Donnerstag, 31. Dezember 2015

Jahresrückblick


Das nun vollendete Jahr hatte es filmisch in sich. Ungewohnt schwer war es daher für mich eine Top Ten der definitiv besten Streifen zu finden. Wie gewohnt habe ich mich dabei nicht an die versucht objektiven Kritiken gehalten, sondern die Platzierungen viel eher nach dem Gefühl gewählt, das der Kinobesuch bei mir auslöste. Beeindruckt war ich so zum Beispiel davon, wie sehr mir bestimmte Bilder auch nach langer Zeit nicht aus dem Gedächtnis gehen. 6 von 10 Filmen starteten im ersten Halbjahr 2015 in den deutschen Kinos. Einige Filme, die mich tief beeindruckten können in dieser Liste natürlich keine Erwähnung finden. Die schiere Masse von 115 bewerteten Streifen lässt das nicht zu. Die großartigen Kritiken, die beispielsweise Alles steht Kopf, Spy, Leviathan, Selma oder Avengers 2 bekamen, soll dies nicht schmälern. Es gab lediglich 10 (15 inklusive der besonderen Nennungen) Filme, die mich tiefer berührten, schamloser unterhielten oder im besten Sinne fassungslos den Kinosaal verlassen ließen.



Platz 10
Mission: Impossible – Rogue Nation
Ein nahezu perfekter Actionfilm, der seinen großartigen Vorgänger Phantom Protokoll sogar noch überflügelt. Endgültiger Abschied von der Tom Cruise-One-Man-Show. Einem starken Drehbuch verdanken wir den tollen Gegenspieler und die großartige weibliche Hauptrolle, die der Serie so gut bekamen. Dazu voller legendärer Stunts und cooler Oneliner.

Platz 9
Kingsman – The Secret Service
Persiflage, Verneigung und Neuausrichtung des Agentenfilms in einem. Britischer gehts nicht. Völlig durchgeknallte Actionszenen, ein überragender Colin Firth als Kampfsportass und eine enorme Gagdichte machen aus dem brutalen Actionthriller und dem Spiel mit Zitaten und Querverweisen eine unvorhersehbare Mischung.

Platz 8
Me & Earl & the dying Girl
In Deutschland unter Ich & Earl & das Mädchen veröffentlicht. Sonst schlicht genial. Bittersüßes Krebsdrama voller liebenswerter Charaktere, verschrobener Ideen und viel, viel Stoff für Filmfans. Niemals kitschig und voller innovativer Einfälle, toller Jungdarsteller und technischen Spielereien. Ein echter Geheimtipp!

Platz 7
Wild Tales
Für mich die Überraschung des Jahres. Bitterböse Farce aus Argentinien, die in fünf Episoden die vorherrschende Korruption und irrgeleitete Bürokratie des Landes mit der menschlichen Zerstörungswut aufeinandertreffen lässt. Technisch tadellos und zum Schreien komisch. Ein großartiges Werk über den Punkt in uns, den man besser nicht überschreitet.



An dieser Stelle 5 Filme, die ich in diesem Jahr besser nicht gesehen hätte:

Kind 44
Unstrukturierte und völlig misslungene Buchverfilmung, die eine Mordserie in der stalinistischen Sowjetunion thematisiert. Ein gutes Dutzend Topstars wird in diesem zugleich langweiligen und hoffnungslos überfrachteten Thriller verheizt.

The Gunman
Auch hier scheitert ein prominent besetzter Film an seinem miserablen Drehbuch. Wirres Konstrukt aus Rachethriller, Actionfilm und Drama um die Neukolonialisierung Afrikas durch Großkonzerne. Und wir haben es verstanden: Sean Penn hat jetzt Muskeln.

What the Fuck heißt redirected?
Kläglicher Versuch, den Geist der Filme Guy Ritchies einzufangen. Überflüssig, langweilig und nicht im entferntesten cool. Neben dem bescheuerten Titel bleibt die große Frage, wie solch ein billiger Schund einen Verleih finden konnte.

Fantastic Four
Ein Film, über den alles schlechte bereits gesagt wurde. Eine aufstrebende Riege an Jungstars wurde hier zum Spielball der Streitigkeiten zwischen Regisseur und Produktionsstudio. Ein Marvel Film auf steinerweichend schlechtem technischen Niveau ohne Stan Lee-Cameo und Post-Credit-Scene.

96 Hours - Taken 3
Eine Beleidigung. Nicht nur für einen jeden Actionfan, sondern direkt für jeden Kinogänger. Liam Neeson hat hier gefühlt weniger Leinwandzeit als sein Stuntdouble. Dazu bleibt rätselhaft, wie Oscargewinner Forest Whitaker in diesen Schund gelockt werden konnte. Erbärmlich gefilmt und geschnitten und überraschend wie Regen im November.



Platz 6
Der Marsianer
Der Marsianer ist perfekte Unterhaltung. Nach einer langanhaltenden Durststrecke schöpft Altmeister Ridley Scott hier noch einmal aus den Vollen und präsentiert uns die perfekte Mischung aus nervenzerfetzender Spannung und launigem Humor. Klassisch-schön inszeniert ist Der Marsianer einer der Filme, die man stetig neu erleben will, um sich anschließend besser zu fühlen.



