Hell
or High Water
Am
Ende ist es das Öl, das Frieden und Wohlstand nach Texas bringt.
Hier macht Hell or High Water seinen Standpunkt noch einmal
besonders deutlich: Der Wilde Westen ist auch im Amerika des 21.
Jahrhunderts allgegenwärtig. Das Leben der Landbevölkerung
entbehrungsreich und ungemütlich, das Recht des Stärkeren dank
lascher Waffengesetze fest verankert. Nur sind es keine
marodierenden Banden mehr, die den Menschen ihr Geld stehlen,
sondern gierige Banker. In diesen sozialkritischen Überbau bettet
Arthouse- Regisseur David Mackenzie (Young Adam, Toy Boy) ein
fesselndes Crime-Drama über zwei Brüder, die zur Tilgung der
Hypothek auf ihr Familienanwesen beginnen, Banken auszurauben. Neben
der wirtschaftspolitischen Dimension ist die inszenatorische
Atmosphäre eine weitere große Stärke von Hell or High Water. Der
Neo-Western fühlt sich dank seiner festen Verankerung in der
Jetztzeit (selbstverständlich werden E-Zigaretten geraucht oder
ständig Smartphones genutzt) niemals unpassend schwelgerisch oder
anachronistisch an. Die Motive der handelnden Figuren bleiben
vielleicht die gleichen, die Zeiten sind es, die sich ändern. Für
diese Entsprechung findet Kameramann Giles Nuttgens (Dom Hemingway,
Das Glück der großen Dinge), der bereits mehrfach mit David
Mackenzie zusammenarbeitete, dann auch die perfekten Bilder. Seine
melancholischen Aufnahmen der endlosen Weiten Westtexas (gedreht
wurde allerdings komplett in New Mexico) unterstreichen noch einmal,
wie entbehrlich sich der Einzelne angesichts der verbreiteten
Trostlosigkeit und Verarmung der Mittelschicht hier fühlt. Hell or
High Water geht damit auch ständig den Weg vom Kleinen ins Große.
Hier werden persönliche Schicksale mit dem Untergang des ruralen
Amerikas verknüpft. In vielen kleinen Szenen am Wegesrand des
Geschehens wird dies immer wieder spürbar. Womit ich ein Wort zum
Aufbau der Geschichte verlieren möchte. Hell or High Water ist mit
102 Minuten Laufzeit kein langer Film. In Zeiten, in denen sich
Blockbusterkino ständig der Zweieinhalbstunden- Grenze nähert,
können wir hier ein interessantes Phänomen beobachten. Die
Geschichte des Films wird nicht mit neuen Figuren und Verwicklungen
in die Länge gezogen, sondern bedient sich eher Erzählmustern von
Tarantino oder den Coen-Brüdern, bei denen Filme ja gern in die
Breite gehen. Ich kann verstehen, wenn man mit dem gemächlichen
Passing von Hell or High Water nicht zurecht kommt, mich persönlich
ließ der Streifen allerdings nicht eine Sekunde aus seinem Bann.
Hierbei spielte auch das exzellente Schauspiel aller Akteure eine
gewichtige Rolle. Chris Pine und Ben Foster geben ein
grundverschiedenes, aber durch die Kraft des Blutes eng verbundenes
Brüderpaar ab. Pine spielt herrlich konträr zu seinem sonstigen
Saubermannimage, Foster gibt wie gewohnt dem Affen ordentlich Zucker.
Mit Jeff Bridges steht den beiden das ultimative Südstaatengesicht
als Sheriff entgegen. Er mimt zwar nur eine Variation seiner
Charaktere aus Crazy Heart und True Grit, doch gibt es einen Grund,
aus dem er die Idealbesetzung für diese Art von Figuren ist.
Abgerundet wird der großartige Gesamteindruck des Films durch einen
stimmungsvollen und mitreißenden Country-Soundtrack des
australischen Kultmusikers Nick Cave und seines Weggefährten Waren
Ellis (beide schrieben auch schon die Scores für Die Ermordung des
Jesse James durch den Feigling Robert Ford oder The Road). Hell or
High Water ist für mich eines der absoluten Highlights der
diesjährigen Awardsaison. Ein vielschichtiger, bewegender und
herrlich schwarzhumoriger Film.
9/10
Für
Fans von: No Country for old men, Die drei Begräbnisse des
Melquiades Estrada
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