubringen, ist es dafür bereits zu spät. Ebenso zwiegespalten, wie der erzählerische Aspekt des Films, ist auch dessen optischer. Das 3D ist für eine Welt voller kriechender, schwimmender und fliegender magischer Kreaturen ein gewaltiges Plus. Zugleich ließ mich das erstaunlich schwache CGI reichlich verwundert zurück. Von einer 180 Millionen Dollar-Produktion hätte ich doch deutlich mehr technische Qualität erwartet. Im Vergleich zum hervorragend animierten Hippogreif Seidenschnabel aus Harry Potter und der Gefangenen von Askaban von 2004 scheinen hier keine 12 Jahre technische Entwicklung zwischen den Filmen zu liegen. Eine andere Fortentwicklung der Harry Potter- Filme hat hingegen ganz großartig funktioniert. James Newton Howard beerbte für Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind Altmeister John Williams als Komponist des Scores. Und dieser gelang in jeder Szene passend, wundervoll schwelgerisch und stets unterschwellig spannend und bedrohlich. Zusammenfassend fühlt man sich nach Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind wortwörtlich wie nach einem Zoobesuch. Es ist viel Geschehen, es gab viel zu Entdecken, doch man ist unter all den Eindrücken und den mannigfaltigen Wesen etwas erschlagen. Zu einem zweiten Besuch ist man allerdings gerne bereit. 

6/10

Für Fans von: Harry Potter 1-8, Der Hobbit, Die Chroniken von Narnia

Montag, 21. November 2016

Mister Doctor?




Doctor Strange

Der als Stephen Strange menschlich geborene Superheld aus dem Marvel-Universum ist einer dessen mächtigster und langlebigster Vertreter. Seit dem großen Comicaufschwung Anfang der 1960er Jahre ist Doctor Strange fester Bestandteil vieler Geschichten rund um die Avengers, die X-Men und co. Filmisch dauerte es nun eine ganze Weile, ehe sich die Verantwortlichen des Marvel Cinematic Universe (MCU) dazu bereit sahen, den einflussreichen Zauberer in ein Leinwandabenteuer zu schicken. Die angesprochene Vielfältigkeit der Comicvorlagen geht Doctor Strange dabei natürlich abhanden (schon alleine, da sich das MCU fast nur auf die Mitglieder der Avengers konzentriert), doch Regisseur Scott Derrickson (Der Exorzismus von Emily Rose, Der Tage, an dem die Erde stillstand) liefert hier dennoch einen überraschend vergnüglichen und optisch beeindruckenden Origin-Film ab. Als Einzelabenteuer steht und fällt Doctor Strange natürlich mit seiner Hauptfigur. Dem großen Namen des Studios im Hintergrund ist es dann sicherlich zu verdanken, dass mit Benedict Cumberbatch ein Akteur für diese Rolle gecastet werden konnte, der zur Zeit auf dem Höhepunkt der international möglichen Popularität steht. Der britische Sherlock-Mime verdankt diese aber glücklicherweise seinem großen Talent und so begeistert Cumberbatch als arroganter Chirurg, der selbst den Tod nicht als Grenze seines Könnens begreift genauso, wie im weiteren Verlauf des Films als ungläubiger Zweifler und schließlich als cooler Actionheld. Dazu können auch alle Nebendarsteller als Gewinn für das MCU gelten. Allen voran begeistert Leinwandikone Tilda Swinton als Stranges Mentorin in jeder ihrer Szenen. Dazu zeigen auch Mads Mikkelsen, Chiwetel Ejiofor und Rachel McAdams, warum sie sonst im dramatischen Fach beheimatet sind. Mit Benjamin Bratt und Michael Stuhlbarg sind auch kleinere Rollen noch prominent besetzt. Trotz des gelungenen Castings, ist Doctor Strange vor allem ein optischer Genuss. Regisseur Derrickson lässt seiner Fantasie genüsslich freien Lauf. Das Ergebnis ist eine knallbunte, aber stets in sich stimmige Aufmachung, irgendwo zwischen Matrix, 2001: Odyssee im Weltraum und Inception. Spätestens im herrlich innovativen Finale, in dem die Zeit rückwärts läuft, dürften auch größte Gegner des Popcornkinos nicht schlecht staunen. Dass Doctor Strange letztendlich doch nur ein durchschnittlich guter MCU-Film wurde, liegt dann eher an Drehbuch und Figurenzeichnung. Erneut wurde es nicht geschafft, einen spannenden Antagonisten in den Film zu integrieren. Das Motiv des ehemaligen Schülers, des ehemaligen Bruders im Geiste, der die geheimnisvollen erlernten Mächte für das Böse nutzen möchte, lockt im Jahre 2016 niemanden mehr hinterm Ofen hervor. Mads Mikkelsen ist dabei keine Schuld zu geben, doch die Suche nach ewigem Leben und der Überwindung von Zeit und Naturgesetzen hat man schlicht zu oft gesehen. Auch das Passing des Films lässt an manchen Stellen zu wünschen übrig. Doctor Strange lässt sich viel Zeit mit der Erkundung seiner Figuren und dem spirituellen Unterbau, springt dann aber doch recht hektisch in den dritten Akt und das große Finale. Hier hätte man die 115 Minuten Laufzeit sinnvoller aufteilen können. Was hingegen nicht auf der Strecke bleibt und womit nach den ersten Trailern nicht wirklich zu rechnen war, ist jede Menge trockener Humor. Doctor Strange ist natürlich nicht vordergründig als Actionkomödie angelegt, wie etwa Guardians of the Galaxy oder Ant-Man, kann aber mit vielen erstaunlich treffsicheren Pointen aufwarten. Alles in allem stößt Doctor Strange nirgendwo an und ist sehr gut konsumierbar. Die Auswirkungen auf die Figurenkonstellation im MCU bleiben hingegen abzuwarten. 

7/10

Für Fans von: Iron Man, Inception

Samstag, 19. November 2016

N'Gochi




Bridget Jones' Baby

6 Jahre lang entfernte sich Renée Zellweger aus Hollywood. Die Traumfabrik und ihre Mechanismen hatten die Texanerin zum Ausstieg aus dem Schauspielgeschäft bewogen, ihre großen Erfolge (vor allem die oscarprämierte Performance in Unterwegs nach Cold Mountain) lagen lange zurück. Doch ausgerechnet mit ihrer berühmtesten Rolle kehrt sie nun aus ihrem selbstgewählten, beruflichen Exil zurück. Über ein Jahrzehnt ist seit Bridget Jones 2 vergangen, doch angeführt von einer überzeugenden Hauptdarstellerin ist Bridget Jones' Baby nun ein überraschend witziger und angenehm anachronistischer Film geworden. Die Ehe mit Mark Darcy (gewohnt schräg: Colin Firth) ist vorbei, das Singledasein im vollem Gange, die Karriere brummt – Bridget Jones könnte zufrieden mit Privat- und Berufsleben sein. Doch der Wunsch nach eigenem Nachwuchs, unnachgiebige Kolleginnen und jede Menge Alkohol werfen sie in die Arme zweier verschiedener Männer. Der amerikanische Internet-Millionär Jack Quandt und eben ihr in erneuter Scheidung befindlicher Exmann kommen nun als mögliche Verursacher einer plötzlichen Schwangerschaft in Frage. Womit Fans der Reihe zu Beginn direkt konfrontiert werden, ist die Abwesenheit von Hugh Grants Figur Daniel Claever. Der charmante Brite lehnte es ab, zum dritten Male in die Rolle des arroganten Weiberhelden zu schlüpfen. An seiner statt komplettiert nun Greys Anatomy-Star Patrick Dempsey das Chaos in Bridget Jones' Leben. Und es stellt sich als Glück heraus, dass dieser seine Rolle wesentlich zurückgehaltener interpretiert und nicht zum bloßen Ersatz für Grant wird. Hier ist es zusätzlich von Vorteil, dass Regisseurin Sharon Maguire (drehte auch schon den ersten Teil der Reihe) ihre Protagonistin als Mädchen der 80er und 90er Jahre inszeniert und so einen bewussten Kontrastpunkt zum digital geprägten Leben ihres neuen Verehrers setzt. Doch auch abseits des bekannten Liebesdreiecks weiß der Cast zu überzeugen. Allen voran stiehlt Leinwandikone Emma Thompson als sarkastische Gynäkologin mit sichtlich Spaß an der Sache jede Szene, in der sie zu sehen ist. Daneben sehen wir Jim Broadbent in einer Nebenrolle und Folk-Superstar Ed Sheeran in einem Cameo-Auftritt. Positiv überrascht war ich vom sehr erwachsenen und gut pointierten Humor der ersten halben Stunde. Fettnäpfchen und Fremdscham werden hier natürlich wieder genussvoll zelebriert, doch rutscht der Humor niemals auf plattes US-Highschoolkomödien-Niveau ab, sondern bleibt stets angenehm britisch. Doch sobald Ungewissheit, Unsicherheit und ernsthafte Gefühle das Geschehen zu bestimmen beginnen, sackt Bridget Jones' Baby leider in sich zusammen. Die enorm dünne, vorhersehbare Story und die mittelmäßige Inszenierung stechen hervor, einfach, weil die Gags im Verlauf der üppigen 123 Minuten Laufzeit rarer und zahmer werden. So entwickelt sich der Streifen zusehends zum Drögen und Pathetischen. Dazu ist man dem omnipräsenten Einsatz großer Popsongs irgendwann überdrüssig. Bridget Jones' Baby bleibt aber dennoch die wesentlich bessere der beiden Fortsetzungen des Überraschungserfolgs von 2001. Der tolle erste Akt und ein gut aufgelegter Cast lassen Filmfreunde hier mit einem Lächeln aus dem Kinosaal gehen. 

