Freitag, 3. Juli 2015

Hahnenkämpfe



Men & Chicken

Wer auch nur einen der drei Spielfilme des dänischen Ausnahmeregisseurs Anders Thomas Jensen kennt, wird auch von seinem neusten Werk Men & Chicken kein typisches, oder gar vorhersehbares Hollywoodkino erwarten. Nach seinem Oscargewinn (1999 für den Kurzfilm Wahlnacht) schickte sich Jensen an, mit Flickering Lights und Dänische Delikatessen morbide und außergewöhnliche Filme aus Dänemark in die weite Welt zu schicken. Mit Adams Äpfel schuf er 2006 schließlich einen modernen Klassiker. Neun Jahre ließ Jensen seine Fans nun auf seine neuste Regiearbeit warten. Und obwohl er in dieser Zeit keinesfalls untätig war (die Drehbücher zum oscarnominierten Nach der Hochzeit und dem großartigen Western The Salvation gehen beispielsweise auf seine Kappe), so ist in Men & Chicken die Hingabe des Regisseurs in jeder Szene greifbar. Jensen nimmt uns einmal mehr in einen untypischen Mikrokosmos voller verschrobener Charaktere mit. Die beiden grundverschiedenen Brüder Gabriel und Elias erfahren durch den Nachlass ihres verstorbenen Vaters, das dieser nicht ihr Erzeuger war. Um diesen ausfindig zu machen, begeben sie sich auf die abgelegene Insel Ork, auf der ihre drei Halbbrüder Gregor, Josef und Franz mit einer Unzahl von lebenden wie ausgestopften Tieren und einigen dunklen Geheimnissen zusammenleben. Ähnlich wie bereits Adams Äpfel ist Men & Chicken stark von biblischen Themen durchzogen. Doch statt der Hiobsgeschichte und der Theodizeefrage präsentiert uns Jensen hier seine eigene, abstrakte Schöpfungsgeschichte. Die Frage nach den Grenzen des Menschseins wird in Men & Chicken (der Titel kann im Übrigen gar nicht wörtlich genug genommen werden) zwar mit humoristischem Unterbau, aber doch nachhaltig gestellt. Neben seiner ausgefallenen Story kann sich der Regisseur ganz auf das starke Ensemble verlassen. Wie in jedem von Jensens bisherigen Filmen übernimmt der dänische Superstar Mads Mikkelsen auch in Men & Chicken die Hauptrolle. Zusammen mit den vier weiteren Hauptcharakteren (die allesamt von bedeutenden dänischen Schauspielern verkörpert werden, von denen mit Illuminati und Kind 44-Darsteller Nikolaj Lie Kaas ein weiteres internationales Schwergewicht auftritt) balanciert Mikkelsens Elias auf dem schmalen Grad zwischen Gutherzigkeit und schierem Wahnsinn. Eine Balance, die der gesamte Film über die Laufzeit von 104 Minuten erstaunlicherweise nicht verliert. In dieses etwas verstörende Gesamtbild fügen sich auch die herrlich schaurigen Kulissen bestens ein. Die Außenaufnahmen für das abgewirtschaftete Domizil der Familie entstanden dabei im ehemaligen Sanatorium und Militärhospital des brandenburgischen Beelitz-Heilstätten. Im Gesamten wird Men & Chicken durch seine eigenwillige Herangehensweise und schwierige Identifikation mit den Figuren sicherlich einige Kinozuschauer abstoßen. Fans abseitiger und ungewöhnlicher Filme sollten jedoch definitiv einen Blick riskieren, da der Streifen seine Figuren trotz aller körperlichen und seelischen Unzulänglichkeiten nie der Lächerlichkeit preisgibt.

7/10

Für Fans von: Adams Äpfel, In China essen sie Hunde

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