Donnerstag, 30. April 2015

DIe besten Freunde des Menschen







The Voices

Ryan Reynolds ist ein vielbeschäftigter Mann. Allein zwischen 2013 und 2015 werden, bzw. wurden 10 Filme mit seiner Beteiligung veröffentlicht. In The Voices, der auf dem letztjährigen Sundance-Festival Premiere feierte und nun in unseren Kinos erscheint, knüpft er mit einer wirklich starken Schauspielleistung an ähnlich tolle Performances an, wie wir sie von ihm beispielsweise aus Buried – Lebendig begraben kennen. Für den Durchbruch auf Hollywoods A-List hat es für den Kanadier jedoch bislang nicht gereicht. Zu durchschnittlich ist seine bisherige Karriere. Auch wenn The Voices daran nichts ändern wird – der Film ist ein durchweg schamloses Vergnügen für Freunde morbiden Kinos. Reynolds spielt darin die Hauptrolle des Jerry, einem Mann mit tragischer Vergangenheit, der wegen seiner Schizophrenie unter behördlicher Aufsicht steht. Solang zumindest, bis er gegen den Rat seiner Therapeutin verordnete Psychopharmaka absetzt und seine Wahnvorstellungen zusehends die Oberhand in seinem Leben übernehmen. Jede weitere Information über The Voices wäre fatal, denn was Jerry durchleidet ist so überraschend wie durchgeknallt. Die iranische Regisseurin Marjane Satrapi (2007 oscarnominiert für Persepolis) offenbart uns, mit Sicherheit begründet in ihrer künstlerischen Herkunft aus dem Graphic-Novel-Milieu, über die vollen 103 Minuten ständig abwechslungsreiche optische Einfälle für ihren dritten Realfilm. Besonders Farbgestaltung und Setdesign nehmen eine zentrale Rolle in der Erzählung ein. Über diese Stilmittel werden uns sukzessive die Abgründe in Jerrys Wahrnehmung bewusst. Die abgedrehte Story an sich ist hingegen für einen Schwachpunkt in The Voices verantwortlich. Nach etwa der Hälfte des Films ist das Pulver des Drehbuchs verschossen, sodass mit zunehmender Spieldauer das Interesse des Publikums am Geschehen sinkt. Mit aufstrebenden und erfahrenen Stars großartig besetzt, sind jedoch die Nebenrollen in The Voices. Bondgirl Gemma Arterton (Ein Quantum Trost, Hänsel und Gretel: Hexenjäger), Everybody's Darling Anna Kendrick (Twilight-Saga, Up in the Air) und Jacki Weaver (Silver Linings, Magic in the Moonlight) sind mit sichtbarer Freude bei der Sache und bilden so ein tolles Ensemble. Der, im Übrigen komplett im Studio Babelsberg und dem Berliner Umland gedrehte, Streifen überzeugt als, vor allem optisch, großartig inszenierte Horrorkomödie, die trotz ihres schwarzhumorigen Grundtons, ihren verstörten Protagonisten und dessen Krankheit stets ernst nimmt.