6/10

Für Fans von: Bridget Jones 1 und 2, Notting Hill, E-Mail für dich

Montag, 7. November 2016

Frechlachs auf Abwegen




Findet Dorie

Nach den mäßig erfolgreichen Cars 2 und Die Monster-Uni schien Pixar zunehmend von der Idee abzurücken, Fortsetzung eigener Produktionen in die Kinos zu bringen. Und infolge dessen darf 2015 als ein absolutes Highlight der Animationsschmiede gelten. Mit inhaltlich (Alles steht Kopf) und visuell (Arlo & Spot) wahrlich Außergewöhnlichem in den Köpfen der Fans versuchte sich Pixar 2016 allerdings wieder an einem Sequel. Findet Nemo war im Jahre 2003 der ultimative Durchbruch für den generationenübergreifenden, computeranimierten Spielfilm gewesen und ist für viele bis heute der beste Streifen der Disney-Tochter. Was sollte also schiefgehen. Nun, die Besucherzahlen werden die Verantwortlichen rund um Regisseur Andrew Stanton (WALL-E, John Carter) und Pixar- Chef John Lasseter fröhlich stimmen, die Kritiken fallen auch überwiegend enthusiastisch auch. Nichtsdestotrotz konnte mich Findet Dorie nicht abholen. Zum einen bietet der vom Sidekick zur Hauptrolle beförderte Palettendoktorfisch mit seiner Vergesslichkeit nur einen sehr eindimensionalen Charakter. Schon in Findet Nemo war Dory mehr nerviges Anhängsel, als treibende Kraft und half der Handlung nur mittels Glück oder Zufall. In Findet Dory ist dies nun in sehr aufgeplustert wirkenden 97 Minuten größtenteils der Fall. Zum anderen wird die Erzählstruktur des Vorgängers nicht nur übernommen, sondern gleich mehrfach wiederholt. Das Muster Verschwinden – Abenteuer – Rettung – Wiederkehr - erneutes Verschwinden wird schlicht zu inflationär angewendet. Eine gewisse Ermüdung setzt beim Zuschauer ein. Doch natürlich kann sich Findet Dory auch auf viele pixartypische Stärken verlassen. Ähnlich wie bei Findet Nemo sind auch im vorliegenden Film die Nebencharaktere bei weitem interessanter und unterhaltsamer als die Protagonisten. Hier sei besonders der Oktopus Hank hervorgehoben. Der mit nur sieben Armen (also eigentlich Septopus) ausgestattete Krake ist absoluter Publikumsliebling und würde von mir sofort grünes Licht für einen eigenen Film Findet Hank bekommen. Dazu ist die Animation auf höchstem Niveau, Mimik und Bewegung der Meeresbewohner haben sich besonders im direkten Vergleich mit Findet Nemo meilenweit verbessert. Die Botschaft des Films zum Thema Heimat und Zugehörigkeit ist inhaltlich und visuell ordentlich verpackt. Filmfreunde können sich außerdem über zahlreiche Anspielungen, etwa zu Alien (Sigourney Weaver hat im Original sogar eine Sprechrolle) oder Anchorman 2, freuen. Alles in allem hat mich Findet Dory in keinster Weise davon abgebracht, begeistert jede neue Ankündigung Pixars zu verfolgen und deren Filme zu mögen. Und dennoch hätte ich mich gefreut, wenn nicht drei der vier nächsten Produktionen Fortsetzungen wären. 

6/10

Für Fans von: Findet Nemo, Das große Krabbeln



Freitag, 28. Oktober 2016

Solomon Grundy, geboren am Montag




The Accountant

An dieser Stelle möchte ich mich als Ben Affleck-Fan outen. Seine großen filmischen Entgleisungen wie Gigli, Pearl Harbor oder Daredevil liegen lange zurück, seine Regiearbeiten (Gone Baby Gone, The Town und Argo) wurden stetig besser, seine Rollenauswahl in Filmen wie To the Wonder oder Gone Girl immer ausgewogener. Selbst in Batman v Superman war er der Lichtblick am düsteren DC-Horizont. Und so verwundert es nicht, dass ein Schauspielensemble, angeführt von Ben Affleck ein durchwachsenes Drehbuch mithilfe eines begabten Regisseurs in einen guten und unterhaltsamen Actionthriller retten kann. Der Kalifornier überzeugt als titelgebender Buchhalter Christian Wulff mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Beeindruckende mathematische Kenntnisse verdankt er einer Inselbegabung seiner Autismuserkrankung, Kampf- und Schießkunst der militärischen Ausbildung seines Soldatenvaters. Als sozial überforderte aber hochgezüchtete Denk- und Kampfmaschine wandelt Affleck nun stoisch, verschmitzt und unberechenbar durch 128 Minuten Handlung. In diese mischen sich bald Steuerfahnder, Mafia-Clans, korrupte Firmenbosse und Privatarmeen. Die erste Hälfte des Films ist dabei die weitaus interessantere, da die vielen Schauplätze und Gesichter positioniert werden wollen und sich die betuliche Erzählweise fördernd für die unterschwellig brodelnde Spannung auswirkt. Mit zunehmender Spieldauer kann das Script die losen Enden des Streifens aber immer schlechter zusammenhalten. Da werden Figuren aus den Augen verloren und Storylines dilettantisch oder erst gar nicht zu Ende gebracht. Im Gegensatz zu den einzelnen Charakteren und den mysteriös und mit viel schwarzem Humor inszenierten Einzelszenen kann Warriors-Regisseur Gavin O'Connor die Geschichte in The Accountant nicht vollständig überzeugend an den Mann bringen. Verlassen kann sich der New Yorker Filmemacher allerdings auf einen namhaften und Spielfreudigen Cast. Der bereits angesprochene Ben Affleck agiert geheimnisvoll und nuancenreich. Die Motivation seiner Figur zu ergründen, hält den Zuschauer bei Laune. An seiner Seite darf Anna Kendrick (Pitch Perfect, Up in the Air) als klassische Damsel in Distress ihre herzliche Schrulligkeit präsentieren und Jon Bernthal (Sicario, Herz aus Stahl) als redegewandter Elitekämpfer für wohlige Bedrohung sorgen. In den Nebenrollen versammelt The Accountant geballte Leinwanderfahrung. John Lithgow (Interstellar, Dexter), Jean Smart (24, Fargo), Jeffrey Tambor (Hangover, Arrested Development) und Oscarpreisträger J.K. Simmons (Whiplash, Juno, Burn after Reading) spielen allesamt mit Elan auf und sorgen für viel Präsenz. Ein weiteres Lob möchte ich an dieser Stelle noch für den epischen Streicherscore vom Kult- Trompeter und Arbeitstier Mark Isham aussprechen. Man kann The Accountant schlussendlich ankreiden, nicht noch besser geworden zu sein. Ein andersartiger und kurzweiliger Thriller ist er dennoch. 

