Donnerstag, 16. Juli 2015

Deutscher Rundumschlag






Heil

Es ist ein ungewöhnlicher und für deutsche Verhältnisse erstaunlich ambitionierter Film, den uns 3 Zimmer/Küche/Bad – Regisseur Dietrich Brüggemann nun in die Kinos bringt. In Zeiten des schier endlosen NSU-Prozesses ist es durchaus lobenswert eine Gesellschaftssatire über Nazis und ihr Bild in der medialen Öffentlichkeit zu produzieren. Sollte es einen zentralen Handlungsstrang in Heil geben, dann behandelt dieser wohl den Berliner Autoren Sebastian Klein. Als Sohn afrikanischer Einwanderer wird er auf Lesetour im fiktiven sächsisch-thüringisch-brandenburgischen Grenzkaff Prittwitz von der örtlichen Nazijugend niedergeschlagen und nach vollständigem Gedächtnisverlust für deren Propaganda eingespannt. Das bereits angedeutete Problem der fehlenden Konzentration auf ein zentrales Geschehen wirkt sich mit zunehmender Laufzeit verstärkt auf den gesamten Film aus. Bis sich zum herrlich abstrakten Finale,in dem sich an der deutsch-polnischen Grenze alle Parteien zum großen Showdown treffen, wirkt Heil oftmals wie eine recht zerstückelte Sketchshow. Zugegebenermaßen sind die einzelnen Szenen mitunter zum Schreien komisch.Unfähige Verfassungsschützer und ihre verzweifelten Versuche geeignete V-Leute anzuwerben, eine scheinbar gebildete Eltie-Nazis, die als selbsternannte Nipster (Nazi-Hipster) dem Zeitgeist folgen wollen und dabei krachend untergehen, Antifa-Leute unter akutem Verfolgungswahn, deren Aktionen ständig an Lustlosigkeit und internen Abstimmungen scheitern und vor allem der alltägliche Wahnsinn in Fernsehtalkshows und auf Social-Media-Plattformen – Brüggemann verwurstet alles und jeden zu einer großen Nummernrevue. Eine satirische Dimension erreicht er dabei leider nicht. Zu allgemein geht Heil gegen jeglichen politischen Extremismus vor. Ein bedrohliches Szenario, das den Zuschauer über den gesellschaftlichen Alltag zwischen Asylpolitik und NPD-Verbot reflektieren lassen würde, fehlt hier. Dazu bewegt sich Heil inszenatorisch nach vielversprechendem Beginn im Als wir träumten-Style (dessen Regisseur Andreas Dresen hat im fertigen Film übrigens eine kleine Rolle) auf betulichen Fernsehfilmniveau. Die Besetzung des Streifens hingegen kann sich durchaus sehen lassen. Neben den etablierten Stars Benno Fürmann und Liv Lisa Fries (Und morgen Mittag bin ich tot), sehen wir in Heil amüsante Gastauftritte unter anderem von Heinz-Rudolf Kunze und Thees Ullmann. Letztendlich ist Dietrich Brüggemann mit Heil ein wahrlich witziger Film gelungen, der aktuelle Themen komödiantisch aufarbeitet, jedoch einiges an Potenzial verschenkt.

6/10

Für Fans von: The Interview, Stromberg – Der Film



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