7/10

Für Fans von: Silver Linings, American Psycho




Eine humanitäre Katastrophe







The Gunman

Nach dem schweren Erdbeben auf Haiti im Jahre 2010 gründete Sean Penn ein Flüchtlingslager, das zeitweise bis zu 55000 betroffenen Menschen Zuflucht gewährte. Sein gesellschaftliches und humanitäres Engagement ist in jeder Hinsicht beeindruckend. Dazu ist der 53jährige zweifacher Oscarpreisträger (Mystic River und Milk) und gefeierter Regisseur (Into the wild). The Gunman, der bei uns nun in den Kinos startet, vereint alle diese Aspekte von Penns Leben in einem kompromisslosen Actionthriller. Nach Jean-Patrick Manchettes Bestsellervorlage 'La Position du Tireur Couché' von 1981 zeigt sich Penn unter der Führung von 96 Hours-Regisseur Pierre Morel nun als Produzent für den Film verantwortlich und übernahm zugleich die Hauptrolle des Söldners Jim Terrier. Dieser findet sich nach einem Attentat auf den Kongolesischen Bergbauminister in einem globalen Geflecht aus Waffenhändlern und deren Killerkommandos, Interpol und zwielichtigen Geschäftsleuten wieder, die aus dem Leid der Kongolesen Profit schlagen wollen. Es sind eine Menge Vorschusslorbeeren, die man The Gunman andichten könnte, doch der Film versagt fast auf ganzer Linie. Die humanitäre Katastrophe in Mittelafrika dient in den ersten Minuten als Exposition und bietet mit dem Kampf zwischen Rebellen und staatlichen Truppen, UN-Hilfseinsätzen und gierigen Schwarzmarkthändlern auf der Suche nach wertvollen Bodenschätzen noch eine eindrucksvollen Ausgangssituation für einen soliden Thriller à la Blood Diamond. Doch alles, was im Kongo passierte, spielt im verbleibenden Rest der 117 Minuten Laufzeit keine Rolle mehr. Alle angedeuteten Konflikte werden für eine mittelmäßige Actiondramaturgie aufgegeben. Das bleibende Plotkonstrukt ist wahnsinnig dünn und vorhersehbar. Dazu ist The Gunman schlecht gefilmt. Auf seiner Hetzjagd durch Westeuropa passiert Terrier wie selbstverständlich große Sehenswürdigkeiten von London, Barcelona oder Gibraltar. Diese Großaufnahmen stehen im krassen Gegensatz zur sehr mittelmäßigen Shaky-Cam Arbeit in den Actionszenen. Morel kommt so zu keiner inszenatorischen Einheit. Der beeindruckendste Aspekt in The Gunman ist sicherlich Sean Penn selbst. Exzessiv gestählt, verbreitet er eine respekteinflößende Körperlichkeit, die die vielen Nahkämpfe glaubwürdig aussehen lässt. Diesen kann man trotz der benannten Schwächen einen gewissen Unterhaltungsfaktor nicht absprechen. Der restliche Cast in The Gunman wurde meiner Meinung nach verheizt. Während Ray Winstone als Terriers letzter Vertrauter die Sympathien noch auf seiner Seite hat, ist Javier Bardem hingegen mit seinem eindimensionalen Charakter völlig unterfordert und irritiert dazu mit deplatziertem Overacting. Die italienische Newcomerin Jasmine Trinca kann auch nicht gegen das schwache Drehbuch ankämpfen und verbringt den Großteil des Films mit schreien und beschützt werden. Der große Lichtblick Idris Elba bekommt als zwielichtiger Interpolagent kaum Leinwandzeit und kann leider nicht nachhaltig ins Geschehen eingreifen. The Gunman kann mit seiner seiner ziel- und humorlosen Gangart somit nicht überzeugen.