7/10

Für Fans von: Killing me softly, Good Will Hunting, A History of Violence

3 Frauen und (k)ein Todesfall




Girl on the Train

Die Erwartungen an diesen Film waren erstaunlich. Ein Psychothriller mit starker, weiblicher Hauptfigur, angesiedelt im wohlhabenden, suburbanen Amerika der Jetztzeit, entwickelt nach einem Weltbestseller. Dass hier Gone Girl nachgeeifert werden sollte, war niemals ein Geheimnis. Und natürlich gilt auch im Falle von Girl on the Train: Besser gut kopiert als schlecht selbstgemacht. Doch was The Help-Regisseur Tate Taylor mit seiner literarisch sehr umstrittenen Vorlage hier anstellt ist ein reines Fiasko, egal ob nach bestem Vorbild oder nicht. Die erste halbe Stunde des 112 minütigen Streifens lullt den Zuschauer noch in klinisch beleuchteten Hochglanzbildern und Unwissenheit ein. Doch sobald die eigentliche Story ins Rollen kommt, wird mit jeder Szene deutlicher, was Girl on the Train so miserabel macht. Es sind nicht die offensichtlichen Kopien großer Filme (das Wort Hommage sei hier dringlichst vermieden). Hier wird neben David Finchers Meisterwerk vor allem Regielegende Alfred Hitchcock und dessen Klassiker Das Fesnter zum Hof und Vertigo benutzt. Es sind nicht die per se begabten Schauspieler. Emily Blunt, Rebecca Ferguson, Luke Evans, Edgar Ramirez und Lisa Kudrow retten Girl on the Train zwar nicht, reißen ihn aber auch nicht eigenhändig in den Abgrund. Und es sind auch nicht Danny Elfmans ordentlicher Score oder die Versuche Themen wie Voyeurismus, gewalttätige Beziehungen oder Sucht und Abhängigkeit zu einem Krimiplot zu verweben. Es ist die schiere Ignoranz der Filmemacher dem Publikum gegenüber. Wir werden für völlig dämlich verkauft. Wo Gone Girl seine Herkunft als Pulp-Roman noch sarkastisch feierte und keinen Zweifel am übertriebenen Eskapismus seiner Geschichte aufkommen ließ, suhlt sich Girl on the Train geradezu in Ernsthaftigkeit und dem absoluten Vermeiden von Humor. Dies führt im Kinosaal natürlich zu herrlich unfreiwilliger Komik. Denn der Kinofreund ist nicht so blöd, wie es uns Tate Taylor gern glauben lassen würde. Dazu kommt der Hochglanzthriller rein objektiv nie über das Niveau einer Seifenoper hinaus. Alle Wendungen sind völlig vorhersehbar, die Entscheidungen der handelnden Personen werden immer unglaubwürdiger und bis zum Ende des Filmes hat mein keine einzige sympathische Figur angetroffen, um die man sich sorgen oder mit der man mitfiebern konnte. Dazu wird ein interessanter Aspekt der Vorlage – die Erzählung der Geschichte aus der Perspektive der drei weiblichen Hauptcharaktere – vom Film in den Anfangsminuten aufgegriffen und anschließend erklärungslos aufgegeben. Somit ist Girl on the Train schlicht billig, traurig und beleidigend. Glücklicherweise auch schnell zu vergessen. 

3/10

Samstag, 15. Oktober 2016

Schattenmänner




The Infiltrator

23 Jahre nach seinem Tod kommt Pablo Escobar zu einer erneut gigantischen medialen Aufmerksamkeit. Zum Glück ist es diesmal nur Hollywood, dass den Drogenbaron mit großer Begeisterung wieder aufleben lässt. Neben dem 2015er Paradise Lost war es vor allem die bahnbrechende Netflix-Serie Narcos, die das Leben des einst siebtreichsten Mannes der Welt künstlerisch aufarbeitete. In The Infiltrator befasst sich Regisseur Brad Furman (Der Mandant, Runner, Runner) nun mit der immensen wirtschaftlichen Bedeutung des kolumbianischen Kokains, das Escobar in den 80er Jahren so werbewirksam über Miami in die USA schmuggelte. Und so ist es passend, dass Escobar selbst stets wie ein gefürchteter Geist über den Entscheidungen der Figuren schwebt und doch selbst nie im Film zu sehen ist. The Infiltrator ist Robert Mazur. Der DEA-Agent lässt sich undercover in das gewaltige Geldwäsche-Syndikat der kolumbianischen Drogenmafia einschleusen, um so deren größte Geldquelle zum Versiegen zu bringen. Die Memoiren des realen Mazurs dienten Furman und dessen Mutter, die Drehbuchautorin Ellen Brown Furman, als Vorlage für diese Verfilmung. Und hier liegen auch die Probleme des Streifens begraben. The Infiltrator kommt leider nicht über ein inhaltliches Potpourri hinaus. Dank einer riesigen Zahl an Sprechrollen, einer inkohärenten Erzählweise, die fast nur auf Einzelszenen baut und dem somit übermittelten Gefühl der unnötigen dramaturgischen Hektik, wirkt der Film wie eine auf zwei Stunden zusammengepferchte Serie. Gern hätte man den verwinkelten Geldfluss der Drogenmillionen detailliert nachempfunden, doch The Infiltrator gibt dem Zuschauer dazu keine Gelegenheit. Figuren werden strikt nach Bedarf in einzelne Handlungsstränge gepresst und im Laufe des Filmes vergessen. Dass zum, zugegeben sehr emotionalen, Finale dann noch einmal alle Charaktere in Erinnerung gerufen werden, bessert diesen Umstand dann auch nicht mehr. Besonders schade sind diese Drehbuchschwächen, da The Infiltrator schauspielerisch und technisch eine ganze Menge zu bieten hat. Allen voran brilliert Bryan Cranston als Robert Mazur. Die Gratwanderung zwischen Familienmensch und zynischem Geschäftsmann, zwischen alterndem Ermittler und brutalem Unterweltfinancier bringt der Altmeister tadellos auf die Leinwand. An seiner Seite überzeugen zusätzlich John Leguizamo, Diane Kruger und Benjamin Bratt in größeren Nebenrollen. The Infiltrator ist zusätzlich mit viel Hingabe inszeniert wurden. Die bereits angesprochene Zerstückelung der Handlung ist zwar für den Erzählfluss schädlich, doch Set-Designer, Kostümbildner und Make-up-Artists dürfen dafür die 80s in allen schillernden Farben wieder auferstehen lassen. Frisuren, Kleidung und das Nachtleben Floridas bilden gemeinsam mit einem stimmungsvollem Score das Fundament für die humorvollen und augenzwinkernde Stimmung des Filmes. Letzten Endes stimmte mich die tolle Optik von The Infiltrator zusätzlich traurig darüber, 'nur' einen guten Film gesehen zu haben. Die vielschichtige Thematik (weitere Filme über Escobar und sein Imperium sind derzeit u.a. von Oliver Stone in Arbeit) und der tolle Cast hätten mehr hergegeben. 

