Mittwoch, 7. Oktober 2015

Sehen und Hören



The Look of Silence

Eines der grausamsten Kapitel der Nachkriegsgeschichte trug sich 1965/66 in Indonesien zu. Der junge Staat wurde von einem Militärputsch erschüttert, die nun herrschenden Generäle sahen es als ihre Aufgabe den Kommunismus auf dem Inselstaat auszurotten. Bei den Massakern wurden etwa 1 Million vermeintliche Unterstützer und Sympathisanten der Kommunistischen Partei Indonesiens hingerichtet. Die Verantwortlichen leiteten die Staatsgeschäfte bis 1998. Noch heute sind hochrangige Mitglieder der paramilitärisch organisierten Todesschwadronen im gesellschaftlichen Leben Indonesiens anerkannt. Der amerikanische Regisseur Joshua Oppenheimer schuf mit seiner gefeierten und eindrücklichen Dokumentation The Act of Killing ein Meisterwerk, das die Massenmorde jener Zeit in die Weltöffentlichkeit brachte. Nicht zuletzt hatten auch die USA bis dato wenig Interesse die Ereignisse tiefgründig zu betrachten, da die damalige Regierung unter Lyndon B. Johnson die indonesischen Putschisten als Vorkämpfer gegen den Weltkommunismus unterstützten. Mit The Look of Silence bringt Oppenheimer nun das Schwesterwerk zu The Act of Killing in die Kinos. Anders als im oscarnominierten Werk von 2012, das die Mörder und deren Beziehung zu ihren Taten in den Vordergrund stellte, beschäftigt sich der Wahldäne in The Look of Silence mit den Opfern des Genozids, genauer thematisiert er die Suche eines Mannes nach den Verantwortlichen des Todes seines Bruders 1965. Oppenheimer selbst tritt nicht vor der Kamera auf, sondern überlässt seinem großartigen Protagonisten, dem Optiker Adi, das Feld. Dieser verwickelt Kunden, Lokalpolitiker und sogar Verwandte in Gespräche über ihre Beteiligungen an den Massakern. Das titelgebende Schweigen wird dabei zu seiner größten Stärke. Für das internationale Publikum mag dieses Schweigen entlarvend sein, Adi bewegt es zutiefst, die Verantwortlichen der Tötungen präsentieren sich aber ähnlich stolz gegenüber ihren Taten, wie andere bereits in The Act of Killing. Im direkten Vergleich allerdings schneidet The Look of Silence etwas schlechter ab. Oppenheimer fokussiert sich hier intensiver auf Einzelschicksale, was sich auch in seinem Stil niederschlägt. Dem phänomenalen Dokumentationsepos The Act of Killing kann der mit 103 Minuten fast eine Stunde kürzere The Look of Silence nicht das Wasser reichen. Dafür ist der Streifen dann zu minimalistisch gehalten. Der begonnene Zyklus aus beiden Filmen wird hingegen bestens vervollständigt. Unter großem Widerstand (man beachte den Abspann des Films, in dem zahllose Mitwirkende als Anonym genannt werden) arbeitete die Filmcrew an einem bewegenden Streifen über Geschichtsverdrängung, pervertiertes Politikverständnis und die Macht der Vergebung. Diesem Unterfangen sollten Zuschauer auf der ganzen Welt Tribut zollen.

8/10

Für Fans von: The Act of Killing, Taxi Teheran

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