Donnerstag, 8. Oktober 2015

Erfolg lag ihm im Blut



The Program – Um jeden Preis

Seit vielen Jahren versuchen Organisatoren und Teilnehmer des legendärsten Straßenradrennens der Welt die Tour de France wieder als ernstzunehmenden sportlichen Wettkampf für die öffentliche Wahrnehmung zurückzugewinnen. An vorderster Front waren es die Enthüllungen um den siebenfachen Toursieger Lance Armstrong und dessen Team, die professionellen Radsport in der medialen Berichterstattung zur Randnotiz werden ließen und diesen nur in Zusammenhang mit Dopingenthüllungen betrachteten. Man ist gewillt, sich diesem Eindruck nach Sichtung von Stephen Frears The Program anzuschließen. Basierend auf dem Enthüllungsbuch 'Seven Deadly Sins: My Pursuit of Lance Armstrong' von David Walsh erschuf der Philomena- und The Queen-Regisseur ein hoch spannendes und brilliant gespieltes, aber etwas uneinheitliches und wirres Drama. Mit enormem Aufwand und greifbaren Ambitionen zeichnen die Filmemacher ein Portrait des amerikanischen Radsportprofis von 1993 bis 2013. Seine Wandlungen und Motivationen bilden das Zentrum der Geschichte. Glücklicherweise konnte Frears mit Ben Foster einen ausgezeichneten Charaktermimen als Hauptdarsteller gewinnen, der diesen undurchsichtigen Sportler in allen Facetten großartig verkörpert. Der zweite herausragende Schauspieler des Streifens ist zweifellos Breaking Bad-Star Jesse Plemons als Armstrongs Rivale Floyd Landis. Besonders in der zweiten Hälfte des Films sorgt das intensiv gespielte Duell dieser ehemaligen Verbündeten für eine packende Intensität auf der Leinwand. Dazu ist Regisseur Frears fast schon krampfhaft um Kreativität bemüht. Ein großes Aufgebot an Charakteren, viele Rückblenden, dazu Gegenschnitte und Montagesequenzen bilden den großen Anspruch der Verantwortlichen heraus, sorgen aber auch für einen uneinheitlichen Inszenierungsstil, der makabererweise bestens zur chaotischen Dramaturgie des Films passt. Das zentrale Problem von The Program ist seine Unentschlossenheit. Dem Zuschauer werden stetig Richtungswechsel geboten, die den Streifen zwischen Spielfilm und Dokumentation wechseln lassen. Dies schadet Tempo und Fluss natürlich immens. Das zweite große Manko geht dann auch damit einher. Denn zu Beginn von The Program wird Journalist David Walsh als Hauptfigur eingeführt. Seine Arbeit zur Offenlegung der Dopingpraxis im Radsport soll Fundament der Geschichte sein. Doch wie auch der Stil des Films wird David Walsh über weite Strecken der 104 Minuten Laufzeit ignoriert. Somit verlieren sich Stephen Frears und The Program irgendwo zwischen Enthüllungsthriller, Sportdrama und Bio-Pic. Dieser Fakt wiegt umso schwerer, da der Film die Systematik des Betrugs am Radsport glänzend recherchiert offenlegt und den Zuschauer zur weiteren Beschäftigung mit der Thematik anregt. 

6/10

Für Fans von: Die Unbestechlichen, The Armstrong Lie


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