Donnerstag, 1. Oktober 2015

Genauer hinschauen







Alles steht Kopf

Im Pixar-Streifen Oben aus 2009 gestaltete Regisseur Pete Doctor die junge Ellie nach dem Vorbild seiner eigenen, gleichnamigen Tochter. Im vorliegenden Film spielte Ellie Doctor nunmehr eine wesentlich entscheidendere Rolle. Basierend auf den Anstrengungen ihres erziehenden Vaters ergründet Alles steht Kopf das Innenleben einer Elfjährigen und erschafft einen der besten, in jedem Fall aber den phantasievollsten Spielfilm des legendären Animationsstudios. Der Grundkonflikt von Alles steht Kopf basiert dann auch auf einer für Familien typischen Veränderung. Riley Andersen zieht es mit ihren Eltern vom ländlichen Minnesota in das Millionenmoloch San Francisco. Der damit einhergehende Verlust von Heimat, Freunden und Hobbys stellt die Heranwachsende vor große Probleme. Und so folgen wir in Alles steht Kopf den fünf Emotionen Freude, Kummer, Wut, Ekel und Angst, die versuchen Rileys neues Leben in geordnete Bahnen zu bringen. Freude mimt dabei die Erzählerin des Films und lässt uns als dauergrinsende Energiebombe in das visuelle Meisterstück eintauchen. Nach einer kurzen Exposition, die dem Zuschauer gerade genug erklärt, damit dieser nicht den Anschluss verliert, nimmt uns Alles steht Kopf direkt mit auf ein bildgewaltiges Abenteuer durch das gigantische Universum namens menschliches Empfinden. Die Komplexität der Emotionen findet dabei in der Story seine greifbare Entsprechung. Die Welt in Rileys Verstand ist schier gigantisch. Besonders auffällig ist dabei die optische Umsetzung der einzelnen Aspekte unserer Gefühlswelten. Nach eigener Aussage wurden Regisseur Pete Doctor und sein Team maßgeblich durch den Besuch der Jelly-Belly-Fabrik inspiriert. Der Film macht dazu auch deutlich, sich nicht mit dem menschlichen Gehirn beschäftigen zu wollen. Eine Reise durch Blutgefäße oder Synapsen wird man daher vergeblich suchen. Stattdessen warf Pixar sein gesamtes animatorisches Talent in die Erschaffung von Themenparks, Filmstudios oder Spielzeugeisenbahnen, die einzelne Abschnitte von Rileys Gefühlswelt darstellen. Das absolute Highlight ist diesbezüglich die bildliche Umsetzung des Abstrakten Denkens, die ich an dieser Stelle jedoch nicht verraten möchte. Was seit jeher die Pixar-Filme auszeichnete, ist ihre universelle Konsumierbarkeit. In ähnlichem, tiefgründigen Maße, wie im uneingeschränkten Meisterwerk Wall-E werden in Alles steht Kopf Erwachsene angesprochen. Der wissenschaftliche Background, auf den die Filmemacher hier zurückgreifen, ist stets spürbar. Auf eine Schwachstelle sei in diesem Zusammenhang hingewiesen. Im dritten Viertel des Films verlässt Alles steht Kopf die eingefahrenen Bahnen etwas zu sehr und reiht schräge Ideen und Abenteuerfilmsequenzen aneinander. Dabei geraten die humorvollsten und spannendsten Sequenzen, die das Zusammenwirken der Emotionen und der Aktionen des handelnden Menschen behandeln, ins Hintertreffen, dazu hätte dem Film hier manche Straffung gut getan. Großartig gelungen hingegen ist einmal mehr der Score des Pixar- Hauskomponisten Michael Giacchino. Seine sphärische Filmmusik, eingespielt mit großem Orchester und zahllosen Klangwerkzeugen, spiegelt die Schwerelosigkeit und grenzenlose Tiefe von Emotionen wieder. Bemerkenswert ist auch, dass die Komposition zu Alles steht Kopf nach A world beyond, Jupiter Ascending und Jurrasic World Giacchinos vierte, epische Filmmusik binnen eines Jahres ist. Eingefleischte Pixar-Fans können sich natürlich wieder auf einen liebevollen Vorfilm freuen. Dazu ist die deutsche Synchronarbeit an Alles steht Kopf sehr sauber gelungen. An dieser wirkten unter anderem Stars wie Kai Wiesinger, Bettina Zimmermann, Olaf Schubert, Hans-Joachim Heist (der dem typischen Sidekick Wut, ein tobendes und schnaufendes, rotes Viereck, seine Stimme gibt), Dietmar Bär, Klaus J. Behrendt und die Youtuber von Y-Titty mit. Somit steht für alle Altersschichten eines fest: Ansehen! 

9/10

Für Fans von: Oben, Wall-E, Toy Story

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