7/10

Für Fans von: Paradise Lost, Das Kartell, American Hustle

Freitag, 14. Oktober 2016

We found love in a hopeless place





American Honey

Ein Gesellschaftsporträt voller Laiendarsteller mit einer Laufzeit von über zweieinhalb Stunden klingt auf dem Papier nach einer zähen Angelegenheit. Und American Honey wird auch viele Kinobesucher nicht für sich vereinnahmen können. Zu sperrig, zu ziellos, zu dramaturgisch andersartig. Doch die Faszination dieses fiebrigen und unkonventionellen Streifens entsteht eben nicht durch durch eine handelsübliche Storyline und dialoglastige Konfrontationen von Schauspielstars, sondern durch eine beeindruckende Bildsprache, einen vielseitigen Soundtrack und die nahezu perfekte Manifestation eines ungewissen Lebensgefühls amerikanischer Jugendlicher. Im Zentrum der Geschichte steht die 18jährige Star. Weit unterhalb der Armutsgrenze zieht sie als Ersatzmutter ihre kleinen Geschwister groß. Doch die Sehnsucht nach der großen Freiheit bricht sich in Star bahn und so schließt sie sich einer Drückerkolonne an, die unter Führung der resoluten Krystal auf einem nie enden wollenden Roadtrip durch die Vereinigten Staaten Zeitschriftenabonnements verkauft. Die britische Regisseurin Andrea Arnold konnte für American Honey den Großen Preis der Jury bei den diesjährigen Filmfestspielen von Cannes entgegennehmen. Solch eine Belobigung war nicht unbedingt zu erwarten. Dies zeigt sich beispielsweise am Casting der Hauptdarstellerin Sasha Lane, die den Filmemachern erst kurz vor Drehbeginn auf dem Spring Break in Florida ins Auge stach. Dazu tummeln sich mit Shia LaBeouf Herz aus Stahl, Nymphomaniac, Disturbia) und Riley Keough (Mad Max: Fury Road, Magic Mike) auch nur zwei international bekannte Gesichter vor der Kamera. Doch genau diese Kamera sorgt mit ihren grobkörnigen Aufnahmen für einen beachtlichen Teil der Anziehungskraft American Honeys. Das Gezeigte ist selten schön. Von Minute 1 bis 163 führt uns der Film durch die verschiedensten sozialen Schichten und Lebensumstände der USA. Durch die im positiven Sinne unangenehme Kameraführung gelingt der Blick in die Verhältnisse von drogenabhängigen Großfamilien, radikalen Sektenanhängern oder einsamen Superreichen zusätzlich intensiv. Die somit fast dokumentarische Inszenierung lässt jede Distanz von Zuschauer und Geschehen entfallen. Die drogeninduzierte Wahnvorstellung des amerikanischen Traums, der sich Star und deren Mitstreiter hingeben, hüllt Regisseurin Arnold dazu immer wieder in mannigfaltige Musik. Rap, Country und die großen Pophymnen unserer Zeit bieten den Protagonisten Möglichkeiten zur Realitätsflucht, denen sich diese auch wiederholt hingeben. In Verbindung mit einem tragischen und teils herzzerreißenden Schauspiel entsteht so ein zwar selbstzerstörerisches, aber immer wieder wunderschönes Abbild einiger von der Gesellschaft Vergessener. Kleine Dinge, die den Figuren und Zuschauern am Wegesrand des Filmes begegnen sind hier von größerer Bedeutung, als eine stringente Handlung. Und dennoch vermag sich American Honey mit enorm intensiven Szenen und einer stets mitschwingenden Spannung, die aus dem leidenschaftlichen Miteinander der Charaktere entsteht, tief im Gedächtnis von Filmfreunden einzubrennen. 

8/10

Für Fans von: Almost Famous, Broken Flowers

Mittwoch, 28. September 2016

CIA, NSA und Zauberwürfel




Snowden

Der politisch umstrittenste Filmemacher Amerikas nimmt sich der größten Enthüllungsgeschichte des Landes an – ein hochbrisantes Stück Kino mit Konfliktpotential scheint sich den Weg auf die Leinwände zu bahnen. Doch wer in Oliver Stones Umsetzung der Biografie von Edward Snowden einen hochoktanigen Nägelkauer à la Geboren am 4. Juli oder JFK – Tatort Dallas erwartet, kann enttäuscht werden. Aus europäischer Sicht wirkt Snowden fast schon inhaltlich zahm und es fällt schwer, die dargestellten Ereignisse als augenöffnend zu bezeichnen. Ein guter Film ist Stone jedoch allemal gelungen. Ausgehend von den berühmten, schicksalshaften Tagen in einem Hotelzimmer in Hongkong, in denen sich Edward Snowden dazu entschloss mit seinen Enthüllungen an die Öffentlichkeit zu gehen, wird uns in Rückblenden die Geschichte des später berühmtesten aller Whistleblower in den amerikanischen Geheimdiensten erzählt. Snwoden ist dabei viel mehr Bio-Pic als waschechter Paranoia-Thriller und spricht dank eines großartigen Casts und der allgemeingültigen Erkenntnisse, die der Film aus den Erlebnissen seines Protagonisten zieht, dennoch stets die große Mehrheit an. Wir sehen Edward Snowden zu Beginn als schmächtigen Rookie, der sich nur durch seine IT-Fähigkeiten in der CIA halten kann. Der dringende Wunsch zur Sicherheit der USA beizutragen, weicht nur langsam den Beobachtungen über die globale Überwachung, die Edward Snowden nach und nach macht. Hier überschneidet sich dessen Biografie mit der des Regisseurs. Denn Oliver Stone meldete sich in seiner Jugend begeistert für einen Kampfeinsatz im Vietnamkrieg und wurde in seiner beruflichen Laufbahn zu einem der unerbittlichsten öffentlichen Kritiker dieses Militäreinsatzes. Snowdens Entwicklung wird im Film sehr dialoglastig und durch die Einbindung seiner langjährigen Freundin Lindsay Mills ebenfalls auf sehr persönlicher Ebene präsentiert, doch viele Schauplatzwechsel und eine großartige technische Umsetzung lassen dies in einer sehr fiebrigen und somit unterhaltsamen Atmosphäre geschehen. Besonders die Kameraarbeit des Briten Anthony Dod Mantle (127 Hours, Slumdog Millionaire, Rush) trägt signifikant zum allgegenwärtigen Paranoiagefühl bei. Trotz der Rahmenhandlung wird Snowden recht schematisch erzählt. Stone verlässt sich hierbei ganz auf die Brisanz seiner Story, der ich maximal für Amerikaner selbst eine erhellend Wirkung nachsagen würde. Die gesellschaftliche Wertung von Edward Snowdens Taten ist im Rest der Welt schlicht zu eindeutig, als das dieser Film zusätzlich zu dessen Gunsten herhalten müsste. Das internationale Publikum kann sich hingegen an einem tollen Cast rund um Hauptdarsteller Joseph-Gordon Levitt, Divergent-Star Shailene Woodley, Mr. Spock-Akteur Zachary Quinto, und Leinwandikone Nicholas Cage erfreuen. Zusätzliche Nebenrollen von Melissa Leo, Rhys Ifans, Tom Wilkinson und Timothy Olyphant sorgen für den Stone- typischen bunten Reigen an bekannten Gesichtern in Snowden. Mit 135 Minuten erscheint der Streifen verhältnismäßig aufgebläht, doch dank toller Leistungen aller Beteiligten und der großartigen Optik, weißt dieser ungewohnt subtile Film in der Vita Oliver Stones nur minimale Längen auf und wird mit der Einbettung vieler Original- und Nachrichtenaufnahmen sowie einem Gastauftritt des realen Edward Snowdens zumindest zu einem spannenden Zeitdokument. 

7/10

Für Fans von: Citizenfour, Inside WikiLeaks

Mittwoch, 14. September 2016

Der Psycho und der Assi







Tschick

Nach seinem Mammutprojekt The Cut aus 2014 verkündete Fatih Akin eine Schaffenspause einzulegen. Das Finale seiner Liebe, Tod und Teufel – Trilogie blickte auf eine mehrjährige Produktionsphase, Dreharbeiten in 5 Ländern und 3 Kontinenten zurück und konnte Kritik und Publikum dennoch nur vorsichtig begeistern. Für seinen „Comeback“-Film drehte Akin den Spieß nun um. Mit geringem Aufwand aber viel Herzblut schuf er Tschick in nur 8 Wochen und drehte hauptsächlich in der ostdeutschen Provinz. Akin selbst ist aber viel zu sehr Profi, als das er Tschick zur offensichtlich leichten Fingerübung verkommen lassen würde. Das melancholische, wahrhaftige und herrlich verschrobene Roadmovie kann mit tollen Jungdarstellern und jeder Menge Abenteuerlust überzeugen. Tschick ist der Name eines Russlanddeutschen, der den schüchternen 14jährigen Maik aus der Reserve lockt und ihn zu einem Trip in einem geklauten Lada überredet. Während der Film als Teeniekomödie beginnt und schon da mit intelligenten und feinen Beobachtungen begeistert, regieren im Verlauf der 93 Minuten Laufzeit klassische Coming-of-Age-Themen. Der unbedingte Freiheitswille, das Entdecken von wahrer Freundschaft und Liebe sowie das gespaltene Verhältnis zur eigenen Familie werden hier klischeefrei thematisiert. Dass Tschick nie ins fantastische abdriftet, darf man vor allem auch den tollen Schauspielern anrechnen. Hauptdarsteller Tristan Göbel konnte bereits in Winnetous Sohn und der Rico und Oskar- Reihe Filmerfahrung sammeln, doch für Anand Batbileg in der titelgebenden Rolle ist Tschick sein erster Leinwandauftritt. Die Chemie zwischen beiden ist hervorragend, mit Anja Schneider, Uwe Bohm und Nachwuchsstar Mercedes Müller sind zudem noch bekanntere Geschichte aus der deutschen Film- und TV-Landschaft zugange. Was Tschick zum wirklichen Instant-Hit fehlt, ist jedoch die Konstanz. Die Produktion ist durchweg hochwertig, doch inszenatorische Feinheiten, die die erste Hälfte des Films so temporeich und unterhaltsam machen, findet man gegen Ende des Streifens nicht mehr. Hier verlässt sich Akin dann zu sehr auf sein zwar umkämpftes (der gleichnamige Bestseller aus 2010 mit 2,2 Millionen verkauften Exemplaren gewann nicht nur den Deutschen Jugendliteraturpreis sondern ging auch durch viele Hände, bevor Fatih Akin mit der Arbeit beginnen konnte) aber auch vorhersehbares und etwas beliebiges Drehbuch. So wird Tschick sicher kein Kino-Dauerbrenner werden, aber ein weiteres Ausrufezeichen in einer an außergewöhnlichen Werken nicht armen Regisseursbiografie. 

