Donnerstag, 10. Dezember 2015

Brücken statt Mauern



Bridge of Spies

Als Märchenonkel für Groß und Klein machte sich Steven Spielberg einen Namen in Hollywood. Werke wie Jäger des verlorenen Schatzes, E.T. oder Jurassic Park zeugen bis heute davon. In den fast 50 Jahren seines Schaffens hat sich der Altmeister stets eine kindliche Freude am Entdecken und eine zynismusfreie Herangehensweise an seine Filme bewahrt. Die Selbstverständlichkeit, mit der wir neue Spielberg-Filme genießen können, macht nun auch Bridge of Spies, trotz seines im Kern trockenen Themas, zu einer warmherzigen und dennoch wahrhaftigen Angelegenheit. Die Geschichte des Anwalts James Donovan, der im Berlin des Jahres 1961 zwischen die Fronten des Kalten Krieges gerät, hätte in den falschen Händen schnell klischeeüberladen oder schlicht langweilig werden können. Doch auf Spielberg und sein Team ist einmal mehr Verlass. Die stattliche Laufzeit von 142 Minuten ist dem stringent erzählten Film nicht anzumerken. Ein beachtlichen Anteil daran hat das toll ausbalancierte Drehbuch, das die vielen Charaktere, deren Abhängigkeiten und versteckten Motive sowie die eigentliche, klassische Agentengeschichte stets für den Zuschauer nachvollziehbar aufbaut. Spannenderweise waren die Coen-Brüder treibende Kraft hinter dem Script. Des Weiteren sorgen die hervorragenden schauspielerischen Leistungen für großes Kinovergnügen. An vorderster Front steht mit Tom Hanks der Prototyp des aufrichtigen und vertrauensvollen Jedermanns. Der zweifache Oscarpreisträger gibt hier den von ihm bereits in Der Soldat James Ryan, Der Krieg des Charlie Wilson oder Captain Philipps perfektionierten durchschnittlichen Mann in einer außergewöhnlichen Situation. Fein nuanciert und nie aufdringlich begleitet ihn das Publikum durch die verwirrende Welt der Geheimdienste. An Hanks Seite dürfen in dieser deutschen Co- Produktion (gedreht wurde unter anderem in Potsdam, an der Glienicker Brücke und auf dem Flughafen Tempelhof) auch einheimische Schauspieler mitwirken. So erinnert uns Sebastian Koch als Vertreter des Justizapparates der DDR, welchen minimalen Einfluss der zweite deutsche Staat im Aufeinandertreffen der Großmächte doch hatte, während Burghardt Klaußner und Jungstar Max Mauff (Victoria, Stromberg - Der Film) in reinen Komödienrollen den humoristischen Grundton des Films unterstreichen. Die beeindruckendste Performance des Streifens liefert jedoch Mark Rylance ab. Der britische Theaterschauspieler (einigen vielleicht aus Intimacy bekannt) ist als sowjetischer Spion der Stein des Anstoßes in Bridge of Spies. Doch gerade im großartigen Zusammenspiel mit Tom Hanks offenbaren sich Schicht um Schicht gleichsam die Lächerlichkeit der Spionage und Gegenspionage, sowie die ureigensten Werte der Menschlichkeit, die im wahrsten Sinne des Wortes Mauern überwinden. Dank Spielbergs Stammkameramann Janusz Kaminski (Oscars für Schindlers Liste und Der Soldat James Ryan) und einer authentischen bildlichen Entsprechung für die Paranoia der Hochphase des Kalten Krieges, sieht Bridge of Spies durchgehend hochwertig aus. Lediglich der gesundheitsbedingte Tausch der Komponisten macht sich negativ bemerkbar. Für John Williams übernahm Thomas Newman, dessen schwülstiger Score allerdings deutlich zu melodramatisch gelang. Bridge of Spies kann abschließend dank großartiger Darsteller und der Perfektion seines Regisseurs gleichzeitig als Unterhaltungsfilm und pazifistisches Lehrstück überzeugen.

8/10

Für Fans von: JFK – Tatort Dallas, Wer die Nachtigall stört, Argo

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