Donnerstag, 11. Juni 2015

Bekommen wir hier ein Pferd hinein?








Love & Mercy

Der Gedanke, das Rockmusik mehr sein kann, als bloße Unterhaltung war prägend für die sogenannte „Goldene Ära des Rock“ zwischen 1966 und 1972. Seine vielleicht persönlichste und emotionalste Ausprägung erfuhr diese Periode durch das Jahrhundertalbum „Pet Sounds“ der Beach Boys. Das Leben deren Frontmanns, Brian Wilson, kommt nun als Biopic Love & Mercy in unsere Kinos. Die späten Sechziger bilden dabei einen der beiden Schwerpunkte des Films. Wilsons ekstatische Arbeit an Pet Sounds, ein Album, das nach seiner Veröffentlichung übrigens nur mäßig geschätzt wurde, bildet den Ausgang für eine ergreifende und überraschende Künstlerbiografie. Anders als in herkömmlichen Vertretern dieses Genres, setzt Regisseur Bill Pohlad, der hier sein Erstlingswerk vorlegt, auf eine spannende und neuartige Erzählweise, in der nicht der Aufstieg und Fall eines Musikers in chronologischer Reihenfolge abgehandelt wird, sondern Wilson auf dem Höhepunkt seiner Karriere zusehends seiner Drogensucht und den damit einhergehenden Wahnvorstellungen verfällt, um schließlich langsam in ein normales Leben zurückzufinden. Der heute 62jährige wird dabei von zwei exzellenten Schauspielern verkörpert. Überflieger Paul Dano gibt den jungen Superstar in seinen Zwanzigern, während der umtriebige John Cusack den 80er- Jahre-Wilson spielt. Beide gehen vollends in ihren Rollen auf, obgleich ich Paul Danos Performance etwas besser empfand. Dies ist mit Sicherheit auch der Tatsache geschuldet, dass die Sixties-Szenerie der überzeugendere Filmteil ist. Denn ganz frei von kleinen Makeln ist Love & Mercy nicht. Hauptsächlich liegen diese in der Figur von Wilsons Psychiater Dr. Eugene Landy. Auch wenn Paul Giamatti eine sehr eindrucksvolle Performance als zusehends gefährlicher Seelenklempner abliefert, so ist Landys Charakterisierung doch zu eindimensional. Die Entwicklung zum typischen Antagonisten kann ein jeder Kinogänger von Beginn an erahnen. Die Szenen zwischen Landy, Wilson und dessen neuer Freundin Melinda Ledbetter (überragend gespielt von Pitch Perfect und 30 Rock-Star Elisabeth Banks) haben dadurch etwas Repetitives. Zugleich ist die Laufzeit von exakt 2 Stunden im Ganzen vollkommen angemessen. Denn der Mensch Brian Wilson lädt den Zuschauer mit seinem exzessiven Lebensstil zum unentwegten Mitfiebern ein. Besonders in seiner Funktion als Musiker begeistert er durch Genialität und Unerschütterlichkeit. An seinem Privatleben hingegen gehen nicht nur langjährige Freundschaften, sondern letzten Endes auch sein Körper zu Grunde. Durch sein starkes Ensemble bildet Love & Mercy, ein im Übrigen herausragend fotografierter Film mit genialem Einsatz von Musik (der Soundtrack stammt hierbei vom oscarprämierten Atticus Ross), einen der einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhundert gebührend ab.

8/10


Für Fans von: Walk the Line, Ray

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