7/10

Für Fans von: About a girl, Knockin' on heavens door

Mittwoch, 31. August 2016

Das Thema, Der Effekt, Kein Prestigio




Die Unfassbaren 2

Die Unfassbaren – Now you see me war 2013 eine echte Überraschung. Nicht nur bot der Magier-Spaß jede Menge Unterhaltung und bestens aufgelegte Stars, sondern bescherte der Produktionsfirma mit Einnahmen von 375 Million $ auch genügend Rückenwind um die als Trilogie angelegte Filmreihe fortzusetzen. Dieses Vorhaben der Mehrteiligkeit kann allerdings schon nach Betrachtung des ersten Teils als einigermaßen merkwürdig angesehen werden, da das aufgebaute Mysterium gelöst und die Geschichten um die 4 Reiter auserzählt wurden. Und so beginnt Die Unfassbaren 2 nach einer stimmigen Einführung, die die Elemente des ersten Teil in Erinnerung ruft, auch genau an dieser Stelle. Die Protagonisten haben nichts zu tun. Während man in Die Unfassbaren – Now you see me das Überspielen inhaltlicher Ungereimtheiten mit inszenatorischer Raffinesse noch hinnahm, ist die dünne, sich wiederholende Story in Die Unfassbaren 2 das zentrale Problem. Jegliche, als großer Plottwist aufgebaute, Überraschung kann der Zuschauer vorhersehen. Die Figuren sind von Minute 1 bis 129 klaren Schwarz-Weiß-Schemata unterworfen, welche auch nie in Frage gestellt werden. Für einen Magierfilm, der per Definition vom Unerwarteten lebt, ist dies natürlich fatal. Optisch kann der amerikanische Regisseur John M. Chu, in dessen Vita man Perlen wie Step Up 2 und 3, den Justin Bieber-Film Never say never oder GI: Joe 2 findet, außer Hektik wenig hinzufügen. Die Unfassbaren 2 sieht im Ganzen aber ordentlich aus und geht getrost als unterhaltsam durch. Allerdings nur als unterhaltsam. Nicht als interessant, nicht als spannend. Und selbst dies ist hauptsächlich dem beeindruckenden Cast zu verdanken. Vor allem Mark Ruffalo und Dave Franco halten die Zuschauer bei Laune, während Jesse Eisenberg seine Rolle aus Teil 1 komplett kopiert und Woody Harrelson in einer abgedrehten Zwillings-Performance zumindest hemmungslos übertreibt. Michael Caine und Morgan Freeman schauen mal kurz vorbei und Daniel Radcliffe kann seinen coolen Auftritt, der im ersten Trailer zum Film bekannt wurde, leider nicht bestätigen. So wird ein großer Haufen A-lister für zwei Stunden um den kompletten Erdball gehetzt, nebenbei pflichtschuldig versucht das chinesische Publikum anzusprechen und ziemlich billig ein dritter Teil angeteast. Ob dieser allerdings nach schwachem Abschneiden von Die Unfassbaren 2 am amerikanischen Box-Office überhaupt entsteht, ist mehr als fraglich. Ich würde dagegen plädieren. 

4/10

Für Fans von: Die Unfassbaren – Now you see me, Der unglaubliche Burt Wonderstone

Donnerstag, 25. August 2016

Der Unterschied zwischen Rennpferd und Nutte




Collide
 
Um es direkt vorwegzunehmen: Das einzig wirklich bemerkenswerte an Collide ist dessen Entstehungsgeschichte. Eine deutsche Autobahn ohne Tempolimit scheint in den USA noch immer seltsame Gelüste zu wecken, weswegen Kult-Produzent Joel Silver (Matrix-Trilogie, Stirb langsam, Lethal Weapon) nach seiner Trennung von Warner als selbstständiger Produzent mit der Idee eines auf deutschen Autobahnen spielenden, international produziertem Actionfilm schwanger ging. Also schlug das Produktionsteam seine Zelte in Köln und Umgebung auf (hier sind Dreh- gleich auch Spielorte) und ließ Luxuskarossen über abgesperrte Straßen heizen. Das zunächst schlicht Autobahn betitelte Projekt wurde bereits vor zweieinhalb Jahren mit den damals relativ unbekannten Nachwuchsschauspielern Nicholas Hoult und Felicity Jones realisiert, die neben den Altmeistern Sir Ben Kingsley und Sir Anthony Hopkins agierten, welche für ihre schauspielerische Leistung in Collide sichtbar nur mit einer entsprechenden Gage zu motivieren waren. Seit dem Frühjahr 2014 haben sich die Karrieren der erstgenannten Akteure jedoch merklich verändert. Nicholas Hoult glänzte im Mega-Hit Mad Max: Fury Road und ist fester Bestandteil des erfolgreichen X-Men-Franchises, Felicity Jones erhielt inzwischen eine Oscarnominierung für Die Entdeckung der Unendlichkeit und wird im Winter in der Hauptrolle des Star Wars-Spinoffs Rogue One zu sehen sein. Dass Hoult und Jones derzeit für eine mitteleuropäische B-Movie- Produktion vor der Kamera stehen würden, ist also völlig undenkbar. Und mit den großen Namen der Mitwirkenden sollen die Stärken des Films auch schon benannt sein. Denn lediglich Freunde riesiger Absurditäten kommen bei Collide auf ihre Kosten. Dies ist zusätzlich schade, da die Idee, ein hirnloses Actiongewitter mit amerikanischem Geld und einer deutschen Crew (die Explosionsgenies von Action Concept – Alarm für Cobra 11 und Der Clown stammt aus deren Feder – sorgen für Stunts und Knalleffekte) nach einem gehörigen Spaß klingt. Doch leider nimmt Regisseur Eran Creevy seine unmotivierte Geschichte um Liebe und Treue in einem ausartenden Bandenkrieg viel zu ernst, um seinerseits ernst genommen werden zu können. Besonders deutlich wird dies in der ersten Hälfte des Films, die scheinbar nie endet. Figurenzeichnung und dramaturgisch ausgefeilte Hintergründe erwartet niemand, der diese Art von Filmen schätzt und dennoch dauert es geschlagene 45 Minuten, ehe die erste Actionszene den Kinobesucher vor dem Tiefschlaf rettet. Der verbleibende Rest der 100 Minuten Laufzeit darf, zumindest inszenatorisch, als einigermaßen unterhaltsam gelten. Doch leider kippt Collide gegen Ende dank eines völlig unsinnigen Schlusstwists in die Sphären einer Direct-to-DVD-Produktion, die Muster bekannter Kinofilme mangelhaft kopiert. Somit steht sich Collide ständig selbst im Weg und kann trotz eines gewissen Eskapismus (hier sei an die Rolle des 1. FC Köln gedacht, an Ben Kingsleys Figur des dauerkoksenden, türkischen Drogenhändlers und an das “Waffenrecht“ in NRW) mit seiner schwermütigen Grundstimmung schlicht nicht abliefern. Einen Hinweis möchte ich noch geben: Wer mit Collide zumindest eine unbeschwerte Zeit haben möchte, dem sei dringend zur deutschen Synchronfassung geraten. Den schrecklichen Sprachwust des Originaltons kann der Film selbst nicht erklären. Daher rate ich von dieser Fassung ab.

