10 Cloverfield
Lane
Mit einem
völlig neuen Einsatz von Marketing kam Cloverfield 2008 in die
Kinos. Die Mischung aus absoluter Geheimhaltung und erstmals
eingesetzten viralen Versatzstücken (so konnten Fans des Films sich
vorab mit den MySpace-Profilen der Figuren beschäftigen) wurde
mindestens genauso bekannt wie der unterhaltsamer
Monster-Horror-Actioner. Der damals federführende Produzent und
heutige Star Wars-Mastermind J.J. Abrams überließ Matt Reeves den
Regieposten, der Cloverfield als Sprungbrett für seinen bislang
erfolgreichsten und besten Film, Planet der Affen: Revolution nutze.
Bei 10 Cloverfield Lane ist die Ausgangssituation nun fast
identisch. Abrams hielt die Existenz des Films so lange wie nur
möglich komplett geheim. Er ließ den Streifen unter wechselnden
Namen drehen und veröffentlichte erst 8 Wochen vor Kinostart einen
ersten Trailer. Den Regieposten übernahm in diesem Falle der
Amerikaner Dan Trachtenberg, für den 10 Cloverfield Lane der erste
Kinofilm seiner Karriere ist. Und ihm sei nach dieser Arbeit ein
ebenso fruchtbarer Werdegang gewünscht wie Matt Reeves. Denn 10
Cloverfield Lane ist ein innovativer und hochspannender Thriller
geworden. Wer sich nach J.J. Abrams Aussage, der Film spiele im
selben Universum wie Cloverfield, oder sei dessen Blutsverwandter auf
einen weiteren Monsterfilm in Handkameraoptik gefreut hat, wird von
10 Cloverfield Lane enttäuscht werden. Trachtenberg erzählt hier
eine klassische Bunkergeschichte, in der Misstrauen, Angst und
Ungewissheit den Nährboden für explosive menschliche Beziehungen
bilden. Die Prämisse des Films sieht drei Menschen in einer
Schutzanlage eingesperrt, die angeblich vor einem chemischen oder
nuklearen Fallout schützt. Als scheinbarer Retter in der Not darf
John Goodman nach unfassbaren 18 Jahren (Blues Brothers 2000)
endlich mal wieder in einer Hauptrolle glänzen. Sein Bunkerchef
Howard ist eine herrlich ungreifbare Persönlichkeit, die binnen
Sekunden von väterlichem Freund zu besessenem Kontrollfreak und
zurück schwankt. Goodmans Performance ist dabei schlicht genial.
Als Heldin des Films darf Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt-Star
Mary Elisabeth Winstead das neuste Mitglied der Bunkerfamilie geben.
Sie wertet die klassische Charakterisierung des verlorenen Mädchens
in einem Psychothriller durch ihre Intelligenz und Verschlagenheit
deutlich auf. Ihre Figur geht auch dank des tollen Schauspiels über
die Opferrolle hinaus. 10 Cloverfield Lane weiß auch technisch aus
seiner Kammerspielathmosphäre Profit zu schlagen. Die behutsame
Kameraarbeit und die etwas anachronistische Ausstattung der
Zufluchtsstätte lassen an eine behütete Kindheit in der guten
alten Zeit zurückdenken – ein Punkt der auch in der inhaltlich von
Interesse sein wird. Als finsterer Kontrast darf gerne der
bedrohliche Score des Serienkomponisten Bear McCreary gelten, der
gezielt mit den Nerven des Zuschauers spielt. Bis zum überraschenden
Ende dreht Dan Trachtenberg 103 Minuten unbarmherzig an der
Spannungsschraube, um schlussendlich leider doch mit einer kleinen
Enttäuschung zu enden. Die finale Entwicklung des Drehbuchs, an dem
übrigens Whiplash-Regisseur Damien Chazelle mitwirkte, hat für
mich doch die beeindruckende Sogwirkung des Films abgeschwächt. Für
einen reinen Twist sind die letzten Minuten von 10 Cloverfield Lane
zu offensichtlich und breitgetreten, für einen eigenen
Handlungsstrang zu hektisch. Was bleibt ist ein großartig
gespielter, größtenteils überraschender und optisch toller
Thriller, der Lust auf mehr macht.
8/10
Für Fans von:
Misery, Raum, Krieg der Welten
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