Dienstag, 31. Januar 2017

Alles extra dick




Mein Blind Date mit dem Leben

Zwei Dinge sind mir seit der Sichtung von Mein Blind Date mit dem Leben besonders negativ im Gedächtnis geblieben, zwei Dinge, die man sonst eher aus amerikanischen Filmen kennt. Zum einen haben es die Produzenten der Komödie geschafft, einen völlig belanglosen und zugleich störenden Halbsatz als Filmtitel zu wählen. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass der Name Mein Blind Date mit dem Leben an sich irgendwo Interesse an der, in groben Zügen wahren, Geschichte des Saliya Kahawatte hervorrufen könnte. Womit wir direkt beim zweiten großen Problem wären. Der Vater des Protagonisten stammt aus Sri Lanka, Bilder des realen Saliya Kahawatte werden in den Credits eingeblendet. Kostja Ullmann wird dem südasiatischen Äußeren seiner Figur zu keiner Zeit gerecht. Unabhängig von schauspielerischen Leistungen ist dieser Film ein erschreckendes Beispiel für Whitewashing. Doch ganz von vorne. Saliya hat einen großen Traum: Der schüchterne Teenager möchte aus der bayrischen Provinz ausbrechen und in einem Luxushotel arbeiten. Seine fast vollständige Blindheit steht ihm dabei allerdings ständig im Wege. Also verheimlicht er diese und gelangt so an einen Ausbildungsplatz. Mein Blind Date mit dem Leben verlässt im Folgenden niemals eingefahrene Gewässer. Die Story ist einfach, glattgebügelt und vorhersehbar erzählt. Ein Beispiel dafür: Salyia wird von den Drehbuchautoren eine Drogensucht anerkannt, die dramaturgisch ins Bild passt, jedoch schnell wieder aus dem Blickfeld verschwindet und so nur als kurzfristige Stressbewältigung inszeniert wird. Dass der wirkliche Saliya mehrere gescheiterte Suizide überlebte, verschweigt solch ein banales Feel-Good-Movie lieber. Weiterhin hat man in vielen Passagen der 111 Minuten Laufzeit den Eindruck, einen Musikfilm zu sehen. Ich kann nicht ansatzweise sagen, wie viele schmalzige Pop- und Folksongs klischeehafte Montageszenen untermalen. 50 scheint mir allerdings nicht zu hoch gegriffen. Saliyas Romanze mit einer Gemüselieferantin bleibt dabei komplett uninteressant, raubt aber im letzten Drittel jede Menge Screentime. Denn es gibt tatsächlich einige wenige Aspekte, die Mein Blind Date mit dem Leben erträglich werden ließen. Der Film ist dank guter Darsteller und deren Zusammenspiel wirklich charmant gelungen und kann als ambitioniert angesehen werden. Die Arbeit im Hotel ist verhältnismäßig realitätsgetreu nachgestellt worden, die gezeigten Arbeitsbedingungen sind nicht unwahrscheinlich. Die nackte, ältere Dame im Roomservice, die schlecht polierten Gläser im Bardienst und zahlreiche andere Hotellerie- und Gastronomieklischees muss der Kinofreund allerdings auch hier durchstehen. Und so wird Mein Blind Date mit dem Leben mit seinen Hochglanzbildern, dem unsachgemäßen Casting, seinen schwülstigen Motivationsreden über Träume und Hoffnungen und seinem unfassbar nervigen Soundtrack einfach vergessen werden. 

4/10

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