Donnerstag, 3. Dezember 2015

Jesus und der Waschsalon



Das brandneue Testament

Was wäre, wenn Gott existiert? Wenn er als saufender Abschaum seine Familie terrorisiert und mit Freuden den Menschen Leid zufügt? Wenn er zu allem Überfluss noch in einer heruntergekommenen Wohnung in Brüssel lebte? Diese Fragen sind nun der Aufhänger für Das brandneue Testament. In einer fantasievollen Mischung aus Religionssatire, Liebesgeschichte und Märchen erzählt uns Regisseur Jaco van Dormael die Geschichte von Gotts Tochter Éa, die wie ihr Bruder Jesus, im Film konsequenterweise JC genant, aus der familiären Hölle ausbricht und beschließt selbst auf die Suche nach Aposteln und einem neuen Testament zu gehen. Dem zuvor geht allerdings ein von Éa verursachtes Chaos, das entsteht, als sie zur Schmach ihres Vaters, allen Menschen ihr Todesdatum zusteckt. Aus diesem skurrilen Versatzstücken zimmert uns van Doramel nun ein nicht immer schlüssiges, aber sehr einnehmendes Gedankenkonstrukt. Nun wird Das brandneue Testament keine Welle der Verdammnis von Seiten der katholischen Kirche provozieren, wie es einst Dogma tat, die sehr weiblich betonte Herangehensweise an den Stoff weiß aber durchaus auch Religionskritikern zu gefallen. Die Story wird passend dazu in biblisch bekannte Kapitel geteilt. Vor der Suche nach ihren Aposteln erzählt uns Éa von der Genesis und ihrem persönlichen Exodus. Die ungewöhnliche Storyline wird das Publikum dennoch sicherlich spalten. Van Doramels Inszenierung weiß hingegen durchweg zu begeistern. Der zentrale Einfluss im Stil des Films kommt zweifellos vom Theater. Besonders die großartige Kameraarbeit von Christophe Beaucarne (Gemma Bovery, A royal night) und die bühnenbeeinflussten Bauten zeugen davon. Ein auch inhaltlich enorm wichtiger Faktor des Films ist die Musik, deren Rolle ein jeder bestenfalls selbst im Kino entdeckt. Aus dem hierzulande fast gänzlich unbekannten Cast sticht erfreulicherweise die erst 10jährige Hauptdarstellerin Pili Groyne heraus. Ihre Éa ist das im Film beschworene Bild der unschuldigen Jugend. Das Nachwuchstalent schultert diese Verantwortung bravurös. Eine Erwähnung soll an dieser Stelle auch noch Leinwandikone Catherine Deneuve erhalten, die in einer besonders aberwitzigen Episode eine Apostelin spielt. Trotz der vielen positiven Eigenschaften des Films, wird Das brandneue Testament nicht jedermanns Sache sein. Doch wer sich von einer sperrigen Erzählung nicht abschrecken lässt und innovative Arthousefilme mag, sollte definitiv einen Blick riskieren.

7/10

Für Fans von: Being John Malkovich, Alice im Wunderland, Moonrise Kingdom



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