Donnerstag, 14. April 2016

Level up!




Hardcore

Der Sänger und Gitarrist der russischen Band Biting Elbows, Ilja Naischuller, ist eigentlich Filmschaffender. Folgerichtig entstand unter seiner Regie das erste Musikvideo der Band. Der komplett in der Ego- oder First-Person-Perspektive gedrehte Clip zum Punk-Song Bad Motherfucker wurde ein viraler Hit und erregte somit die Aufmerksamkeit einer breiten Öffentlichkeit. Unter der Federführung von Russlands derzeit erfolgreichstem Hollywood- Export Timur Bekmambetov (Regisseur von Wanted, Produzent von Unknown User) wurde Naischuller so sein ersten Langfilm ermöglicht, der den Stil des Musikvideos übernimmt, als ultrabrutaler Bastard von einem Film Independent-Filmfestivals aufmischte und nun auf der großen Leinwand zu erleben ist. Die Story von Hardcore (im Original sinnvoller Weise nach seinem Protagonisten Hardcore Henry genannt) ist nicht weiter erwähnenswert und wird im Film schließlich auch nicht plausibel verfolgt, jedoch ist dies überhaupt nicht das Ansinnen der Filmemacher und fällt somit auch nicht ins Gewicht. Hier steht Stil eindeutig über Inhalt. Und dieser ist schlicht genial. Hardcore wird als erster Kinofilm in der reinen Egoshooter-Perspektive in die Geschichte eingehen. Doch Naischuller nutzt diese Technik nicht nur um tolle Bilder zu kreieren (gedreht wurde übrigens mit einer handelsüblichen GoPro Hero3), sondern huldigt den großen Ballerspielen der letzten Dekaden und der klassischen Popkultur an sich. Der Ablauf von Hardcore scheint dann auch einem Computerspiel entsprungen zu sein. Viele Szenen legen sich einen levelartigen Aufbau zugrunde. Die wiederkehrend benötigte Gesundheitsversorgung, verschiedenste Waffengattungen, zufällig gefundene Items, die die Handlung vorantreiben und zahlreiche Deus-Ex-Machina-Momente lassen die Herzen von Genrefans höher schlagen. Der ausufernde optische und akustische Overkill, in dem dieses Schema eingebettet ist, wird auch über die kompletten 90 Minuten Laufzeit konsequent durchgezogen. Trotz der satirischen Überhöhung der gesamten Szenerie ist die vergebene FSK-18-Einstufung damit auch nachvollziehbar gewählt. Da der eigentliche Hautdarsteller der gewählten Perspektive zufolge niemals auf der Leinwand zu sehen ist, bleibt dem Zuschauer aus dem Cast vor allem der Cameo von Hollywood-Legende Tim Roth und das abgedrehte Overacting des Südafrikaners Sharito Copley in Erinnerung, für das er in seinen Rollen aus District 9 oder Elysium noch hart kritisiert wurde, Hardcore nun aber perfekt zu Gesicht steht. Ein uneingeschränkter Spaß ist der Film dann aber dennoch nicht geworden. Besonders in der zweiten Hälfte schleichen sich doch einige Längen ein und bis zum herrlich abgedrehten Finale wird man auch das Gefühl nicht los bereits mehrere abschließende Shootouts gesehen zu haben. Die phantasiereiche Detailfülle der ersten Hälfte zumindest kann nicht durchgehend aufrechterhalten werden. Und natürlich sei Hardcore Gegnern wackliger Bilder und schneller Bildfolgen nicht empfohlen. Wer sich diesem Spektakel allerdings aussetzt wird mit einer zynischen, gewalttätigen Vision zwischen ambitionierten Fanprojekt und ausufernder Genreproduktion verwöhnt, die die vielleicht beste Computerspielverfilmung aller Zeiten ist, obwohl sie nicht auf einem solchen basiert und das Zeug zum absoluten Kultfilm hat. 

7/10

Für Fans von: Crank 2: High Voltage, Doom

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