Sonntag, 24. April 2016

Ein Familienkrieg




A war

Das kleine Land Dänemark spielt seit jeher eine erstaunlich große Rolle im internationalen Kino. Regisseure wie Bille August, Lars von Trier, Nicolas Winding Refn und Susanne Bier sind längst jenseits des großen Teiches erfolgreich, während der ersten Ausbreitung der Filmkunst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde Dänemark sogar als Kinomittelpunkt der Welt bezeichnet. So verwundert es nicht, dass dänische Beiträge regelmäßig ein fester Bestandteil der oscarnominierten Streifen für den besten nicht-englischsprachigen Film sind. Dies war auch 2016 der Fall. A war konnte sich zwar nicht gegen den favorisierten Son of Saul aus Ungarn durchsetzen, sorgte mit seinem außergewöhnlichen Stil aber für viel Gesprächsstoff. A war porträtiert den Kriegseinsatz der dänischen Armee im Afghanistan- Krieg. Am Beispiel des Offiziers Claus Pedersen stellt der Film die großen Fragen nach Schuld und Verantwortung in einem ziellosen, chaotischen Konflikt. Wer sich dabei einen reißerischen Militärthriller amerikanischen Prägung erhofft, wird von A war jedoch enttäuscht werden. Regisseur Tobias Lindholm mischt vielmehr Kriegsfilm und Arthousekino. Denn der Einsatz am Hindukusch ist nur eine von vielen Ebenen, in der A war die Auswirkungen des Krieges auf eine Gesellschaft untersucht. Parallel dazu sehen wir die Leiden der Familie Pedersen, die in Form von Mutter und drei Kindern ihren Alltag mit der ständigen Angst um das Leben des Vaters bzw. Mannes zu bewältigen sucht. Dieser Aspekt kommt vor allem in der Frage nach richtigen Entscheidungen am Ende des knapp zweistündigen Films zum Tragen, während die Nebenhandlung um Maria Pedersen und ihre Kinder den Zuschauer im größten Teil des Films doch leider regelmäßig aus dem Geschehen wirft. Denn das fast dokumentarisch gefilmte Schicksal der Soldaten im Einsatz gibt A war die eigentliche innere Spannung, die den Film trägt. Der Afghanistan-Krieg ist dafür nur als Schablone zu sehen. Lindholm verzichtet auf jegliche örtliche und zeitliche Einordnung, jeder bewaffnete Konflikt könnte in jedem Land und zu jeder Zeit Pate für die Ereignisse stehen. Weiterhin gibt es im gesamten Film nur wenige Augenblicke, die von Musik untermalt werden. Die Kameraführung ist extrem kompakt, durch den intensiven Einsatz der over-the-shoulder Perspektiven fühlt sich der Zuschauer ständig als Teil des Geschehens. Dazu sorgt die minimalistische Ausstattung des Streifens für ein zusätzlich fremdes und beklemmendes Gefühl, das sich besonders in den beängstigend realistisch gefilmten Actionsequenzen frustrierend niederschlägt. Diese bewusste Auslassung und Verdichtung auf inhaltlicher und visueller Ebene stellt den seelischen Zustand des Soldaten in den Mittelpunkt des Geschehens. Da A war jegliche Bewertung des Geschehens vermeidet, überlässt er dem Zuschauer den Umgang mit den eigenen Emotionen selbst. Nicht jeder wird mit dieser Art des Filmemachens einverstanden sein. Doch wer gern über den Tellerrand hinaus schaut, belohnt sich hier mit einem eindrücklichen Drama über die psyschichen Auswirkungen des Krieges und die Stellung des Soldaten in der Zivilbevölkerung, dem es lediglich etwas an Konstanz und Timing mangelt. 

7/10

Für Fans von: Zero Dark Thirty

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