4/10

Für Fans von: Fast & Furious, Nur noch 60 Sekunden, Alarm für Cobra 11

Mittwoch, 24. August 2016

Normal ist 'ne Einstellung am Wäschetrockner







Suicide Squad
 
Trotz vernünftiger Einspielergebnisse gilt Batman v Superman allgemein hin eher als misslungener Film. Die Meinungen von Kritikern und Fans waren durchwachsen, die hektische Veröffentlichung eines dreistündigen Director's Cut spricht von Seiten DCs und Warners ebenfalls Bände. Nun fiel die Kinoauswertung von Batman v Superman zeitlich exakt in die Post-Produktionsphase von Suicide Squad, der das Comic-Universum auch auf der Kinoleinwand als vielfältig und abwechslungsreich etablieren sollte. Nach Sichtung des neusten DC-Streiches wird man das Gefühl allerdings nicht los, die negativen Einschätzungen von Batman v Superman hätten die Verantwortlichen aufgeschreckt und zu Last-Minute-Änderungen am bereits abgedrehten Film bewogen. So findet Suicide Squad zu keinerlei einheitlichem Tempo und keiner einheitlichen Grundausrichtung. Die, im Vergleich zum Branchenprimus Marvel, vornehmlich düster angelegte Superheldenwelt wirkt plötzlich aufgedreht, bunt und scheint sich zusätzlich vom Erfolg des Deadpool-Films (auch aus dem Hause Marvel) beeindruckt zu sehen. Das Ergebnis ist weder Fisch noch Fleisch und nur leidlich unterhaltsam. Dabei steckt in Vorlagen und Figuren einiges an Potential. Die Geschichte behandelt eine Gruppe von Antagonisten, zumeist von Gothams dunklem Ritter Batman hinter Gitter gebracht, die nun als klassische Antihelden in einer Selbstmordmission gegen einen scheinbar übermächtigen Gegner in Stellung gebracht werden. Verschiedene Abstufungen von schlecht und böse auf der Leinwand zu versammeln, klingt wie eine spaßige Angelegenheit und die erste halbe Stunde der 123 Minuten Laufzeit scheint dieses Versprechen auch einzulösen. Margot Robbies Harley Quinn und Will Smith' Deadshot werden als Hauptfiguren in den Film eingeführt und bringen mit viel Starpower das Publikum hinter sich. Die Charakterisierungen der anderen Suicide Squad-Mitglieder geriet ebenfalls überzeugend, wenn auch inszenatorisch etwas fragwürdig (geschlagene 8 Klassiker der Rock- und Popgeschichte werden im Stile einer Nummernrevue in der ersten handvoll Szenen auf den geneigten Kinofreund losgelassen). Doch der restliche Film und damit der Großteil der Laufzeit bietet nicht mehr als einen absoluten CGI-Overkill. In ständiger, ermüdender Dunkelheit regieren grelle Farben in sprunghaft geschnittenen und teilweise zerstückelten Szenerien. Es herrscht trotz stagnierender Geschichte ständige Hektik. Dazu darf Superstar Cara Delevigne als Antagonistin Enchantress ihr äußerst limitiertes Schauspiel zum Besten geben und so der geschlossen guten Performance ihrer Mitstreiter (u.a. sind Viola Davis, Joel Kinnaman, Jai Courtney und natürlich ein bestens aufgelegter Jared Leto als Joker mit charakterlichem Entwicklungspotential mit von der Partie) einen negativen Gegenpunkt setzen. Die Hintergrundgeschichte ihrer Figur ist, passend dazu, auch völlig an den Haaren herbeigezogen und erinnert mitsamt dem komplett absurden Finale an eine Katastrophe namens Fantastic Four. So schafft es Regisseur David Ayer (Fury – Herz aus Stahl, End of Watch) aus einer wirklich vielversprechenden Prämisse eine mittelschwere Enttäuschung zu machen. Mit Filmen wie diesem braucht DC den Kampf mit Marvel nicht einmal suchen. Dank spannender Figuren ist jedoch cineastisch noch einiges möglich. Zeit, dass Filmfans davon auch etwas mitbekommen. 

5/10

Für Fans von: Batman v Superman, Sucker Punch

Donnerstag, 11. August 2016

Schweigsam, schnell & sehr, sehr sauer




Jason Bourne

Über das Für und Wider eines fünften Bourne-Films ließe sich vortrefflich streiten. Die ersten drei Streifen um den ehemaligen CIA-Auftragskiller mit Amnesie sind bahnbrechendes Agentenkino, das Actionfilme ins 21. Jahrhundert geholt hat. Nicht umsonst wird Jason Bourne seit dieser Zeit in einer Reihe mit James Bond genannt. Beide Reihen versuchten dann auch planlos die Stil- und Erzählmittel der jeweils anderen Saga zu kopieren, was in zwei eher enttäuschenden Filmen mündete (Ein Quantum Trost, Das Bourne Vermächtnis). Und so konnten sich Fans der ersten drei Bourne-Auskopplungen freuen, als bekannt gegeben wurde, dass Matt Damon unter der Regie von Paul Greengrass zum vierten Mal (Das Bourne Vermächtnis drehte sich um eine komplett losgelöste Geschichte, die zwar im selben filmischen Universum angelegt war, mit Jeremy Renner in der Hauptrolle aber nur mittelmäßig angenommen wurde) den Mann ohne Vergangenheit mimen würde. Schließlich wurde diesen beiden Filmschaffenden der Ruhm der Bourne- Filme angerechnet. Und so lässt Jason Bourne die alternative Storyline um Aaron Cross aus Teil 4 auch richtigerweise links liegen. Nach einem kurzen Flashback, der die wichtigsten Stationen der klassischen Trilogie abhandelt, wird der Zuschauer in eine 123minütige, atemlose Hetzjagd um den ganzen Globus geschickt. Angepeitscht vom treibenden Score des Hans Zimmer-Schützlings John Powell passiert Jason Bourne in seiner Dramaturgie pflichtbewusst Orte von derzeit weltpolitisch signifikanter Bedeutung. So sind die griechisch-mazedonische Grenze, Athen (die dort spielende Verfolgungsjagd inmitten einer Großdemonstration war für mich das Highlight des Streifens, auch wenn sie auf Teneriffa gedreht wurde), London oder Reykjavik Schauplätze des Agententhrillers. Angetrieben wird Bourne dabei von neuen Enthüllungen aus seiner Vergangenheit, die in ihm den Wunsch nach Vergeltung wecken. Und dieser Rache-Plot ist es dann auch, der den Zuschauer bei der Stange hält. Bourne, seine Verbündeten und Gegner entstammen aus einem gewachsenen Filmuniversum, wodurch die von Tommy Lee Jones, Alicia Vikander und Vincent Cassel verkörperten neuen Charaktere den Film wahrlich bereichern. Parallel dazu erzählt Paul Greengrass allerdings noch die Storyline um den Launch einer neuen Social Media- Plattform und dessen Gründer. Diese, von Nightcrawler-Star Riz Ahmed verkörperte Figur ist mitsamt des ganzen Handlungsbogen leider als störend für den Erzählfluss des Films anzusehen. Dem so erfolgreich und realistisch gestalteten dramaturgischen Minimalismus seiner eigenen, bisherigen Bourne-Filme, scheint Greengrass hier misstraut zu haben. Nichtsdestotrotz ist Jason Bourne unverkennbar ein Greengrass-Film. Seiner revolutionierten Art des schnellen Schnittes und der vitalen Kameraarbeit bleibt der Engländer treu und schafft es weiter wie kein zweiter mit diesem Stil weder Kopfschütteln noch Übelkeit beim Publikum auszulösen. Jason Bourne ist schlichtweg ein großartig inszenierter Film. Die Schauspielerriege mit den bereits erwähnten internationalen Topstars muss sich in keinsterweise aus ihrer Komfortzone entfernen, erfüllt aber in jeder Szene dank eines intelligenten Castings ihren Zweck. Aus deutscher Sicht erfreut mich die von Vinzenz Kiefer (Alarm für Cobra 11) verkörperte Nebenrolle eines Berliner Whistleblowers. Jason Bourne ist somit eine absolut würdige, hochspannende und überraschend kurzweilige Fortsetzung der Actionklassiker, die nur die Geradlinigkeit der ersten Teile vermissen lässt.

