Donnerstag, 4. Juni 2015

Wie soll dann die Hölle aussehen?




Kind 44

Schon vor seiner Veröffentlichung sorgte Kind 44 für reichlich Aufsehen. Der russische Kulturminister Vladimir Medinsky ließ sich zu der Aussage hinreißen, der Geschichtsthriller würde die Sowjetunion erscheinen lassen, wie das dunkle Königreich Mordor aus Der Herr der Ringe; schließlich wurde Kind 44 wegen unrussischer Umtriebe vor dem 70. Tag des Sieges über Nazideutschland aus den dortigen Kinos verbannt, darf aber auf DVD erscheinen. Die partielle Entscheidung, Kind 44 nur für den Heimkinomarkt zugänglich zu machen, wäre generell die Richtige gewesen. Denn der wirre Genremix mit seinen billigen Special-Effects, der schlechten Schnitttechnik und einem Drehbuch voller Plotholes, ist nicht für die große Leinwand gemacht. Doch als Ridley Scott-Produktion und mit dem omnipräsenten Tom Hardy an vorderster Front, begleiten wir den sowjetischen Geheimdienstoffizier Leo Demidow übertrieben lange 137 Minuten durch seine wechselvolle Karriere beim KGB-Vorgänger MGB und bei den problembehafteten Ermittlungen in einer Mordserie. Doch weder der Krimiplot, noch das verlustreiche Leben zwischen Vaterlandstreue und privatem Glück, werden in Kind 44 unterhaltsam oder spannend präsentiert. Der Film wirkt unausgegoren, oft zufällig und reißt viele Themen und Konflikte an, die nicht aufgelöst werden. So beginnt der Streifen beispielsweise als Mahnmal für die Opfer des Ukrainischen Hungers von 1933, der auch Demidow als Waisen aufwachsen ließ. Diese Vorgeschichte spielt im späteren Werk keine Rolle mehr. Ebenso wird mit einer möglichen Spionagetätigkeit von Demidows Ehefrau umgegangen, die Spannung hätte aufbauen können. Dazu wird schnell klar, das Tom Hardys Charakter der einzig wirklich aufrichtige ist. Die Darstellung aller weiteren Geheimdienstmitarbeiter und Vertreter des stalinistischen Regimes ist einseitig, ärgerlich und könnte aus einem billigen, amerikanischen Actionreißer aus der Hochzeit des kalten Krieges stammen. Dazu sieht Kind 44 auch richtig schlecht aus. Die trübe, regnerische Athmosphäre ist ausschließlich ermüdend und sorgt für keinerlei mysteriöse Stimmung, Stadtansichten und Panoramashots, auf die der Film regelmäßig zurückgreift sind mit beeindruckend schlechtem CGI verwirklicht wurden, die Actionszenen sind komplett zerstückelt und laden zum Fremdschämen ein. Letzten Endes scheitert Kind 44 noch an seinem eigenen moralischen Kompass, da er auf der einen Seite den Leitsatz der sowjetischen Propaganda „Im Paradies gibt es keinen Mord“ anprangert, den Tod vieler Menschen durch unnötige Brutalität und Effekthascherei aber inszenatorisch feiert. Einzig Tom Hardy liefert eine ordentliche Performance ab, die jedoch wirkungslos bleibt. Illustre Nebendarsteller, wie Gary Oldman, Joel Kinnaman (Robocop), Noomi Rapace, Jason Clarke (Planet der Affen: Revolution), Vincent Cassel (Oceans Twelve) und die Erbarmen und Schändung-Schauspieler Nikolaj Lie Kaas und Fares Fares sind für Kinofans nett anzusehen, können aber allesamt nicht gegen das miserable Drehbuch ankämpfen. Mit viel positiver Kraft könnte man Kind 44 Überambitioniertheit vorwerfen. Diesem schlechten Film würde das jedoch wahrscheinlich nicht gerecht werden.

3/10



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