Manchester
by the sea
Manchester-by-the-sea
ist eine ruhige Kleinstadt im US-Ostküstenstaat Massachusetts. 5000
Einwohner und gelegentliche Gäste aus der naheliegenden Großstadt
Boston nutzen das historische Kleinod für Fischerei oder Ausflüge
an den berühmten Singing Beach. Inmitten dieser betulichen Idylle
bettet (und drehte) Kenneth Lonergan sein nach der Stadt benanntes Drama um
Trauerverarbeitung und den tristen Alltag der Arbeiterklasse. Nach
dem Tod seines Bruders begibt sich der zurückgezogen lebende Lee
Chandler in seine Heimatstadt Manchester-by- the-sea, um nach den
Wünschen des Verstorbenen dessen Sohn, seinen Neffen, unter seine
Obhut zu nehmen. Regisseur Lonergan kann sich dabei auf sein eigens
verfasstes Drehbuch verlassen. Der Zuschauer tappt lange im Dunkeln,
warum Lees Rückkehr in der Stadt für Tuscheleien, nervöse Blicke
oder offene Ablehnung stößt. Über erstaunlich kurzweilige 138
Minuten entblättert sich Lage um Lage einer zu Tränen rührenden
Familiengeschichte und es ist zum Einem dem ausgewogenen und
realitätsnahen Skript zu verdanken, dass der Film mit einer relativ
einfachen Prämisse niemals an Spannung einbüßt. Zum Zweiten wartet
Manchester by the sea mit einem grandiosen Cast auf. Über
Hauptdarsteller Casey Affleck ist bereits alles gesagt und
geschrieben worden. Derzeit wird er mit Preisen für diese
Performance geradezu überhäuft und es macht nicht den Anschein,
dass diese Erfolgswelle bis zur Oscarverleihung abebben würde. Doch
auch Affleck trägt diesen Streifen nicht alleine. Mir blieben dazu
vor allem die Leistungen von Michelle Williams und Lucas Hedges in
Erinnerung. Die Shutter Island-Darstellerin ist in nur einer Handvoll
Szenen zu sehen, doch reißt diese mit einer schauspielerischen
Urgewalt an sich, die kitschfreie und zutiefst menschliche Emotionen
nicht nur sichtbar werden lässt, sondern unerwartet auch beim
Kinopublikum hervorruft. Nachwuchsstar Lucas Hedges sorgt hingegen
für die humorvollen und warmherzigen Momente in Manchester by the
sea. Generell ist der Streifen keinesfalls niederschmetternd oder
pessimistisch. Gerade die gemeinsamen Auftritte von Affleck und
Hedges als ungleiches Team sind trotz aller Ernsthaftigkeit enorm
aufmunternd, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. Die Kanadierin Lesley
Barber steuert des Weiteren einen wahrlich kraftvollen und
eindringlichen Score bei, der die ungekünstelte Natürlichkeit des
Films hervorragend unterstreicht. Trotz allen Lobes möchte ich an
dieser Stelle darauf hinweisen, dass Manchester by the sea nicht für
ein breites Publikum gemacht wurde. Seine minimalistische und ruhige
Erzählweise sowie die Fixierung auf die Entwicklungen der
Charaktere kann einigen Kinofreunden als langwierig oder
uninteressant missfallen. Doch wie so oft bei Filmen dieser Art
lohnt besonders dann ein Gang ins Lichtspielhaus, wenn man sich
davon überzeugen möchte, dass große Dramen weder schwülstig noch
unzugänglich sein müssen. Machester by the sea ist ein großes
kleines Werk über Vergangenheitsbewältigung und die Unfähigkeit
zur Kommunikation.
8/10
Für
Fans von: The Place beyond the Pines, We need to talk about Kevin
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