Freitag, 31. Oktober 2014
Einer muss das blutige Geschirr abwaschen!
5 Zimmer Küche Sarg
Der nicht eingehaltene Putzplan, merkwürdige Übernachtungsgäste und Ärger mit der Polizei wegen Ruhestörung – auch Vampire haben ein ganz normales WG-Leben. Solche und Unmengen anderer grandios witziger Details bildem das Herzstück der tollen neuseeländischen Mockumentary 5 Zimmer Küche Sarg. Mittels eines fiktiven Filmteams werden wir Zeuge des Lebens der Blutsauger mit all ihren Sorgen und Nöten. Der geneigte Filmfreund kann sich hier über jede Menge toller Geschichten aus dem Dasein der Vampire im Wandel der Jahrhunderte freuen. Alle Figuren werden durch abwechslungsreiche Backgroundstorys und schrille Nebenchraktere facettenreich dargestellt. Dazu blicken die Filmemacher auch über den Tellerrand hinaus und lassen unsere Vampirhelden in einem Mix aus Mockumentary und Found Footage die Grenzen beider Genres ausloten und auf Zombies, Werwölfe und den klassischen Menschen treffen. Dazu wird in Diskussionen über die Geschichte des Vampirfilms eine humorvolle Metaebene eröffnet. Dies alles ist hingebungsvoll inszeniert. Besonders die stimmungsvolle Ausstattung des titelgebenden Herrenhauses und die melancholische Kammermusik mit osteuropäischem Einschlag transportieren das Gefühl der versuchten Anpassung in kompletter Andersartigkeit effektiv zum Zuschauer. Leider sind die Einzelteile von 5 Zimmer Küche Sarg etwas besser gelungen als der gesamte Film, in dessen Drehbuch es doch an einem roten Faden und einer Spannungskurve fehlt. Was bleibt ist großartige Unterhaltung mit einer ausnahmsweise äußerst witzigen deutschen Synchronisation.
8/10
Für Fans von: Bram Stoker's Dracula, Blair Witch Project
Mittwoch, 29. Oktober 2014
Radtour mit Folgen
Hin und weg
Bewegende deutsche Tragikkomödie über Selbstbestimmung und das tiefe Band der Freundschaft mit dem unvermeidlichen Florian David Fitz als ALS-Erkrankten. Getragen von einem starken Cast, schafft es Hin und weg große Emotionen zu vermitteln ohne kitschig zu werden. Vor allem Julia Koschitz zeigt eine bemerkenswerte Leistung als zukünftige Witwe und bietet das größte Identifikationspotential für den Zuschauer. Florian David Fitz zeigt sich trotz seiner Hauptrolle angenehm zurückhaltend und lässt die Handlung durch die Reaktionen seiner Mitstreiter auf seinen Freitod vorantreiben. Diese bietet allerdings auch deutlichen Anlass zur Kritik. Denn einige Nebenhandlungsstränge, die für den humoristischen Ton des Filmes sorgen, laufen komplett ins Leere. Sei es die Beziehung der von Victoria Mayer und Johannes Allmayer verkörperten Personen, oder die Frage um den Umgang mit dem Leben als junge Witwe, die ein zentrales Element von Hin und weg einnimmt; keiner dieser Konflikte wird ausreichend zu Ende gedacht. Dazu schmälern ein abgenutzter Folk- und Indiesoundtrack die Qualität des Filmes, ebenso wie dessen Look, der an Werbefilme, oder das Vorabendprogramm erinnert. So bleibt ein brauchbarer Film aus unseren Landen mit tollen Schauspielern, aber technischen Schwächen.