3/10

Mittwoch, 22. April 2015

Einer für alle und alle gegen einen



Avengers: Age of Ultron

Nicht wenige Actionfilme sind an einer Fortsetzung, die standesgemäß der Maßgabe höher- schneller-weiter folgt, gescheitert. Beste Beispiele dafür sind xXx-Triple X, bei dem an einen dritten Teil glücklicherweise zur Zeit nicht zu denken ist, sowie Mission: Impossible 2, der als eine der schlechtesten Fortsetzungen überhaupt gilt und nur dank vernünftiger Box Office-Ergebnisse fortgesetzt wurde. Beim zweiten Avengers-Film sind die Vorzeichen dazu noch wesentlich differenzierter. Nicht nur ist The Avengers der bis heute dritt erfolgreichste Film, der je gedreht wurde, die Figuren der Superheldencombo haben sich in einzelnen Abenteuern separat weiterentwickelt. Doch nicht nur die Einbindung dieser Ereignisse gelingt bestens. Avengers: Age of Ultron ist seinem Vorgänger in jeglicher Hinsicht ebenbürtig, im Ganzen sogar noch etwas besser. Im direkten Vergleich liegt dies an einigen Faktoren. Zum ersten hinterlässt der titelgebende Antagonist Ultron, den James Spader mittels Performance Capturing als Mischung aus allwissendem Propheten, großem Zerstörer und bockigen Kind spielt, einen starken Eindruck. Als Tony Starks, alias Iron Man, eigene Schöpfung, ist er bestrebt, die von Krieg und Chaos belastete Erde im Ganzen zu vernichten. Dass er für diese Situation die Avengers verantwortlich macht, gibt dem noch eine zusätzliche Ebene, da diese nach den Ereignissen im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit stehen. Innerhalb der Gruppe stehlen vor allem die menschlichsten der Charaktere, Hawkeye und Black Widow, letztere besonders im Zusammenspiel mit Hulk, den offensiveren Superhelden Iron Man, Thor und Captain America die Show. Durch die zusätzliche Einführung von Quicksilver und Scarlet Witch mischen sich auch neue Gesichter unter die Avengers. Während ersterer verhältnismäßig blass bleibt, sorgt Scarlet Witch mit ihren telekinetischen Kräften für reichlich Aufregung im Geschehen. Ein weiteres Plus zum ersten Film ist die enorme Frequenz an Ereignissen in Age of Ultron. Während The Avengers noch zum Großteil an Bord des S.H.I.E.L.D.- Flugzeugs und in New York spielte, reißen Iron Man und Co. Nun um den ganzen Planeten um Ultron zu stoppen. Hierbei wurde unter anderem in Johannesburg, Seoul und dem norditalienischen Aostatal gedreht. Die Actionsequenzen sind dabei auf erwartbar allerhöchstem Niveau. So wurde in Südkorea beispielsweise mit Hilfe spezieller Drohnen gedreht, die noch flüssigere Bilder und beeindruckendere Kamerafahrten im allgegenwärtigen Getümmel ermöglichen. Hecktische Schnitte und wilde Handkameraarbeit bleiben zum Glück außen vor. Lediglich das große Finale fällt als gewollt übertrieben leicht hinter dem restlichen Film zurück. Im Ganzen bietet Avengers: Age of Ultron 142 Minuten bestmögliche Popcornunterhaltung für Actionfans, dazu viele Querverweise für Kenner und Freunde des Marvel Cinematic Universe (Guardians of the Galaxy-Fans aufgepasst!) und eine unglaublich dynamische Gruppe an Superhelden, die tiefgründiger miteinander interagieren, als es bei einem Dutzend zentraler Charaktere denkbar gewesen wäre.

