Sicario
Vor zwei Jahren kürte ich den
englischsprachigen Debütfilm des Franko-Kanadiers Denis
Villeneuves, Prisoners, zum besten Streifen 2013. Mit enormer
Spannung erwartete ich also das Nachfolgewerk des Regietalents. In
Sicario (Spanisch für Auftragskiller) schildert uns Villeneuve den
aussichtslosen Kampf amerikanischer Geheimdienste gegen mexikanischen
Drogenkartelle am Grenz-Hotspot El Paso/Ciudad Juarez. Die Brillianz
von Prisoners kann in Sicario leider nicht ganz wiederholt werden,
der Film zieht einen jeden Zuschauer allerdings von Minute 1 bis 121
in seinen Bann. An zwei Dingen ist dies festzumachen. Zum ersten
profitiert Sicario von seiner großartigen Hauptfigur. In einer
perspektivlosen Umgebung voller Verantwortlicher, die nur zwischen
verschiedenen Abstufungen von falsch entscheiden können, ist es als
Kinobesucher eine enorme Wohltat mit Emily Blunts SWAT- Agentin Kate
Macer einer positiv charakterisierten Identifikationsfigur folgen zu
können. Blunts Leistung ist dazu auch mehr als nur bemerkenswert.
Der zweite Grund, der Sicarios unheimliche Sogwirkung begründet,
ist dessen audiovisuelle Wucht. Der vielleicht beste, lebende
Kameramann und Hollywoods Nummer 1 der aufstrebenden Filmkomponisten
setzen diesbezüglich neue Maßstäbe. Roger Deakins Bilder sind
schlichtweg atembe raubend. In Prisoners und Skyfall ließ sich schon
sehen, was der Brite besonders im Hinblick auf das Spiel mit
Lichteinflüssen auf Zelluloid bannen kann, die Nachtaufnahmen in
Sicario nun gehören für mich zum Aufregendsten, was ich seit langem
sehen durfte. Der eindringliche und hinterlistig-bedrohliche Score
des Isländers Johann Johannsson (im diesem Jahr oscarnominiert für
Die Entdeckung der Unendlichkeit) sorgt dazu für permanentes
Nägelkauen. Zwiegespalten hingegen fällt meine Bewertung des
Drehbuchs aus. Hier widersetzt sich Villeneuve dem gängigen
Thriller-Muster und präsentiert Sicario als Folge persönlicher und
politischer Dilemmata. Dies spiegelt den oftmals orientierungslosen
Kampf der Behörden gegen die allmächtig erscheinenden Kartelle zwar
bestens wieder, sorgt aber auch dafür, dass Sicario im Mittelteil
etwas die Puste ausgeht. Der Film wirkt dann teilweise
fragmentarisch. Was hingegen wirklich negativ auffällt, ist die
schwache Figurenzeichnung des Einsatzleiters Matt Graver. Gegen
dieses wandelnde Klischee kann selbst Leinwandikone Josh Brolin nur
schwerlich anspielen. Für dramaturgisch gelungene Momente sorgt
wiederum der „Berater“ Alejandro. Benicio del Toro ist hier in
einer maßgeschneiderten Rolle zu sehen, die die Aufmerksamkeit des
Zuschauers bis zum beklemmenden Finale fordert. Letztlich verdient
sich Sicario durch seine tolle Hauptdarstellerin und seine
Ambivalenz aus betörend schönen Bildern und seiner
realistisch-niederschmetternden Grundaussage seinen vorderen Platz
im Oeuvre eines der spannendsten Regisseur der Gegenwart.
8/10
Für Fans von: Traffic – Macht des
Kartells, Zero Dark Thirty
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