Die
Taschendiebin
Das
wohl größte Problem an Die Taschendiebin ist sein Name. Der
deutsche Verleihtitel ist mal wieder erstaunlich schlecht gewählt,
vermittelt er doch einen viel bösartigeren Eindruck, als dies der
internationale Name The Handmaiden (Die Zofe) oder der koreanische
Originaltitel machen, welcher übersetzt Das Fräulein lautet. Diese
Begrifflichkeiten deuten wesentlich besser in die sinnliche und
geheimnisvolle Richtung, die Die Taschendiebin auch einschlägt. Die
Geschichte des Filmes ist eine lose Adaption des Sarah Waters-Romans
Solange du lügst aus 2002. Dessen Handlung um Heiratsschwindel,
Abhängigkeit und verbotene Liebe wurde dazu aus dem viktorianischen
England ins japanisch besetzte Korea der 1930er Jahre verlegt.
Extremregisseur Park Chan-Wook nutzt diese Mischung aus Motiven und
Elementen der östlichen und westlichen Welt dann vorrangig, um einen
perfekt ausgestatteten, betörend gefilmten und unerwartet
humorvollen Kinostreifen zu kreieren. Mit Hilfe seines
Stammkameramannes Chung Chung-Hoon (Ich und Earl und das Mädchen,
Stoker) wird der Zuschauer geradezu mit einer Flut aus bezaubernden,
weiten Naturaufnahmen und Close-Ups unterdrückter Emotionen
beglückt. Die Taschendiebin ist auch dank der tollen Lichtsetzung
und des untypischen Schnitts optisch ein perfekter Film. Wer jetzt
in Park Chan-Wooks Vita einen Wendepunkt erwartet, den kann ich
beruhigen. Die Taschendiebin ist sicher nicht so niederschmetternd
wirkungsvoll wie Oldboy oder moralisch aufgeladen wie Lady
Venegance, doch mit unerwarteten Wendung zuhauf und einzelnen
wohldosierten Gewaltspitzen, bleibt die Handschrift des Regisseurs
doch deutlich sichtbar. Wen jetzt die etwas fremde Thematik oder die
stattliche Spiellänge von 144 Minuten dazu neigen lassen, einen
Kinobesuch zu meiden, dem möchte ich hier noch auf das perfekte
Passing von Die Taschendiebin hinweisen. Die zweieinhalb Stunden sind
durch eine Dreiteilung der Erzählung und die wendungsreiche
Gaunergeschichte richtig kurzweilig geraten. Wer gern über den
Tellerrand hinaus schaut oder einen Einstand ins Werk eines der
faszinierendsten Regisseure unserer Zeit sucht, dem sei Die
Taschendiebin als hinreißend inszenierte Fingerübung empfohlen.
8/10
Für
Fans von: Schnee, der auf Zedern fällt, Carol
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