Donnerstag, 7. April 2016

Willkommen in der guten Stube




10 Cloverfield Lane

Mit einem völlig neuen Einsatz von Marketing kam Cloverfield 2008 in die Kinos. Die Mischung aus absoluter Geheimhaltung und erstmals eingesetzten viralen Versatzstücken (so konnten Fans des Films sich vorab mit den MySpace-Profilen der Figuren beschäftigen) wurde mindestens genauso bekannt wie der unterhaltsamer Monster-Horror-Actioner. Der damals federführende Produzent und heutige Star Wars-Mastermind J.J. Abrams überließ Matt Reeves den Regieposten, der Cloverfield als Sprungbrett für seinen bislang erfolgreichsten und besten Film, Planet der Affen: Revolution nutze. Bei 10 Cloverfield Lane ist die Ausgangssituation nun fast identisch. Abrams hielt die Existenz des Films so lange wie nur möglich komplett geheim. Er ließ den Streifen unter wechselnden Namen drehen und veröffentlichte erst 8 Wochen vor Kinostart einen ersten Trailer. Den Regieposten übernahm in diesem Falle der Amerikaner Dan Trachtenberg, für den 10 Cloverfield Lane der erste Kinofilm seiner Karriere ist. Und ihm sei nach dieser Arbeit ein ebenso fruchtbarer Werdegang gewünscht wie Matt Reeves. Denn 10 Cloverfield Lane ist ein innovativer und hochspannender Thriller geworden. Wer sich nach J.J. Abrams Aussage, der Film spiele im selben Universum wie Cloverfield, oder sei dessen Blutsverwandter auf einen weiteren Monsterfilm in Handkameraoptik gefreut hat, wird von 10 Cloverfield Lane enttäuscht werden. Trachtenberg erzählt hier eine klassische Bunkergeschichte, in der Misstrauen, Angst und Ungewissheit den Nährboden für explosive menschliche Beziehungen bilden. Die Prämisse des Films sieht drei Menschen in einer Schutzanlage eingesperrt, die angeblich vor einem chemischen oder nuklearen Fallout schützt. Als scheinbarer Retter in der Not darf John Goodman nach unfassbaren 18 Jahren (Blues Brothers 2000) endlich mal wieder in einer Hauptrolle glänzen. Sein Bunkerchef Howard ist eine herrlich ungreifbare Persönlichkeit, die binnen Sekunden von väterlichem Freund zu besessenem Kontrollfreak und zurück schwankt. Goodmans Performance ist dabei schlicht genial. Als Heldin des Films darf Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt-Star Mary Elisabeth Winstead das neuste Mitglied der Bunkerfamilie geben. Sie wertet die klassische Charakterisierung des verlorenen Mädchens in einem Psychothriller durch ihre Intelligenz und Verschlagenheit deutlich auf. Ihre Figur geht auch dank des tollen Schauspiels über die Opferrolle hinaus. 10 Cloverfield Lane weiß auch technisch aus seiner Kammerspielathmosphäre Profit zu schlagen. Die behutsame Kameraarbeit und die etwas anachronistische Ausstattung der Zufluchtsstätte lassen an eine behütete Kindheit in der guten alten Zeit zurückdenken – ein Punkt der auch in der inhaltlich von Interesse sein wird. Als finsterer Kontrast darf gerne der bedrohliche Score des Serienkomponisten Bear McCreary gelten, der gezielt mit den Nerven des Zuschauers spielt. Bis zum überraschenden Ende dreht Dan Trachtenberg 103 Minuten unbarmherzig an der Spannungsschraube, um schlussendlich leider doch mit einer kleinen Enttäuschung zu enden. Die finale Entwicklung des Drehbuchs, an dem übrigens Whiplash-Regisseur Damien Chazelle mitwirkte, hat für mich doch die beeindruckende Sogwirkung des Films abgeschwächt. Für einen reinen Twist sind die letzten Minuten von 10 Cloverfield Lane zu offensichtlich und breitgetreten, für einen eigenen Handlungsstrang zu hektisch. Was bleibt ist ein großartig gespielter, größtenteils überraschender und optisch toller Thriller, der Lust auf mehr macht. 

8/10

Für Fans von: Misery, Raum, Krieg der Welten

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen