Mittwoch, 22. April 2015

Gesichter der Hoffnung



Judgment – Grenze der Hoffnung

Die Grenze zwischen Bulgarien und der Türkei hat eine besondere geschichtliche Bedeutung. Am sogenannten Judgment-Felsen, der dem vorliegenden Film seinen Namen gab, wurden schon während der Antike Opferriten durchgeführt. Regisseur Stephan Komandarev beschäftigt sich in Judgment jedoch mit der jüngeren Vergangenheit dieser Brücke zwischen den Kulturen. Am Beispiel des bulgarischen Milchfahrers Mityo und seines Sohnes Vasko erzählt Komandarev von Hoffnungen auf ein besseres Leben unter wechselnden politischen Systemen. Denn es war Mityo, der nun aus Geldnot einen Job als Schleuser für syrische Flüchtlinge in die EU übernimmt, welcher zur Zeit des kalten Krieges seine Landsleute und Bürger aus anderen Ostblockstaaten an der Flucht in die westliche Türkei hindern musste. Der 18jährige Vasko macht sich nun auf die Suche nach den Untaten, die die Generation seines Vaters belasten, während dieser erneut in die Fänge des sadistischen Kapitans gerät, der schon in der Militärzeit sein Vorgesetzter war. Zugleich wird in Judgment auch die gegenwärtige soziale Situation im ländlichen Bulgarien thematisiert. Zerfallene Dörfer und verbitterte Männer prägen das Bild im ärmsten aller EU-Staaten. Wir erfahren auch von Frauen, denen die eigene Ausreise Hoffnung gab. Wie die Mutter von Vaskos Freundin, die inzwischen als Pflegerin in Italien arbeitet, ihre Familie jedoch seit 4 Jahren nicht sah. Es sind die verschiedenen Abstufungen von Perspektivlosigkeit zwischen dem syrischen Bürgerkrieg und dem Mangel an Arbeit und Zuversicht der Bulgaren, die in Judgment eine starke Spannung aufbauen. Vor allem in der zweiten Hälfte des Films, in der der jugendliche Vasko aktiver in die Vergangenheit seines Vaters eintaucht, bekommt Jugdment eine partielle Thrillerhandlung, die den Zuschauer mitfiebern lässt. Hier muss Regisseur Komandarev jedoch auch aufpassen, dass die eingeflochtene Liebesgeschichte Mityos zu seiner Nachbarin den Filmfluss nicht ausbremst. Dazu wirkt das Finale auch etwas überkonstruiert. Die schauspielerischen Leistungen sind hingegen allesamt tadellos. Judgment ist durchweg mit großen bulgarischen Namen besetzt, aus denen Miki Manojlovic als skrupelloser Schleuser noch einmal herausragt. Der in Largo Winch bereits international in Erscheinung getretene Charaktermime, gibt seinem Kapitan eine perfide Note, die den Zuschauer gleichsam fasziniert und abschreckt. Judgment wird sicher kein breites Publikum ins Kino locken. Wer einen Blick riskiert wird jedoch einen sehr ordentlichen und vor allem brandaktuellen Film geboten bekommen, der tatsächlich Hoffnung in die Flüchtlingsproblematik bringen kann.

8/10


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