Freitag, 5. Februar 2016

Wahl & Kampf







Suffragette

Über 100 Jahre sollte es dauern, ehe die britische Suffragetten-Bewegung rund um Emmeline Pankhurst filmisch verarbeitet wurde. Die Brick Lane-Regisseurin Sarah Gavron konnte nun einen Allstar-Cast gewinnen, um den militanten Kämpferinnen für Wahlrecht und Gleichberechtigung der Frau ein cineastisches Denkmal zu setzen. Erzählt wird Suffragette aus der Sicht der einfachen Wäschereiarbeiterin Maud Watts, die angestachelt durch den öffentlichen Protest und die unmenschlichen Zustände an ihrem Arbeitsplatz radikalisiert wird und schließlich ab 1912 an den gewalttätigen Guerilla-Protesten der Woman's Social and Political Union (WBSU) teilnimmt. Durch die Fokussierung auf eine gewöhnliche Arbeiterin wird der aufklärerische Ton des Films natürlich zusätzlich unterstrichen und der Zuschauer hat eine ideale Begleiterin an der Hand, die ihn mit der Materie vertraut macht. Die Schattenseite dieser Praxis ist allerdings seine dramaturgische Gewöhnlichkeit. Überraschungen im Drehbuch lassen in den 107 Minuten Laufzeit auf sich warten. Von deutlich höherem Niveau sind hingegen die schauspielerischen Leistungen. Carey Mulligan beherrscht das Leinwandgeschehen von der ersten Sekunde an und mimt die unterdrückte Werktätige genauso überzeugend wie die aufbegehrende Aktivistin. Auf weiblicher Seite ist dazu noch Helena Bonham Carter mit von der Partie, deren Urgroßvater interessanterweise der zur Zeit der Filmhandlung amtierende Premierminister Lord Herbert H. Asquith und ein absoluter Suffragettenhasser war. Ein Wort an dieser Stelle noch zu Meryl Streep. Sämtliche Trailer und alle Filmplakate geben vor, die Ausnahmeakteurin sei eine zentrale Figur in Suffragette. Ihre tatsächliche Leinwandzeit beträgt jedoch lediglich etwa drei Minuten (Streep hatte insgesamt nur zwei Drehtage). Passenderweise wird ihre Figur, WSBU-Gründerin Emmeline Pankhurst, im Streifen ähnlich mystisch überhöht, wie es auch beim Engagement Meryl Streeps selbst in diesem Fall den Anschein hat. Die männliche Schauspielerriege ist mit Brendan Gleeson und Ben Wishaw ähnlich prominent besetzt. Ersterer verkörpert einen eifrigen Polizisten, der mittels modernster Ermittlungstechnik (es ist historisch belegt, dass zur Zerschlagung der Suffragetten- Bewegung erstmals die fotografische Überwachung einzelner Personen praktiziert wurde) die Proteste untergraben will. Wishaw hingegen bleibt dank des äußerst realistischen Porträts von Mauds Ehemann Sonny Watts als zwischen allen Stühlen Zerriebener im Gedächtnis. Keinen besonderen Gefallen haben sich die Filmemacher allerdings bei ihrer Wahl des Inszenierungsstils getan. Mit hektischen Schnitten und viel Shaky-Cam-Einsatz sollte die eingestaubte Optik von Historienfilmen modern durchbrochen werden. Dieser Effekt ist jedoch für den Zuschauer letztendlich nicht nachvollziehbar sondern nur ärgerlich. Wie wichtig die filmische Aufarbeitung des Stoffes in Großbritannien dennoch zu seien scheint, beweisen abschließend noch zwei Fakten. Zum einen wurde der oscargekrönte Komponist Alexandre Desplat für die Erschaffung des Scores gewonnen, zum Zweiten ist Suffragette der erste Film überhaupt, der von der britischen Regierung die Erlaubnis erhielt im Unterhaus des Palace of Westminster zu drehen. Mit all diesem Background hätte Suffragette ein außergewöhnliches Porträt außergewöhnlicher Frauen werden können, kann sich aber durch das ideenarme Drehbuch und die technische Umsetzung auf besserem TV- Niveau trotz seiner tollen Darsteller nicht aus dem filmischen Durchschnitt erheben.

6/10

Für Fans von: Pride, Die Asche meiner Mutter

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