9/10

Für Fans von: The Avengers und allen Einzelabenteuern ihrer Mitglieder



Gesichter der Hoffnung



Judgment – Grenze der Hoffnung

Die Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei hat eine besondere geschichtliche Bedeutung. Am sogenannten Judgment-Felsen, der dem vorliegenden Film seinen Namen gab, wurden schon während der Antike Opferriten durchgeführt. Regisseur Stephan Komandarev beschäftigt sich in Judgment jedoch mit der jüngeren Vergangenheit dieser Brücke zwischen den Kulturen. Am Beispiel des bulgarischen Milchfahrers Mityo und seines Sohnes Vasko erzählt Komandarev von Hoffnungen auf ein besseres Leben unter wechselnden politischen Systemen. Denn es war Mityo, der nun aus Geldnot einen Job als Schleuser für syrische Flüchtlinge in die EU übernimmt, welcher zur Zeit des kalten Krieges seine Landsleute und Bürger aus anderen Ostblockstaaten an der Flucht in die westliche Türkei hindern musste. Der 18jährige Vasko macht sich nun auf die Suche nach den Untaten, die die Generation seines Vaters belasten, während dieser erneut in die Fänge des sadistischen Kapitans gerät, der schon in der Militärzeit sein Vorgesetzter war. Zugleich wird in Judgment auch die gegenwärtige soziale Situation im ländlichen Bulgarien thematisiert. Zerfallene Dörfer und verbitterte Männer prägen das Bild im ärmsten aller EU-Staaten. Wir erfahren auch von Frauen, denen die eigene Ausreise Hoffnung gab. Wie die Mutter von Vaskos Freundin, die inzwischen als Pflegerin in Italien arbeitet, ihre Familie jedoch seit 4 Jahren nicht sah. Es sind die verschiedenen Abstufungen von Perspektivlosigkeit zwischen dem syrischen Bürgerkrieg und dem Mangel an Arbeit und Zuversicht der Bulgaren, die in Judgment eine starke Spannung aufbauen. Vor allem in der zweiten Hälfte des Films, in der der jugendliche Vasko aktiver in die Vergangenheit seines Vaters eintaucht, bekommt Jugdment eine partielle Thrillerhandlung, die den Zuschauer mitfiebern lässt. Hier muss Regisseur Komandarev jedoch auch aufpassen, dass die eingeflochtene Liebesgeschichte Mityos zu seiner Nachbarin den Filmfluss nicht ausbremst. Dazu wirkt das Finale auch etwas überkonstruiert. Die schauspielerischen Leistungen sind hingegen allesamt tadellos. Judgment ist durchweg mit großen bulgarischen Namen besetzt, aus denen Miki Manojlovic als skrupelloser Schleuser noch einmal herausragt. Der in Largo Winch bereits international in Erscheinung getretene Charaktermime, gibt seinem Kapitan eine perfide Note, die den Zuschauer gleichsam fasziniert und abschreckt. Judgment wird sicher kein breites Publikum ins Kino locken. Wer einen Blick riskiert wird jedoch einen sehr ordentlichen und vor allem brandaktuellen Film geboten bekommen, der tatsächlich Hoffnung in die Flüchtlingsproblematik bringen kann.

8/10


Für Fans von: Leviathan, Circles, Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada

Eine Zukunft für Viele



Ex Machina

Künstliche Intelligenz ist seit jeher ein fester Bestandteil klassischen Science-Fiction-Kinos. Abseits großer Produktion à la Stanley Kubrick oder Steven Spielberg beschäftigt sich Regieneuling Alex Garland in einem intimen Kammerspiel mit der Beziehung von Mensch und Maschine. In Ex Machina gewinnt der Programmierer Caleb scheinbar zufällig einen Trip zu Firmenchef Nathan, der in absoluter Isolation und mit Calebs Hilfe die erste wahre künstliche Intelligenz testen will. In den 108 Minuten Laufzeit geht Garland auf viele Nuancen des Zusammenlebens mit einem Maschinenmenschen ein. Philosphische Theorien, das Verständnis von Liebe und Sexualität, Erschaffermythen und klassische Science-Fiction- Thematiken, etwa die Frage nach der Empathie von künstlichen Organismen, werden dabei behandelt. Der Fülle von Fragen, die der Film selbst stellt, wird er leider nicht in Gänze gerecht. Einiges bleibt etwas unausgegoren und oberflächlich. Dem hypnotischen Sog, den Ex Machina entwickelt, tut dies jedoch keinen Abbruch. Sehr präzise Kameraarbeit, tolles Set-Design und angenehm subtile Special-Effects unterstreichen den klaustrophobischen Grundton des Streifens, sodass der Zuschauer stets äußerst gespannt im Kinosessel verharrt. Für sehr geerdete Verhältnisse sorgen dabei die drei Hauptdarsteller Domhnall Gleeson, Oscar Isaac und Alicia Vikander, die allesamt mit ihrer Karriere auf aufsteigendem Aste sind. Ex Machina wird daran nichts ändern. Die zugrundeliegende Figurenkonstellation, die Züge eines klassischen Thrillers in sich trägt, wird durch überzeugende schauspielerische Arbeit glaubhaft mit dem technisch-fantastischen Plot verbunden. Auch wenn die polierte Oberfläche des Films kleinere Mängel in Ex Machina nicht überdecken kann, so lohnt ein Blick auf diesen Science-Fiction-Thriller allemal. Da Alex Garland als Drehbuchautor düsterer Zukunftsvisionen (28 Days later, Sunshine) bereits beachtlichen Eindruck hinterließ, ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis ihm dies auch als Regisseur gelingt. Ex Machina ist ein deutlicher Schritt in diese Richtung.