8/10

Für Fans von: Die Boune Identität, Die Bourne Verschwörung, Das Bourne Ultimatum

Die tausend Ideen eines Filmes




Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft

Schau heimwärts, Engel und Von Zeit und Strom gelten als zwei der ganz großen amerikanischen Romane des 20. Jahrhunderts. Ihr Autor: der stürmische Querdenker Thomas Wolfe. Zeit seines kurzen Lebens konnte Wolfe bereits William Faulkner und Hermann Hesse zu seinen Bewunderern zählen, sein Einfluss in der amerikanischen Literatur ist bis heute bemerkenswert. Doch ein gewichtiger Teil am Erfolg dieser Werke ist dem vielleicht berühmtesten Lektor der Geschichte zuzuschreiben. Dem New Yorker Max Perkins. Die titelgebenden tausend Seiten sollen uns das schwierige Verhältnis der beiden so verschiedenen, aber gleichsam von der Literatur begeisterten Männer verdeutlichen. Doch auch wenn Genius vordergründig die Geschichte einer Freundschaft erzählen will, so wird dies im fertigen Film nicht wirklich deutlich. Ein Gesellschaftsporträt der 20er und 30er Jahre findet sich in den 104 Minuten Laufzeit ebenso wie ein Literaturfilm und ein Bio-Pic. Genius ist von allem etwas, ohne irgendwas richtig zu sein. Passend dazu haben zwei fast ungleich berühmtere Schützlinge Perkins bedeutungslose Gastauftritte. Natürlich verbreitet sich ein wohliges Gefühl unter den Kinogängern, wenn The Wire-Star Dominic West Ernest Hemingway und die australische Schauspiellegende Guy Pearce F. Scott Fitzgerald verkörpern, doch dem an sich zentralen Konflikt um die Bedeutung von Literatur und Freundschaft im Verhältnis von Wolfe und Perkins hilft das nicht wirklich. Genius behandelt nur Themen, jedoch keine Geschichte und mäandert so spannungsarm vor sich hin. Das mit Abstand Beeindruckendste an diesem Streifen ist zweifellos dessen Besetzung. Zu den genannten Gaststars darf Jude Law als Thomas Wolfe hemmungslos über die Strenge schlagen (ob man seine Performance als realitätsnah oder aber als sinnfreies Overacting auslegen möchte, soll bitte jeder Zuschauer selbst entscheiden) und Colin Firth eine typisch weise und gesetzte Colin Firth-Verkörperung an den Tag legen. Zum zentralen Konflikt um die Bedeutung von Verleger und Autor im umkämpften Literaturmarkt, gesellen sich bei beiden Protagonisten noch private Probleme. Laura Linney und Nicole Kidman sorgen zwar für zusätzliche Starpower und vertiefen die charakterlichen Differenzen ihrer Männer, sorgen thematisch aber für zusätzlichen Ballast. Schlussendlich ist Genius zwar toll anzusehen und ordentlich gespielt, Regisseur-Neuling Michael Grandage will allerdings thematisch zu viel und schafft so erzählerisch zu wenig. 

5/10

Für Fans von: Kill your Darlings, Midnight in Paris

Freitag, 29. Juli 2016

Für mich ist jeder Atemzug ein Cliffhanger




Pets

Mit dem unheimlichen Erfolg der Minions begann auch der Aufstieg von Illumination Entertainment. Die trotteligen Helferlein aus den Ich, einfach unverbesserlich-Filmen brachten es nicht nur allein auf die große Leinwand, sondern sind in den letzten Jahren aus keinem Kinderzimmer mehr wegzudenken. Der Hype um die gelben Winzlinge ist schlicht gigantisch. Davon angestachelt möchte Illumination Entertainment nun für seinen Mutterkonzern Universal einen Platz am Tisch der Global Player in Sachen Animationsfilme ergattern. Die derzeitigen Marktführer in diesem Bereich, Pixar und Disney (die strenggenommen beide zum Mäusekonzern gehören), dürften sich mit Sicherheit in näherer Zukunft auf rege Konkurrenz bereit machen, denn was Pets optisch und humoristisch bietet, ist absolut großartig. Und dennoch fehlt den Minions-Machern in diesem Film noch die Brillanz in puncto Story und universeller Verträglichkeit. Pets richtet sich mit enorm hohem Tempo und vergnügt-bunter Atmosphäre zielgerichtet an Kinder. Prinzipiell ist dies für einen Animationsfilm auch kein Manko. Doch der Geschichte um Haustiere, die in Abwesenheit ihrer Frauchen und Herrchen spannende Abenteuer erleben, mangelt es an Spannung und Tiefgang. Auch wenn die Kleinen einige Seitenhiebe, vor allem auf das Verhältnis zwischen Mensch und Haustier oder das arttypische Verhalten der letzteren, sicher nicht völlig verstehen werden können, bietet die gesamte Geschichte etwas zu wenig Vielschichtigkeit, um alle Generationen abzuholen. Natürlich muss nicht jeder Trickfilm den emotionalen Punch eines Alles steht Kopf erzielen, doch hätten Pets etwas mehr Abwechslung und inhaltliche Überraschungen gut zu Gesicht gestanden. Abgesehen davon allerdings ist Chris Renaud und Yarrow Cheney ein 90minütiges Feuerwerk aus spektakulären Actionszenen, hinreißenden Details und einer extrem hohen Gagdichte gelungen. Zur standesgemäß großartigen Musik von Alexandre Desplat (Oscar für Grand Budapest Hotel) und einem zusätzlich mitreißenden Swingsoundtrack kann sich der Zuschauer bedenkenlos in ein perfekt animiertes New York begeben, dass Szene für Szene vor amüsanten Kleinigkeiten beinahe überzuquillen droht. Pets bietet Unterhaltung nonstop und gelingt so angenehm kurzweilig. Uneingeschränkter Höhepunkt des Streifens ist dabei eine völlig durchgeknallte Musicalnummer mit Wiener Würstchen. Mit Jan Josef Liefers, Martina Hill, Stefanie Heinzmann, Frederick Lau, Dietmar Bär, Uwe Ochsenknecht, Jella Haase und einem genialen Dieter Hallervorden rate ich an dieser Stelle auch gerne zur deutschen Synchronfassung, die außerordentlich gut gelungen ist. Der Erfolg, den Pets in den USA bereits feiern konnte, dürfte Illumination Entertainment weiter beflügeln, sechs Filme stehen bis 2020 ohnehin schon in Pipeline. Sollten diese verstärkt auf Familientauglichkeit setzen, könnte dies den Konkurrenzkampf um die Animationsfans richtig anfeuern. Für Kinogänger sind dies gute Neuigkeiten. 

7/10

Für Fans von: Toy Story, Zoomania, Minions

Dienstag, 26. Juli 2016

Sie retten den Film, nicht die Welt




Central Intelligence

Mit Kevin Hart und Dwayne Johnson stehen in Central Intelligence nun zum ersten Mal zwei der sympathischsten und beliebtesten Schauspieler der USA gemeinsam vor der Kamera. Beide sind weniger durch ihre ausgefeilten handwerklichen Fähigkeiten als vielmehr durch ihre natürliche Art und ihre Verschmelzung von realem Leben und porträtierten Figuren zu Ikonen der Generation Social Media geworden. Voll auf die Nüsse- und Wir sind die Millers-Regisseur Rawson Marshall Thurber tut in seiner neuen Actionkomödie also gut daran den beiden Fanlieblingen das komplette Spielfeld zu überlassen. Die Chemie der beiden, rein optisch zumindest, grundverschiedenen Männer ist auch von der ersten Minute an tadellos und sorgt für unterhaltsame 107 Kinominuten. Schon allein die Tatsache, den 1,96m-Wrestler Johnson als CIA-Agenten mit Einhorn T-Shirt und dem Drang nach Umarmung darzustellen ist Grundlage für viele zündende Gags. Dampfplauderer Kevin Hart darf sich hier auch mal angenehm zurückhalten, spielt er doch den rationaleren Part des ungleichen Duos. Doch sobald Thurber seine Alibi-Story zu erzählen beginnt, sich mit Nebencharakteren beschäftigt oder versucht Actionsequenzen zu inszenieren, entlarvt sich Central Intelligence als generischer Quatsch. Dies ist umso trauriger, da in den letzten Jahren Parodien auf Agentenfilme und gefällige Buddy-Movies in großer Zahl die Lichtspielhäuser bevölkerten. Und so sieht sich Central Intelligence auch als Hommage und Verballhornung von James Bond oder Jason Bourne und versucht im gleichen Fahrwasser zu schwimmen, wie etwa Spy – Susan Cooper Undercover oder Kingsman – The Secret Service. Doch dies misslingt leider dank der angesprochenen Probleme. Die Geschichte rund um einen aufzudeckenden Betrug innerhalb der CIA und gestohlene Satellitencodes ist dermaßen hanebüchen und vorhersehbar, dass selbst das notwendige Mantra für Kinobesuche dieser Art, Hirn aus – Action an, nicht ausreicht, um den ausgemachten Unsinn auf der Leinwand zu ignorieren. Der zweite große Schwachpunkt liegt in den völlig unübersichtlichen und zerfahren gefilmten Actionsequenzen, die schlicht Sorgfalt in der handwerklichen Durchführung vermissen lassen sowie schnell und chaotisch geschnitten wurden. So retten nur ein glänzend aufgelegter Cast, inklusive wirklich hinreiß ender Gastauftritte von Jason Bateman, Thomas Kretschmann und Melissa McCarthy und eine überraschend hohe Gagdichte Central Intelligence vor dem Totalausfall. 