Platz 5
Mad Max: Fury Road
Altmeister Teil 2. Die Wenigsten hätten wohl für möglich gehalten, dass George Miller seine kultige Trilogie derart wirkungsvoll fortsetzt. Mit einem stillen Helden und der vielleicht besten weiblichen Actionikone seit Linda Hamilton ist Mad Max: Fury Road das optisch extravaganteste und beeindruckendste Stück Actionkino des Jahres.



Platz 4
Steve Jobs
In klassischer Dreiaktstruktur zeigt uns Danny Boyle den Mythos hinter der Apple-Legende. Herausragend dabei: das Drehbuch von Aaron Sorkin, der eine zweistündige Dialogschlacht gleichsam zur tiefgründigen Charakterstudie und zu packender Unterhaltung formt. Dabei ist Steve Jobs grandios gespielt. Michael Fassbender, Kate Winslet, Jeff Bridges und Seth Rogen sind allesamt eine echte Offenbarung in ihren Rollen.



Nun 5 Filme, die das Rennen um die vordersten Plätze knapp verfehlten, allesamt jedoch uneingeschränkt empfehlenswert sind:

Star Wars Episode VII: Das Erwachen der Macht
Knallbunt, perfekt inszeniert und auf höchstem Level unterhaltsam, hab ich Star Wars VII die Auflistung in der Top Ten nur verweigert, da sich Regisseur J.J. Abrams zu sehr auf bewährtes verlässt und die großen Fragen der Handlung auf weitere Teile verschiebt. Eine großartige Fortsetzung der Saga bleibt der Film allemal.



Slow West
Der beste Westernfilm des Jahres. Ähnlich wie schon The Homesman und The Salvation in den Jahren zuvor, hält Slow West das amerikanische Ur-Genre dank konsequentem Unterlaufen der Erwartungen am Leben. Wenn verantwortliche Studios nun noch an die Schönheit der Bilder und der Geschichten glauben würden, wäre ich äußerst erfreut.



Sicario
Ein mitreißender und kompromissloser Drogenthriller, der von technischer Seite unter die Top 3 des Jahres gehört, mit seiner ungewöhnlichen Erzählweise jedoch polarisiert. Prädestiniert für Preise in Dingen Kameraarbeit (Roger Deakins) und Score (Jóhann Jóhannsson).



Ex Machina
Ein Beleg für die Vielseitigkeit des Science-Fiction-Genres. Inhaltlich höchst spannend und brandaktuell. Zusätzlich absolutes Aushängeschild für die Fähigkeiten von Oscar Isaacs, Alicia Vikander und Domnhall Gleeson - drei DER Gesichter des Jahres. Wurde platzierungstechnisch von einem großartigen Jahrgang überrollt.



Carol
Meine schwierigste Entscheidung. In der Kritik für seine künstlerische Perfektion gelobt. Technisch absolut unantastbar und mit zwei der besten Performances des Jahres von Cate Blanchette und Rooney Mara. Lädt lediglich durch seine Sperrigkeit nicht in dem Maße zum wiederholten Schauen ein, wie die besser platzierten Streifen.



Platz 3
Victoria
Einen deutschen Film derart hoch einschätzen zu dürfen, erfreut mich ungemein. Der komplett in einem Take gedrehte Victoria ist vielmehr eine Grenzerfahrung als ein klassischer Film, geht tief durch Mark und Bein und berührt auf allen vorstellbaren Ebenen. Ein Erfolg der Kunst, den jeder einmal gesehen haben muss, auch wenn es Zeit und Überwindung kosten mag.



Platz 2
Birdman (oder die Unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)
Der Oscarabräumer des Jahres. Alejandro Gonzáles Iñáritu schafft in dieser Showbiz-Staire Einmaliges. Perfekt besetzt, eindrucksvoll fotografiert und voller vielschichtiger Dialoge, die jeden Zuschauer gleichsam begeistern und in seiner Manipulierbarkeit entlarven. Michael Keaton in der Rolle seines Lebens. Birdman lädt zum erneut Erleben und Weiterentdecken ein.



Platz 1
Whiplash
Kein anderer Film hat mich derart beeindruckt und, ob des gerade Gesehenen, geradezu erschlagen zurückgelassen. Aus einer einfachen Lehrer-Schüler-Geschichte zaubert Regisseur Damien Chazelle dank seiner Hauptdarsteller Miles Teller und J.K. Simmons und einem brillianten technischen Stab (der folgerichtig doppelt oscargewürdigt wurde) ein Meisterstück von unfassbarer Emotionaler Fallhöhe. Ein absolutes Muss für jeden, der Filme nicht nur zur Berieselung schaut.



2 Kommentare:

  1. Mad Max von Ridley Scott? O.o ;)
    Ansonsten schöne Zusammenstellung, besonders wegen "Wild Tales"

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    1. Oh, danke. Schön, dass es jemandem aufgefallen ist. Wäre doch aber auch lustig gewesen, oder nicht?

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