8/10


Für Fans von: Her, A.I., Blade Runner

Etwas für die Augen



Big Eyes

Wenn Tim Burton, Christoph Waltz und Amy Adams gemeinsam an einem Film arbeiten, scheint Extravaganz vorprogrammiert zu sein. Und auch wenn Waltz als Kunstlegende Walter Keane in dosierten Schüben dem Wahnsinn ein Gesicht geben kann, so überzeugt Big Eyes doch vor allem durch das Understatement, das Amy Adams als eingeschüchterte Malerin in den spießigen fünfziger Jahren verkörpert, und das wir Tim Burton in diesem Maße beinahe gar nicht zugetraut hätten. Vom morbiden Humor und den Fantasyexzessen eines Großteils seiner bisherigen Filme, ist das aktuelle Werk des Kultregisseurs weit entfernt. Ohne Stammschauspieler wie Johnny Depp oder Helena Bonham Carter, erzählt Burton in dieser schwarzen Komödie von einer Ehe zweier Künstler, die durch Lügen und starre Konventionen scheinbar aufrecht gehalten wird. Während Christoph Waltz als selbsternannter Bonvivant überheblich durch die Szenerie stapft, ist es Amy Adams als unterdrückte Margaret Keane, die mit ihrem subtilen, aber eindringlichen Spiel den Zuschauer bei der Stange hält. Für diese Leistung wurde ihr absolut berechtigt ein Golden Globe für die beste weibliche Hauptrolle in einer Komödie zu Teil. Denn ihrer Figur ist es zu verdanken, dass der Film nicht auf halbem Wege zwischen Ehedrama und Kunstsatire stecken bleibt. Hier hätte das Drehbuch der eigentlich erfahrenen Biopic Autoren Scott Alexander und Larry Karaczewski (Larry Flynt, Der Mondmann, Ed Wood) definitiv mehr hergeben können. Optisch hingegen überzeugt Big Eyes auf ganzer Linie. Die titelgebenden Bilder der Mädchen mit den großen Augen scheinen für Burton und seinen oscarnominierten Kameramann Bruno Delbonnel (Die fabelhafte Welt der Amèlie, Harry Potter und der Halbblutprinz, Inside Llewyn Davis) eine gigantische Inspiration gewesen zu sein. Die zu Beginn knallbunten, mit Verfall der Ehe zunehmend gedeckten Bilder vom San Francisco und Hawaii der fünfziger und sechziger Jahre sind ein wahrer Augenschmaus. Dazu gibt es einen verspielten Soundtrack von Burtons Stammkomponisten Danny Elfman auf die Ohren, der für Big Eyes unter anderem mit Lana Del Rey zusammenarbeitete. Außerdem geben sich bekannte Gesichter wie Krysten Ritter, Jon Polito und Jason Schwartzman ein Stelldichein. Big Eyes ist somit ein vergnüglicher, toll gespielter Film mit Schwächen in der Erzählstruktur. Traurigerweise beschert das Fehlen von Höhepunkten und nachwirkenden Szenen dem Film eine kurze Halbwertszeit.