6/10
Für Fans von: Knocking on heavens door, Vincent will Meer
Sonntag, 26. Oktober 2014
Gelegenheit macht Diebe
Wie in alten Zeiten
Seichte Komödie, in der die britischen Topstars Emma Thompson und Pierce Brosnan über eine kaum vorhandene Story hinwegtrösten. Im roten Faden, der den Film zusammen halten soll, gehen die geschiedenen Hauptdarsteller mit ihren Filmnachbarn auf die Jagd nach einem Diamanten, in welchen ihre Ersparnisse flossen, die ein betrügerischer Hedgefondsmanager dank einer halblegalen Firmenfusion an sich riss. So weit, so unklar. Der Geschichte zu folgen, oder sie gar zu glauben scheint auch nicht das Ziel von Regisseur Joel Hopkins zu sein. Der Spaß für den Zuschauer stellt sich in Wie in alten Zeiten durch die Wortgefechte zwischen den Protagonisten ein. Mit Brosnan und Thompson sehen wir in diesen Rollen zwei Schauspieler, die durch ihre Jahrzehnte währende Starpräsenz auch ein schwächeres Drehbuch mühelos aufwerten. Mit Sidekick Timothy Spall haben beide dazu auch die Idealbesetzung des Jedermanns an ihre Seite. Wie in alten Zeiten ist in hohem Tempo erzählt und erinnert so in seinen besten Momenten an leichtfüßige Screwballkomödien der 40er und 50er Jahre. Vor allem die Szenen, in denen sich die Geschiedenen wieder anzunähern versuchen, sind sehr liebevoll und witzig umgesetzt. Um einen nachhaltigeren Eindruck beim Publikum zu erreichen, fehlen jedoch in hohem Maße Spannung und die Möglichkeit sich mit den Figuren wirklich zu identifizieren. Auch wenn einige Running-Gags für Lacher sorgen, können selbst Emma Thompson und Pierce Brosnan Wie in alten Zeiten nicht vor der Mittelmäßigkeit bewahren.
5/10
Für Fans von: Liebe auf den zweiten Blick, Verlockende Falle
Freitag, 24. Oktober 2014
Nordische Schlachteplatte
Northmen – A Viking Saga
Schweizerisch-Deutsche Koproduktion über den Kampf gestrandeter Wikinger mit den Truppen des schottischen Herrschers. Zu Klängen von Amon Amarth prügeln sich ausgediente europäische Film- und Fernsehschauspieler durch Wälder, Berge und mittelalterliche Festungen. Die zu Beginn angedeutete Handlung um die Entführung der Königstochter wird als Ausgangspunkt zu einer lieblos inszenierten Jagd durch unwegsames Gelände genutzt, jedoch nie zu einem Abschluss gebracht. Und auch innerhalb einzelner Sequenzen vermögen die blutigen Schlachten nicht über gigantische Logiklöcher hinweg zu täuschen. Zu allem Übel sind jene auch noch schlecht gefilmt. Rasante Schnittfolgen und eruptive Handkameraarbeit vermitteln hier nicht das Gefühl von Unberechenbarkeit und Chaos, sondern von begrenztem filmischen Verstand. Im Gegensatz dazu übertreibt es Regisseur Claudio Fäh mit Landschaftspanoramen und Aufnahmen von Pferdeherden, die in Zeitlupe über saftige Wiesen galoppieren. Solche Füllbilder mindern dazu auch den Spaß am einzigen Pluspunkt von Northmen. Seiner Kurzweiligkeit. Die Saga der Wikinger ist auch Trashfans nicht zu empfehlen, da sich der Film unbeirrt selbst sehr ernst nimmt und somit nur unfreiwillig komisch wirkt.
3/10
Montag, 20. Oktober 2014
Mächtige von Morgen
The Riot Club
Gesellschaftsdrama über Nachkömmlinge der britischen Oberklasse, die an der Eliteuniversität Oxford ihre Abneigung gegen Menschen aus gewöhnlicheren Verhältnissen ausleben. Der titelgebende Riot Club nahm sich dabei den Bullingdon Club zum Vorbild, in dem unter anderem der britische Premier David Cameron einst Mitglied war. Dass die porträtierten Studenten in einigen Jahren allesamt einflussreiche Männer werden würden, gibt The Riot Club eine bittere Note, die der Film auch ausgiebig aufzeigt. Manchmal allerdings zu offensichtlich. Viele Szenen, vor allem in der ersten Filmhälfte, wiederholen nur die Aussage, nach der alle Söhne aus reichem Hause widerliche Charaktere sind. Darunter leidet dann auch die Figurenzeichnung. Im zweiten und beherrschenden Teil des Filmes geht Regisseurin Lone Scherfig das Grundthema deutlich ausgereifter an, indem sie mit satirischer Zuspitzung alle Figuren im sich steigernden Alkohol- und Drogenrausch aufeinander loslässt. Dieser, direkt vom Theaterstück „Posh“ inspirierte Part ist das gelungene Herzstück des Filmes. Die schauspielerischen Leistung sind durchweg überzeugend, das Setting im typisch britischen Landpub „Bull's Head“ wird toll in die Szenerie integriert und der Zuschauer hat großen Spaß daran die snobistischen Emporkömmlinge zu hassen. Somit ist The Riot Club ein Film mit starkem Thema und kleinen Makeln.
