Mittwoch, 30. Dezember 2015

Erkenntnis des Tages: Finger weg



Ich bin dann mal weg

Der immense Erfolg der Vorlage lässt nur eine Frage zu: Warum dauerte es derart lang, bis clevere Produzenten eine Verfilmung von Hape Kerkelings Ich bin dann mal weg realisierten? Nach dem Kinobesuch stelle ich mir allerdings eine ganz andere Frage: Warum musste es nun ausgerechnet diese sein? Der Volkskomiker löste mit seinem 2006 erschienenen Reisebericht eine neue Welle des Pilgerns aus. Die amüsante Sinnsuche verkaufte sich mehr als 5 Millionen mal und ist bis heute das erfolgreichste deutsche Sachbuch seit 1949. Und auch Julia von Heinz Kinoadaption findet abseits der zur Zeit grassierenden Star Wars-Manie viele Fans. Doch der Film tut leider vieles, um sich entgegen seiner Vorlage nicht im kollektiven Gedächtnis der Kinonation einzurichten. Bei einer Laufzeit von knappen 92 Minuten sollte man eigentlich einen kurzweiligen Unterhaltungsfilm erwarten. Doch das einfallslose Drehbuch lässt viele Passagen des Films sehr zäh wirken. Das treibende Element der Geschichte ist ausschließlich der Jakobsweg selbst, aus den Figuren entsteht keinerlei Spannung; vorhersehbare Entwicklungen auf Seifenopernniveau versucht uns der Film als bedeutende, dramatische Momente zu verkaufen. Wenn die Geschichte um Kerkeling und seine Mitwanderer letzten Endes Fahrt aufnimmt, ist Ich bin dann mal weg auch schon wieder gelaufen. Erst im finalen Viertel findet der Film zu unterhaltsamer Form. Dazu war mir die Optik des Streifens ein steter Dorn im Auge. Von Heinz und ihr Team gestalten den vermeintlich körperlich wie spirituell herausfordernden Jakobsweg in weichgezeichneten Pastellfarben und schmalziger Postkartenromantik. Außerdem wird der Kinobesucher eineinhalb Stunden mit nervigsten Streicher- und Akustikgitarrenklängen bombardiert, die pausenlos jede Szene künstlich dramatisieren. Jegliche Möglichkeit zu Reflexion oder inneren Einkehr wird so zunichte gemacht. Einem Film, der sich religiöse Selbstfindung auf die Fahnen schreibt, bekommt dies natürlich äußerst schlecht. Lobend hervorheben muss ich hingegen das uneingeschränkt gut gecastete Schauspielensemble. Allen voran Devid Striesow ist als Hape Kerkeling in jeder Szene glaubwürdig. Er verkörpert den Entertainer mit dem Wunsch nach einem Lebenswandel nachvollziehbar und entsprechend zurückgenommen. An seiner Seite bleibt vor allem die eifrige Fernsehdarstellerin Karoline Schuch als gelangweilte Journalistin in Erinnerung, die für die humoristischen Töne verantwortlich ist. Völlig verschenkt ist hingegen Kultschauspielerin Katharina Thalbach, die als Kerkelings Oma mit komplett überdrehtem Ruhrpottdialekt die ohnehin schon schwächsten Szenen des Films vollkommen unerträglich macht. Denn Julia von Heinz verfremdet die Geschichte zusätzlich mit Episoden aus Kerkelings Jugendzeit. Zur eigentlichen Haupthandlung tragen diese jedoch nicht das Geringste bei. Dem kritischen Blick auf die Auswirkungen des Showbusiness Kerkelings glorreichen Aufstieg zum Star entgegenzusetzen, ist dementsprechend auch komplett kontraproduktiv. Somit retten nur die gut aufgelegten Schauspieler Ich bin dann mal weg vor dem kompletten Fiasko.

4/10

Für Fans von: Hin und weg, Dein Weg

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