Dienstag, 28. Juli 2015

Im Taxi



Taxi Teheran

Jafar Panahis Werdegang steht symbolisch für die Kraft, die die Kunst im Allgemeinen und der Film im Speziellen auch im global vernetzten 21. Jahrhundert noch aufbringen muss, und glücklicherweise auch kann, um gegen Unfreiheit und willkürliche Grenzen Position zu beziehen. Der iranische Regisseur wurde 2010 zu zwanzig Jahren Berufsverbot und einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt, die bis heute ausgesetzt ist. Als Unterstützer der grünen Oppositionsbewegung war er an Filmen beteiligt, die dem Teheraner Regime unliebsam erschienen. So ist auch die Entstehung Panahis neusten Werkes, Taxi Teheran, ein gefährliches Unterfangen geworden. Der Film zeigt den Regisseur zugleich in der Rolle eines Taxifahrers auf seiner Route durch die iranische Hauptstadt. In den 82 Minuten Laufzeit präsentiert uns Panahi einen spannenden Einblick eines weithin abgeschirmten Landes. Mit fortlaufender Spieldauer werden die Fahrgäste des Taxis jedoch weniger zufällig. So sehen wir unter anderem Panahis Nichte im Taxi ihres Onkels, die einen Film für ein Schulprojekt drehen soll. Die Einschränkungen, die von staatlicher Seite schon den Jüngsten bei der Verwirklichung ihrer künstlerischen Ideen im Wege stehen, bilden den zentralen Aspekt des Gesprächs zwischen Onkel und Nichte, sowie des gesamten Films. Diese Aussage wird erneut vertieft, wenn die iranische Menschenrechtsaktivistin Nasrin Sotudeh sein Fahrgast wird. Jedoch ergreift Panahi der Fahrer nie Partei, sondern lässt die Ansichten seiner Insassen immer unkommentiert zum Zuschauer fließen. Mit stoischer Denkermine agiert er vordergründig als Moderator. Doch in der faszinierenden Mischung aus Dokumentation und Fiktion (auch nach dem Film ist es eine Freude zu rätseln, ob Fahrgäste zufällig in das titelgebende Taxi stiegen) offenbaren die Nebenfiguren den Standpunkt des Regisseurs Panahi, die der Taxifahrer Panahi lieber verschweigt. Neben der Kritik am iranischen System zeigt Taxi Teheran auch wiederholt die Liebe seines Machers zum Kino an sich. Neben der thematisch übergeordneten Ebene, die sich auf die problematische Veröffentlichung des Films bezieht (Panahi musste Taxi Teheran, wie seine beiden zuvor gedrehten Streifen Dies ist kein Film und Closed Curtain auf einem USB-Stick außer Landes schmuggeln lassen), wird dies besonders deutlich, wenn ein Schwarzmarkthändler für amerikanische Filme und Serien als Passagier ins Geschehen eingreift. Als kulturelles und politisches Statement ist Taxi Teheran ein enorm gelungener und wichtiger Film. Für Fans klassischen Filmemachens könnte das Kinoerlebnis an sich, bedingt durch die technische Umsetzung, jedoch etwas eingeschränkt sein. Da Panahi fast ausschließlich mit einer schwenkbaren Kamera auf der Mittelkonsole seines Taxis drehte, bekommt der Zuschauer teilweise das Gefühl einer Überwachungskamera zu folgen, manche Abschnitte des Films sind auch ähnlich spannend. Dazu ist die deutsche Synchronisation wirklich ungewohnt. Ob versucht wurde, viel vom iranischen Sprachfluss zu übernehmen, vermag ich nicht einzuschätzen, von einer typischen Gesprächsführung bleibt zumindest wenig. Schlussendlich mindern diese Aspekte den Aussagegehalt des Films jedoch nicht. Ausgezeichnet mit dem goldenen Löwen der Berlinale ist Taxi Teheran einmal mehr ein würdiger Gewinner des politischsten aller Filmfestivals.

8/10

Für Fans von: Argo, Leviathan

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