7/10
Für Fans von: The Skulls
Freitag, 17. Oktober 2014
Das Verrückte Labyrinth
Maze Runner- Die Auserwählten im Labyrinth
Weiterer Vertreter der derzeit so beliebten Jugend-Dystopie-Sagen über gefangene Teenager, die auf einer verlassenen Lichtung und dem umgebenden Labyrinth ums Überleben kämpfen. Für eine Jugendbuchverfilmung gerät Maze Runner überraschend düster und kompromisslos. Dazu überzeugen die Actionsequenzen im titelgebenden Labyrinth auf ganzer Linie. Ein toller Endzeitlook und die ständige Bedrohung durch den verselbstständigten Irrgarten und dessen Hüter, die sogenannten Griewer (eine Mischung aus H.R.Gigers Alien, einem Skorpion und einer Riesenspinne in schönem Design), sorgen für eine stetige, klaustrophobische Spannung. Den Nachwuchsschauspielern, von denen man eventuell noch Will Poulter aus Wir sind die Millers kennt, ist kein Vorwurf zu machen. Sie verkörpern die Begebenheiten in der Notgemeinschaft für ihr Zielpublikum angemessen. Das Interesse des Zuschauers an den Geheimnissen, die das Setting umgeben, bleibt bis zum Ende konstant. Dieser Pluspunkt fällt allerdings einem recht überhasteten, wenn auch toll inszenierten Finale teilweise zum Opfer. Die Auflösung jedenfalls wird die Kinogänger spalten – der Grundstein für die zwei folgenden Abenteuer der Maze Runner ist aber in jedem Fall gelegt. Somit bleibt kurzweilige Unterhaltung mit einem Film, der glücklicherweise nicht mehr sein möchte, als er auch ist. Fantasyunterhaltung für Heranwachsende.
7/10
Für Fans von: Die Tribute von Panem, Lost (TV)
Montag, 13. Oktober 2014
Ein neuer Sheriff ist in der Stadt
The Salvation
Ein schweigsamer Held auf persönlicher Mission, ein brutaler Bandenführer, der eine arme Kleinstadt unterjocht, dessen sklavenähnlich gehaltene Geliebte mit tragischer Backgroundgeschichte, der diabolische Gehilfe mit einer Vorliebe für Vergewaltigungen, ein bestechlicher Bürgermeister, das Abenteuer suchende Waisenkind, dazu breite Landschaftaufnahmen und ein Score aus Gitarre und Trommel. Es ist ein Mekka für Westernfans, dass uns der Däne Kristian Levring mit seinem in Südafrika gedrehten Streifen hier präsentiert. Doch auch wenn die Anspielungen zu klassischen (Italo-)Western á la Sergio Leone oder Sam Peckinpah das Bild beherrschen, verkommt The Salvation nie zu einem billigen Abklatsch, oder einer Karikatur altehrwürdiger Wildwestfilme. Stattdessen sehen wir einen geradlinigen und kurzweiligen Film mit toller Optik. Überraschungsmomente bleiben da natürlich Mangelware und ein großes Mitgefühl stellt sich auch für die wenigsten der Figuren ein. Dazu reicht die knappe Spielzeit von eineinhalb Stunden schlicht nicht aus. Ein großes Problem wird daraus für den Film jedoch mitnichten. Vielmehr besinnt sich Regisseur Levring auf das Wesentliche eines guten Western und stellt die Brutalität einer Zeit in den Mittelpunkt, in der ein Menschenleben wenig zählte. Dazu kann er sich auf einen starken Cast rund um den dänischen Hollywoodexport Nummer 1, Mads Mikkelsen, verlassen.