7/10


Für Fans von: Midnight in Paris, Mona Lisas Lächeln



Sonntag, 19. April 2015

Abschied des Totengräbers







Run all night

Noch vor dem internationalen Kinostart von Run all night legte sich Hauptdarsteller Liam Neeson darauf fest, im nächsten Jahr seine Karriere als Actionstar an den Nagel zu hängen. Angetrieben vom erdrutschartigen Erfolg des 2008er Rachefilms Taken, drehte der inzwischen 62jährige Ire in den vergangenen Jahren ein knappes Dutzend Actionstreifen, die oftmals gleichen Mustern folgten und qualitativ selten über das Mittelmaß hinaus kamen. Auch wenn Run all night, Neesons mittlerweile dritte Zusammenarbeit mit Regisseur Jaume Collet-Serra nach Unknown Identity und Non-Stop, ein deutlich besserer Film geworden ist, als beispielsweise die beiden miserablen Taken-Fortsetzungen, tut der Schindlers Liste- Darsteller gut daran, sich zukünftig auf seine klassisch-dramatischen Rollen zu konzentrieren. Im vorliegenden Run all night spielt Neeson Jimmy Conlon, einen alkoholsüchtigen Auftragskiller der irischen Mafia. Als sein Sohn, der jeglichen Kontakt zum Vater abbrach, in akute Lebensgefahr gerät, versucht Conlon vergangene Fehler zu berichtigen und stellt sich für das Wohl seiner Familie gegen seinen letzten Freund und Mentor, den Gangsterboss Shawn Maguire. Einer der Stärken von Run all night ist definitiv dessen ausgewogener Cast. Liam Neeson gibt hier nicht den überlebensgroßen Held und Retter, sondern spielt auf Augenhöhe mit illustren Nebendarstellern wie Vincent D'Onofrio als hyperaktivem Cop, sowie Sänger und Oscargewinner Common als gnadenlosem Hitman. Der wahre Höhepunkt des Films ist jedoch das Duell Neesons mit Ed Harris, der als Mafiaoberhaupt Magiure zu sehen ist. Trotz unüberwindbarer Hindernisse ist das Verhältnis beider zueinander von größtem Respekt geprägt. Die Qualität des Aufeinandertreffens von Robert DeNiro und Al Pacino aus Heat wird zwar erwartungsgemäß nicht erreicht, Harris und Neeson sorgen mit ihrer Erfahrung jedoch für die Stärksten Szenen. Run all Night punktet weiterhin durch seine konzentrierte Story. Alle Ereignisse finden während der titelgebenden Nacht in der New Yorker Unterwelt statt. Die Unausweichlichkeit der Ereignisse hält den Film angenehm kurzweilig. Leerlauf kommt während der 114 Minuten Laufzeit kaum auf. Dazu werden der Weltstadt optisch reizvolle Hochglanzaufnahmen abgewonnen, die im Gedächtnis bleiben. Wer sich an einigen Schwächen in puncto Logik und Erzählstruktur nicht stört, kann sich auf einen soliden Actionthriller freuen. So behalten wir den Actionstar Liam Neeson gern in Erinnerung.

