Sonntag, 24. April 2016

In der Halle des Tonkönigs




Fritz Lang

Zum Ende der 1920er Jahre steckte der deutsch-österreichische Meisterregisseur Fritz Lang in einer Schaffenskrise. Nach den aufreibenden Dreharbeiten zu Frau im Mond und seinem Klassiker Metropolis war er phantastischen Stoffen überdrüssig, dazu begeisterte der aufkommende Tonfilm mit seinen Sing- und Tanzdarbietungen auf der großen Leinwand die Massen. Zu Beginn lehnte Lang diese Art des Filmemachens noch ab, doch die Produzenten der Ufa forderten ein neues Drehbuch, um Lang auch als Tonfilmregisseur zu etablieren. Dass Lang auch durch große private Schwierigkeiten mit seiner Frau und Autorin Thea von Harbou litt, verkomplizierte die Sache noch zusehends. Die Filmhistorie allerdings weiß: 1931 erschien Langs erster Tonfilm. Das Meisterwerk M – Eine Stadt sucht einen Mörder gilt bis heute als herausragender Kriminalstreifen und vorbildliche Auslotung des neuen akustischen Filmmediums. Gordian Mauggs Fritz Lang beleuchtet nun den Weg, den der gebürtige Wiener auf der Suche nach einem neuen Filmstoff zurücklegte. Dabei offenbart sich dem Zuschauer ein äußerst vielfältiges Werk. Maugg zeigt uns hier kein typisches Bio- Pic. Vielmehr entwickelt sich ein interessanter Sog aus der Mischung verschiedener inhaltlicher und technischer Aspekte. Fritz Lang wurde in klassischem 4:3-Format gedreht und kommt in typisch expressionistisch-schwammigem schwarz-weiß daher. Dazu webt Maugg immer wieder Aufnahmen realer Wochenschau- und Dokumentationsfilme, sowie Ausschnitte aus den Filmen Langs in das Geschehen ein. Berlin und Düsseldorf als Handlungsorte kommen extrem düster daher. Fritz Lang fängt somit optisch die Schattenseiten der goldenen 20er ein. Doch auch inhaltlich bleibt der Film dieser dunklen Art treu. Der Exzentriker Lang wird als getriebener Drogenabhängiger mit Vorliebe für Prostituierte gezeigt. Dazu integriert Maugg geschickt die Kontroverse um den Tod von Langs erster Frau Elisabeth Rosenthal in das Geschehen. Langs Charakter bleibt somit letzten Endes genauso rätselhaft wie viele seiner Taten. Vielschichtig beleuchtet gelang der Werdegang des Regisseurs zum paranoiden Besessenen dennoch. Mit zunehmender Spieldauer rücken die Recherchen des Regisseurs über die sogenannte Düsseldorfer Bestie in den Vordergrund, die die Grundlage für den späteren M – Eine Stadt sucht einen Mörder bilden sollten. Im Zwiegespräch mit dem inhaftierten Serienkiller Peter Kürten offenbart sich eine tiefe und abstoßende Faszination Langs für dessen Taten, die ihn noch weiter vom Publikum entrückt. Trotz dieser emotionalen Unwägbarkeiten bleibt die Darstellung Langs durch die tolle Arbeit von Heino Ferch stets beeindruckend. Der Charakterkopf vermittelt die cholerischen sowie stoischen Momente des Protagonisten gleichsam glaubhaft. Abschließend ist Fritz Lang definitiv ein Film für ein cinephiles Publikum geworden. Die Auseinandersetzung mit der Handlungsepoche sollte dem Kinobesuch in Grundzügen vorausgehen. Wer sich auf Fritz Lang einlässt bekommt dann auch ein eigentümlich faszinierendes Kinoessay aus Psychogramm eines innerlich Getriebenen und experimentellem Gesellschaftsporträt der Weimarer Republik zwischen den Nachwehen der Weltwirtschaftskrise und dem Aufflammen der NS-Zeit geboten 

7/10

Für Fans von: M – Eine Stadt sucht einen Mörder, Aviator

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen