Hardcore
Der Sänger
und Gitarrist der russischen Band Biting Elbows, Ilja Naischuller,
ist eigentlich Filmschaffender. Folgerichtig entstand unter seiner
Regie das erste Musikvideo der Band. Der komplett in der Ego- oder
First-Person-Perspektive gedrehte Clip zum Punk-Song Bad
Motherfucker wurde ein viraler Hit und erregte somit die
Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit. Unter der Federführung
von Russlands derzeit erfolgreichstem Hollywood- Export Timur
Bekmambetov (Regisseur von Wanted, Produzent von Unknown User) wurde
Naischuller so sein ersten Langfilm ermöglicht, der den Stil des
Musikvideos übernimmt, als ultrabrutaler Bastard von einem Film
Independent-Filmfestivals aufmischte und nun auf der großen
Leinwand zu erleben ist. Die Story von Hardcore (im Original
sinnvoller Weise nach seinem Protagonisten Hardcore Henry genannt)
ist nicht weiter erwähnenswert und wird im Film schließlich auch
nicht plausibel verfolgt, jedoch ist dies überhaupt nicht das
Ansinnen der Filmemacher und fällt somit auch nicht ins Gewicht.
Hier steht Stil eindeutig über Inhalt. Und dieser ist schlicht
genial. Hardcore wird als erster Kinofilm in der reinen
Egoshooter-Perspektive in die Geschichte eingehen. Doch Naischuller
nutzt diese Technik nicht nur um tolle Bilder zu kreieren (gedreht
wurde übrigens mit einer handelsüblichen GoPro Hero3), sondern
huldigt den großen Ballerspielen der letzten Dekaden und der
klassischen Popkultur an sich. Der Ablauf von Hardcore scheint dann
auch einem Computerspiel entsprungen zu sein. Viele Szenen legen
sich einen levelartigen Aufbau zugrunde. Die wiederkehrend benötigte
Gesundheitsversorgung, verschiedenste Waffengattungen, zufällig
gefundene Items, die die Handlung vorantreiben und zahlreiche
Deus-Ex-Machina-Momente lassen die Herzen von Genrefans höher
schlagen. Der ausufernde optische und akustische Overkill, in dem
dieses Schema eingebettet ist, wird auch über die kompletten 90
Minuten Laufzeit konsequent durchgezogen. Trotz der satirischen
Überhöhung der gesamten Szenerie ist die vergebene
FSK-18-Einstufung damit auch nachvollziehbar gewählt. Da der
eigentliche Hautdarsteller der gewählten Perspektive zufolge
niemals auf der Leinwand zu sehen ist, bleibt dem Zuschauer aus dem
Cast vor allem der Cameo von Hollywood-Legende Tim Roth und das
abgedrehte Overacting des Südafrikaners Sharito Copley in
Erinnerung, für das er in seinen Rollen aus District 9 oder Elysium
noch hart kritisiert wurde, Hardcore nun aber perfekt zu Gesicht
steht. Ein uneingeschränkter Spaß ist der Film dann aber dennoch
nicht geworden. Besonders in der zweiten Hälfte schleichen sich
doch einige Längen ein und bis zum herrlich abgedrehten Finale wird
man auch das Gefühl nicht los bereits mehrere abschließende
Shootouts gesehen zu haben. Die phantasiereiche Detailfülle der
ersten Hälfte zumindest kann nicht durchgehend aufrechterhalten
werden. Und natürlich sei Hardcore Gegnern wackliger Bilder und
schneller Bildfolgen nicht empfohlen. Wer sich diesem Spektakel
allerdings aussetzt wird mit einer zynischen, gewalttätigen Vision
zwischen ambitionierten Fanprojekt und ausufernder Genreproduktion
verwöhnt, die die vielleicht beste Computerspielverfilmung aller
Zeiten ist, obwohl sie nicht auf einem solchen basiert und das Zeug
zum absoluten Kultfilm hat.
7/10
Für Fans von:
Crank 2: High Voltage, Doom
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