7/10

Für Fans von: John Wick, Jack Reacher

Mittwoch, 15. April 2015

Der teuerste Hamburger aller Zeiten



10 Milliarden – Wie werden wir alle satt?

2050 werden etwa 10 Milliarden Menschen auf unserem Planeten leben. Diese zu ernähren, wird eine der drängendsten Aufgaben, die es in den nächsten Jahrzehnten zu lösen gilt. Mit dieser Problematik beschäftigt sich nun der deutsche Dokumentarfilmer Valentin Thurn in 10 Milliarden – Wie werden wir alle satt? Thurns Berichte sind bereits seit 1990 sehr gefragt. Jedoch schafften es seine Einsichten in Themen wie Einwanderung, Familienplanung und wiederholt auch Ernährung nie auf die Kinoleinwände. Dies änderte sich 2011, als Thurn mit dem enorm erfolgreichen Taste the Waste in großem Maßstab auf die Verschwendung von Lebensmitteln aufmerksam machte. Der Film wurde mit zahlreichen Preisen bedacht und löste ein großes öffentliches Echo aus. Es würde mich jedoch überraschen, wenn ihm dies mit 10 Milliarden auch gelingt. In der vorliegenden Dokumentation nimmt Valentin Thurn einmal mehr die Position des Filmenden und des Gefilmten ein. Ähnlich seinen offensichtlichen Vorbildern, wie Morgan Spurlock oder Michael Moore, ist Thurn somit Protagonist seiner eigenen Beobachtungen. Dieses stößt uns direkt auf das zentrale Problem von 10 Milliarden. Während sich Thurn in der ersten Hälfte der 103 Minuten Spielzeit verstärkt auf seine Bilder verlässt, nimmt er im zweiten Teil zunehmend den Part des Mahners und aufrüttelnden Antreibers ein. Nicht nur geht dadurch eine dringend benötigte Subjektivität der Fakten verloren, die eine Dokumentation meines Erachtens nach besonders nachwirken lässt, 10 Milliarden verkommt damit auch zusehends zu einem Manifest für die schnellstmögliche Veränderung unsere Essgewohnheiten. Die Interpretation des Gesehenen sollte jedoch im Kopf des Zuschauers erfolgen. Abseits von diesen inhaltlichen Ausschweifungen ist 10 Milliarden äußerst ordentlich gelungen. Thurn schlägt den Bogen von Genforschung zu Urban Gardening, von der Monokulturenzucht hin zur Rückbesinnung auf das Kleinbauerntum. Die Aufmerksamkeit der Kinobesucher wird durch die Bilder nie künstlich gelenkt, allen Parteien wird die gleiche Aufmerksamkeit für ihre Ideen zuteil. Auch wenn Thurns Themen in 10 Milliarden allesamt in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen haben, so ist dieser Film dennoch eine willkommene Gesamtschau zu Ansätzen und möglichen Lösungen eines der zentralen Probleme kommender Generationen. Durch die klar beurteilende Haltung seines Regisseur ist 10 Milliarden jedoch als reine Dokumentation gescheitert.

5/10


Für Fans von: Taste the Waste, Super Size me

Ein Ende ohne Schrecken







Fast & Furious 7

Dem von Fans verehrten, von Kritikern jedoch eher belächelten Franchise Fast & Furious wurde mit dem Tod von Hauptdarsteller Paul Walker plötzlich eine unvorstellbare Hürde in den Weg gelegt. Der in den Filmen viel beschworene familiäre Zusammenhalt der Toretto- Gang nahm perfiderweise durch den Schicksalsschlag auch außerhalb der Leinwand globale Ausmaße an. So sorgte Fast & Furious 7 mit seiner größtenteils gelungenen Mischung aus krachender PS-Action und sentimentaler Abschiedstour bereits für den viertbesten Kinostart aller Zeiten. Weitere Umsatzrekorde sind nicht ausgeschlossen. Im Film selbst tut sich hingegen hauptsächlich Bewährtes. Auf Charaktere und Story möchte ich hier gar nicht eingehen. Glücklicherweise wird in Fast & Furious 7 nicht erst versucht, eine Handlung zu etablieren, die beispielsweise den mittelmäßigen Vorgänger Fast & Furious 6 noch ausbremste. Hier geht es 137 Minuten lang ausschließlich um Explosionen, Faustkämpfe und atemberaubende Stunts. Mit diesen Zutaten steht und fällt ein Actionfilm – in Fast & Furious 7 passen sie wirklich hervorragend zusammen. Besonders erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die zentrale Actionsequenz im kaukasischen Hinterland, deren Höhepunkte zwar schon diverse Trailer schmückten; die Wucht und die spannende Inszenierung dieser Szene werden in voller Länge jedoch auf einem ganz anderen Level erlebbar. Trotz der langen Laufzeit gelingt es dem Streifen hingegen nicht, alle Rollen zufriedenstellend in Einklang zu bringen. Vor allem die Fanlieblinge Jason Statham und Dwayne Johnson erscheinen lediglich in riesigen Abständen auf der Leinwand. Das Drehbuch scheint ihre Charaktere hauptsächlich als Stichwortgeber zu benötigen. Die heißerwarteten Auftritte von Blood Diamond und Guardians of the Galaxy-Darsteller Djimon Hounsou (immerhin zweifach oscarnominiert) und der olympischen Bronzemedalliengewinnerin und Kult-MMA-Kämpferin Ronda Rousey beschränken sich jeweils auf wenige Augenblicke. Letztere darf sich immerhin auf eine spektakuläre Prügelei mit Michelle Rodriguez einlassen, die endlich ihr eingefrorenes Spiel aus Fast & Furious 6 überwunden hat und sich wieder in den Dienst der Gruppe stellt. Kultschauspieler Kurt Russell hält das Rad hingegen einigermaßen am Laufen. Sein Mr. Nobody treibt die Geschichte voran (die größtenteils aus der Reise zwischen Kontinenten besteht), auch wenn hier in Puncto Charakterzeichnung vieles schief geht. Als durchschnittlicher Actionfilm mit großen Ambitionen wäre Fast & Furious 7 grandios gescheitert. Doch da der Film nur genau das sein möchte, was er geworden ist, stehe ich seinem Erfolg durchaus wohlwollend gegenüber.