8/10
Für Fans von: Für eine handvoll Dollar, Todeszug nach Yuma
Freitag, 10. Oktober 2014
Zähe Gerechtigkeit
The Equalizer
Überlanger Actionthriller vom Training Day-Team rund um Regisseur Antoine Fuqua und Hauptdarsteller Denzel Washington. Letzterer spielt hier Robert McCall, einen ehemaligen Top-CIA-Agenten, der die komplette russische Mafia Bostons in einem Rachefeldzug auseinander nimmt. Dies ist alles enorm unterhaltsam und stylisch inszeniert, vor allem die recht brutalen Actionsequenzen überzeugen mit fast comicartigem Style. Dazu ist Denzel Washington als coolster Hund unter der Sonne natürlich die Idealbesetzung. Er beherrscht jede Szene und zieht das Publikum trotz seiner reaktionären Gesinnung stets auf seine Seite. The Equalizer krankt allerdings an vielen anderen Dingen. Das größte Problem ist seine Laufzeit. In wahnsinnigen 131 Minuten steckt zwischen den tollen Kampf- und Schießszenen unwahrscheinlich viel Leerlauf, viele Handlungsstränge (etwa McCalls Kämpfe gegen korrupte Polizisten und das Übergewicht eines Kollegen) bremsen die Haupthandlung stark aus, dazu wird viel Spannung in inkonsequenten Szenen geopfert. Symptomatisch dafür ist der Gastauftritt von Melissa Leo und Bill Pullman, in welchem das Geheimnis von McCalls Vergangenheit gelüftet wurde, aus dem der Film einen Großteil seiner Spannung zog. Neben diesen überflüssigen Randfiguren wird die Rolle der überzeugenden Chloe Grace Moretz, die die Haupthandlung erst ins Rollen bringt, grundlos für 90 Minuten vom Bildschirm getilgt. Eine Rückbesinnung auf die eigentlich ehernen Gründe hinter dem Rachefeldzug wird dem Zuschauer somit nicht gewährt. Was bleibt, ist ein harter Actionstreifen mit sehr viel Ballast. Da eine Fortsetzung bereits angekündigt ist, hoffen wir für diese auf eine deutliche Entschlackung. Denn Denzel Washington zu sehen, wie er Horden von Gegnern niedermäht, ist zweifellos unterhaltsam.
5/10
Für Fans von: 96 Hours – Taken, Man on Fire
Mittwoch, 8. Oktober 2014
Haneke aus Holland
Borgman
Bizarrer, verstörender Home-Invasion-Thriller aus den Niederlanden. Der erste holländische Beitrag im Wettbewerb von Cannes seit 38 Jahren überzeugt durch seine Darstellung von Ängsten der wohlhabenden, weißen, europäischen Mittelschicht und durch seinen ausgefallenen schwarzen Humor. Einen stringenten Handlungsverlauf präsentiert uns Regisseur Alex van Warmerdam hier nicht. Ebenso wichtig, wie das gezeigte, ist all das was ungesehen zwischen den Szenen geschieht. Personen sind hier Sinnbilder für die dunklen Seiten im Menschen. All das kommt in Borgman herrlich surreal und ohne Erklärung daher. Van Warmerdam unterläuft ständig die Erwartungen der Zuschauer mit perfidem Vergnügen. Technisch kann ich bei Borgman keine Abstriche machen. Die Bildgestaltung ist ruhig, präzise und teilweise bitterböse komisch. Filmmusik bekommen wir nur äußerst selten zu Ohren, umso verstörender und überraschender sind deren Klänge dann. So ist Borgman eine tiefschwarze Parabel für Cineasten, die mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet.
7/10
Für Fans von: Funny Games
Freitag, 3. Oktober 2014
Neues vom Meister
Gone Girl
Famoser
Thriller über das Verschwinden einer Frau und den Zerfall ihrer Ehe
von Meisterregisseur David Fincher. Angeführt von einer brillanten
Rosamund Pike als Amy Dunne, die den ebenfalls großartig besetzten
Ben Affleck als ihren Ehemann Nick, in der Verkörperung der
amerikanischen Mittelmäßigkeit, in allen Belangen überlegen ist,
seziert Gone Girl genüsslich das Leben eines Ehepaars. Fincher
bietet die Geschichte der Dunnes dabei als unheimlich spannenden
Kriminalfall dar, der den Zuschauer in den kompletten
Zweieinhalbstunden immer tiefer in seinen Bann zieht, einen Haken
nach dem anderen schlägt und ihm mit fast diabolischer Freude
regelmäßig den Boden unter den Füßen wegzieht. Einen
beachtlichen Anteil daran hat Drehbuchautorin Gillian Flynn, die
ihren eigenen, verschachtelten Bestseller adäquat für die Leinwand
umsetzte. Gone Girl wird dabei bis in die Nebenrollen großartig gespielt. Vor allem der konsequent gegen den Strich besetzte Neil
Patrick Harris vermag in seiner beängstigenden Rolle lange im
Gedächtnis zu bleiben. Perfekt begleitet wird die perfide Spannung
dabei vom düsteren Synthiescore aus der Feder von Finchers
Stammkomponist und Nine Inch Nails-Mastermind Trent Raznor. Es
erscheint sicherlich naheliegend, Filme von David Fincher, die
oftmals Eingang in die Popkultur fanden, aneinander zu messen. Und
auch wenn Gone Girl sicherlich nicht die Perfektion eines Sieben,
oder Fight Club erreicht, als bissige Mischung aus Thriller,
Ehedrama und Mediensatire ist Gone Girl für mich das erste
Meisterwerk dieses Jahres.
10/10
Für Fans von: Prisoners, Shutter Island
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