Mittwoch, 10. Februar 2016

Die Jagd nach Ruhm und Hühnern



Creed

Sportfilme haben oft das Problem, dass sie sich nur mit deutlichen Abstrichen wiederholt ansehen lassen. Der Ausgang des finalen Kampfes oder des finalen Spiels zwischen einzelnen Athleten oder Teams ist bekannt, der Fokus auf das Geschehene lässt sich durch die Konzentration des Streifens auf dieses Duell nicht reproduzieren. Creed ist nun eine der großen Ausnahmen dieser Eigenart. Regisseur Ryan Coogler ist es zu verdanken, dass wir hier ein erwachsenes Drama vorgelegt bekommen, welches die Beheimatung in der Boxsportszene nur als Aufhänger für die brilliant geschriebene Charakterstudie eines jungen Sportlers und seines alternden Trainers nutzt. Wenn Apollo Creeds Sohn, Adonis, auf die Nemesis seines Vaters, Rocky Balboa trifft, wird in der Logik der Rocky-Serie als auch in der filmhistorischen Realität ganz natürlich häufig von Vermächtnis gesprochen. Nicht umsonst wird der deutsche Verleihtitel des Films mit dem Zusatz Rocky's Legacy vervollständigt. Doch Coogler und seine Hauptdarsteller umschiffen die allzu martialische Ehrerbietung, die dieser Thematik in ähnlich gelagerten Filmen gern innewohnt. Zum einen sehen wir da Michael B. Jordan, der schon im Erstling des Regissuers, Fruitvale Station, auf sich aufmerksam machte. Als Amateurboxer mit schwieriger Herkunft ist er auf der ständigen Suche nach Selbstverwirklichung und einer Vaterfigur. Der Fantastic Four- Darsteller lässt seinen Ausrutscher im vergangenen Jahr durch eine enorme Physis und ein sehr nuanciertes emotionales Spiel, das mich häufig überraschte, schnell vergessen. An seiner gibt Sylvester Stallone bereits zum siebtem Mal, die von ihm erschaffene Kultfigur Rocky Balboa. 39 Jahre nach seiner Oscarnominierung für Rocky wäre dem New Yorker der Goldjunge für den besten Nebendarsteller in diesem Jahr wirklich zu wünschen. Sein feines Spiel lässt den zurückgezogenen, ehemaligen Star, der den Großteil seiner Freunde und Familienangehörigen überlebt hat, stets greifbar und realitätsnah wirken. Treffen Stallone und Jordan nun in Creed aufeinander, sind dies die definitiv besten Szenen des Films. Wer nun sperrige Kost zum Thema Vergangenheitsbewältigung erwartet, kann dennoch aufatmen. In den 134 Minuten Laufzeit wird viel trainiert, geboxt und gelitten. Die Stationen, die Adonis und Rocky im Verlauf der Handlung abarbeiten, sind dem klassischen Sportfilm entnommen – hier sei einmal mehr Regisseur Coogler gedankt, der durch eine perfekte Balance der einzelnen Storyelemente dem Zuschauer das Gefühl gibt, nur 90 Minuten im Kino verbracht zu haben. Verstärkt wird diese tolle Empfindung zusätzlich durch den emotionsgeladenen Score des jungen Schweden Ludwig Göransson. Der Wir sind die Millers-Komponist lässt sich in seiner Arbeit nicht von der berühmten Rocky-Musik Bill Contis einschüchtern, sondern geht mit großer Orchestrierung und viel Pathos einen eigenen stimmigen Weg, der besonders in Verbindung mit der tollen Kameraarbeit der Französin Maryse Alberti in den Boxszenen den Zuschauer vollständig mitreißt. Letztere hat im Übrigen mit The Fighter schon ein ähnlich hochwertiges Sportdrama gefilmt. Und auch die Fotografie in Creed lässt das raue Leben in den Straßen Philadelphias und die aufgeheizte Stimmung in den Boxrings spürbar werden. Creed ist somit in jeder Hinsicht ein überraschend guter Film geworden. Kein perfektes, aber ein nahezu fehlerloses Werk, das die Fans der Rocky-Klassiker ebenso zufriedenstellen wird, wie Freunde detaillierter Figurenentwicklung.

8/10

Für Fans von: Rocky, The Fighter, The Wrestler, Warrior

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