7/10


Für Fans von: Fast & Furious – Franchise, xXx – Triple X

Donnerstag, 9. April 2015

Besser geht auch immer

Die Coopers – Schlimmer geht immer

1972 veröffentlichte Autorin Judith Viorst ihren bebilderten Roman Alexander and the terrible, horrible, no good, very bad day (so auch der Originaltitel des Films), der in den Vereinigten Staaten bis heute ein enorm erfolgreiches Kinderbuch ist. Shawn Levys Produktionsfirma 21 Laps Entertainment bringt nun die zum Familienfilm aufgemotzte Version des Bestsellers in die Kinos. Auch wenn Levy den Regiestuhl diesmal dem Puerto Ricanischen Independentfilmer Miguel Arteta überließ, so trägt Die Coopers doch deutlich die Handschrift seiner Werke, wie Im Dutzend billiger, Nachts im Museum, oder Prakti.com. Der Humor in dieser Chaos-Komödie ist dann auch äußerst gefällig und harmlos. Ecken und Kanten gibt es nicht zu erwarten. Da Erwachsene auch definitiv zur Zielgruppe gehören sollen, hätte dem Film etwas mehr Biss äußerst gut getan. Besonders, da sich die Komödie mit Freude an 80's-Klassikern wie Chevy Chase National Lampoon-Reihe orientiert. Trotz allem zünden viele Gags und sorgen so für vergnügliche und kurzweilige 81 Minuten. Die kurze Laufzeit, die ich bei einem Film ja generell gutheiße, ist jedoch auch ein großes Manko in Die Coopers. Die endlose Abfolge von Missgeschicken, Zerstörung und kleinen Katastrophen, die der Streifen in der ersten Hälfte aufbaut, wird nicht konsequent zu Ende gedacht. Viele aufgebaute Konflikte und Ideen, wie etwa Alexanders Schwärmereien für eine Mitschülerin, oder die Pflege eines Meerschweinchens, werden im überhasteten Finale geopfert. Hier wären einige zusätzliche Szenen nützlich gewesen. Vorwurfsfrei hingegen agieren alle Schauspieler. Neben Steve Carell und Jennifer Garner, die als Alexanders Eltern Dienst nach Vorschrift machen, aber ihre etwas eindimensionalen Rollen problemlos ausfüllen, überzeugt vor allen Newcomer Ed Oxenbould, der sich für die Hauptrolle des 12järigen Schülers gegen mehr als 500 andere Kinder durchsetzte. Neben gestandenen Jugendschauspielern wie Dylan Minnette (Labor Day, Prisoners) und Kerris Dorsey (Walk the Line, Moneyball) braucht er sich keinesfalls zu verstecken und gibt seinen Alexander als einsamen, aber neugierigen Teenager. Dank eines spielfreudigen Ensembles ist Die Coopers – Schlimmer geht immer damit noch ein verhältnismäßig unterhaltsamer Familienfilm geworden.

5/10

Für Fans von: Wir kaufen einen Zoo, Nachts im Museum