5/10

Für Fans von: Spy – Susan Cooper undercover, Taffe Mädels, Ride Along

Mittwoch, 20. Juli 2016

Das Leben als Cappuccino-Maschine




Demolition

In den letzten Jahren hat sich Jake Gyllenhaal nicht nur zum absoluten A-Lister hochgearbeitet, sondern ist auch unter meinen persönlichen Lieblingsschauspielern zu finden. Spätestens durch seine beeindruckenden Performances in Nightcrawler und Prisoners verdiente sich der Zodiac- und Brokeback Mountain-Star den Status eines Meisters seiner Zunft. Fast selbstverständlich stemmt Gyllenhaal seit 2011 großartige Filme wie Everest, End of Watch, Enemy und Southpaw. Parallel (!) zu letztgenanntem Boxerdrama stand der 35jährige im vergangenen Jahr noch für die Tragikomödie Demolition vor der Kamera. Unter der Regie des Dallas Buyers Club-Regisseurs Jean-Marc Vallée verkörpert Gyllenhaal den Investmentbanker Davis Mitchell, der nach dem Unfalltod seiner Frau in einer zusehends emotionslose Melancholie verfällt und die richtigen Wege der Trauerbewältigung zu ergründen sucht. Wie Titel und Trailer vermuten lassen, scheint sich die komplette Zerstörung der inneren und äußeren Welt als Mitchells bevorzugte Möglichkeit herauskristallisieren, den Verlust eines geliebten Menschen zu kompensieren. Doch der geneigte Kinogänger sollte sich von diesem Eindruck ebenso wenig beeinflussen lassen, wie dem in allen Promo-Clips entstandenen Eindruck, Demolition sei eine Komödie über einen einsamen Mann, der hauptsächlich Beschwerdebriefe schreibt. Sicher, all diese Themen und charakterlichen Facetten werden im fertigen Film abgehandelt, doch Demolition kann diese entstandene Erwartungshaltung eines unterhaltsamen Streifens leider nicht einhalten. Während in der ersten Hälfte der 101 Minuten Spielzeit die Geschichte durch ihren im Kern lebensbejahenden Ton und skurrile Nebenfiguren, wie Mitchells Eltern oder seinen Schwiegervater interessant bleibt, verheddert sich Demolition mit fortschreitender Dauer in Wiederholungen und Belanglosigkeit. Der aufgebaute Storybogen stagniert und scheint nur bruchstückhaft zu einem Ende geführt zu werden. Uneingeschränkt lobenswert sind allerdings die Leistungen der Akteure vor der Kamera. Jake Gyllenhaal führt seine Liste an großartigen Leistungen bedenkenlos fort, Naomi Watts und Chris Cooper begnügen sich mit zurückhaltenderen Rollen, preschen aber genau dann nach vorn, wenn die Szenerie es erfordert. Eine echte Entdeckung ist zudem der erst 15jährige Judah Lewis, der als aufmüpfiger Teenager die eingestaubte Handlung bis zum starken Finale nach vorne bringt. Dazu kann Demolition mit einem tollen 70s Psychodelic Rock-Soundtrack aufwarten. Der Film sieht sich selbst als Metapher auf das ganze Leben. Dies wird nicht nur inszenatorisch und erzählerisch dargestellt, sondern explizit genannt. Doch ähnlich wie der Alltag ist auch Demolition teilweise ziellos und uninteressant geworden. Die starken Schauspieler und eine gefällige Inszenierung heben das Charakterdrama jedoch über den Durchschnitt. 

6/10

Für Fans von: 21 Gramm, The Descendants

Donnerstag, 14. Juli 2016

Willkommen auf der Erde. Nochmal.




Independence Day 2: Wiederkehr

20 Jahre sind seit den Ereignissen aus Independence Day vergangen. 20 Jahre, in denen sich die Erde gern so hätte verändern dürfen, wie sie in Roland Emmerichs utopischem Film- Paralleluniversum entwickelt hat. Denn nach der im Grunde völlig verheerenden Alieninvasion im Jahre 1996 konnte sich die Welt zu einer Einheit formen, verstand die Nichtigkeit ihrer Konflikte, legte dauerhaft die Waffen nieder und nutzte die Technologie der Außerirdischen, um die Gravitation zu überwinden, eine futuristische Infrastruktur aufzubauen und mit einem Verteidigungsschild interstellare Feinde fernzuhalten, um dauerhaft in Frieden zu leben. So weit, so uninteressant für einen Action-Blockbuster. Denn die Fans von Independence Day und dessen Regisseur wollen vor allem maximale Zerstörung, knackige Sprüche und gute Unterhaltung. Und so schickt uns Deutschlands Hollywood-Export Nummer 1 auf eine in jeder Hinsicht vergleichbare, glücklicherweise nur minimal schwächere Version seines „größten B-Movies aller Zeiten“. Und Emmerich tut dies mit bewährter Rezeptur. Wissenschaftler, Kampfpiloten und die US-Amerikanische Führungsriege aus Politik und Militär müssen also erneut einen Einfall der Wesen bekämpfen, die schon vor 20 Jahren die Erde zerstören wollten und ihrerseits ebenfalls aufgerüstet haben. Und um den angestrebten Nostalgiefaktor weiter zu zelebrieren, standen für Independence Day 2: Wiederkehr auch nahezu alle alten Bekannten wieder zur Verfügung. Die Wiedersehen mit Jeff Goldblum, Brent Spiner, Judd Hirsch und Bill Pullman wirft den Zuschauer genauso angenehm in das Zerstörungskino der 90er Jahre zurück, wie die für Emmerich typische, gemäßigte Kameraarbeit, sein ruhiger Schnitt und der passende Bombast-Score. Lediglich Superstar Will Smith hielt sich von diesem Projekt fern. Als Ersatz an vorderster Front wurde sein Filmsohn mit Nachwuchsakteur Jessie T. Usher besetzt, als Namensvehikel auf den Promoplakaten darf Hunger Games-Star Liam Hemsworth einspringen. Der Streifen wiederholt das inhaltliche Konzept aus Teil 1 und stellt in einer langen Einführung die handelnden Personen auf allen Teilen der Welt inklusive deren minimalistischer Charakterzeichnung vor. Banale Motivationen aus familiären Verwicklungen und frühen Schicksalsschlägen inklusive. Das große Trademark aus Independence Day, die Zerstörung berühmter Wahrzeichen, wird hier nun anschließend erstaunlich zurückgenommen eingesetzt. Natürlich ist es imposant anzuschauen, wenn die Petronas Towers aus Kuala Lumpur die Londoner Tower Bridge plattmachen, doch Emmerich scheint genau gewusst zu haben, dass die ikonisch gewordenen Bilder aus Teil 1 nicht zu kopieren sind. So zieht Independence Day 2 die Actionschraube erst im herrlich übertriebenen Finale auf Anschlag. Bis dahin schrammt der Film in seinen 121 Minuten Laufzeit nur knapp an einer inhaltlichen Überfrachtung vorbei. Die Figuren aus Teil 1 im Hinterkopf zu haben, sollte daher Voraussetzung für alle sein, die den Streifen nicht nur auf rein audiovisueller Ebene erleben wollen. Diese ist aber dennoch das überzeugendste Argument für einen Kinobesuch, der an dieser Stelle auch in jedem Fall empfohlen ist. Independence Day 2 ist ein optisches Spektakel (Emmerichs eigenartiges Set-Design in ermüdenden Grau- und Türkistönen sei an dieser Stelle einmal ausgeklammert), das definitiv auf der größtmöglichen Leinwand in imposanter Lautstärke genossen werden sollte. Die Freude der Crew an Übertreibung und Selbstironie überträgt sich auf das Publikum und sorgt für einen spaßigen Sommer-Blockbuster. 

7/10

Für Fans von: Independence Day, Krieg der Welten, Guardians of the Galaxy