Dienstag, 28. Juli 2015

Die Liebe in Zeiten des Colts



Slow West

Glücklicherweise gibt niemand mehr etwas auf die veraltete Ansicht, das Westerngenre sei tot. Zwar stammen die jüngsten Filme dieser Gattung in den seltensten Fällen aus dem Stammland USA, doch die Qualität der Streifen lässt wiederholt aufhorchen. So auch im vorliegenden Slow West, dem Regiedebüt des Schotten John Maclean. Um seine große Liebe für sich zu gewinnen, zieht es den 16jährigen Jay von der britischen Insel ins entfernte Amerika. Doch seine Traumfrau Rose, sein Begleiter Silas, sowie die unwirklichen Verhältnisse in der neuen Welt stellen den jungen Romantiker auf eine harte Probe. Slow West gibt uns mit der Liebe als zentrales Motiv einen frischen, fast schon märchenhaften Blick auf den wilden Westen. Passend dazu erleben wir einen naiven Jüngling als Hauptfigur, der weder zynisch noch abgestumpft allen Widrigkeiten entgegentritt, um für seine Werte einzustehen. Einen solchen klassischen Antihelden bekommt er mit Michael Fassbender zur Seite gestellt. Der hochdekorierte Vielfilmer gibt seinen Silas als typischen, raubeinigen Revolverhelden, der Jay, gespielt vom australischen Nachwuchsstar Kodi Smit- McPhee, mit fortlaufender Spielzeit ein treuer und gutherziger Freund wird. Doch es sind die kleinen Episoden und spannenden Randfiguren, die dem ungleichen Paar auf seiner Odyssee geschehen und begegnen, die Slow West so unterhaltsam und ungewöhnlich machen. So treffen Jay und Silas auf den undurchsichtigen Feingeist Werner, eine entflohenes Sklaventrio, das durch seine Musik zu begeistern weiß und eine Großfamilie, die bei Lagerfeuer und reichlich Alkohol abstrakte Gleichnisse zum Besten gibt. In dieses teils sehr melancholische Setting flechtet Regisseur Maclean dann stetig klassische Westernmotive, die von herrlich schrägem, schwarzen Humor kommentiert werden. So bekommen wir Indianerüberfälle, ein Antagonistenteam von Kopfgeldjägern (angeführt von Dauergegenspieler Ben Mendelsohn) und einen schön überdrehten, bleihaltigen Showdown zu sehen. Slow West ist dabei wirklich betörend gefilmt und geschnitten. Die sonnendurchfluteten, farbstrotzenden Panoramabilder bleiben noch lange im Gedächtnis. Dazu bietet der Film trotz seiner ruhigen, geradlinigen Erzählweise in nur 84 Minuten jede Menge Überraschungen und kann zusätzlich mit einer starken, weiblichen Hauptrolle auftrumpfen. Slow West überzeugt somit als überraschend humorvolle Neuinterpretation klassischen Westernstoffes.

8/10


Für Fans von: Todeszug nach Yuma, The Homesman

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen