Donnerstag, 4. Juni 2015

Gute und schlechte Österreicher







Die Frau in Gold

Der Schwabinger Kunstfund bewegte im Februar 2012 die internationale Öffentlichkeit. Die juristischen Streitereien, die Cornelius Gurlitt und dessen Erben, das Land Bayern und die Schweiz seitdem beschäftigen, prägen in unseren Tagen das Bild mit dem Umgang von NS- Raubkunst. Kaum ein anderes Thema rückt in seiner gerichtlichen Beurteilung soweit in moralische Dimensionen vor. Den Beginn der Aufarbeitung dieses schwierigen Kapitels der Kunstgeschichte markiert zweifelsfrei die Washingtoner Erklärung von 1998, die 44 Staaten zu fairen und gerechten Lösungen hinsichtlich der Rückgabe der von den Nazis im Dritten Reich entwendeten Kunstwerke verpflichtete. Der erste große Fall, der von dieser Entwicklung beeinflusst wurde, wird nun in Simon Curtis' Die Frau in Gold filmisch aufgearbeitet. In zwei Zeitebenen berichtet uns der My Week with Marilyn-Regisseur von der Kindheit Maria Altmanns im besetzten Wien sowie ihrem Kampf um die Rückgabe des Gemäldes Adele Bloch-Bauer I. von Gustav Klimt. In der Hauptrolle der Maria Altmann überzeugt Helen Mirren auf ganzer Linie. Ihrem Schauspiel ist es zu verdanken, dass die mitunter festgefahrenen Verhaltensweisen der Altmann niemals engstirnig, sondern stets nachvollziehbar bleiben. Die Frau in Gold weiß in dieser Hinsicht als eindringliche und unaufgeregte Vergangenheitsbewältigung zu überzeugen. An Mirrens Seite sehen wir in der zweiten Hauptrolle Ryan Reynolds, der als Anwalt und Nachfahre Arnold Schönbergs seine österreichischen Wurzeln nutzt, um Maria Altmann juristisch zu unterstützen. Die Wandlung in dessen Motivation von reinem Erfolgsstreben hin zu persönlicher Anteilnahme wird vom Kanadier großartig porträtiert. Als Enthüllungsjournalist Hubertus Czernin, der die Causa Klimt ins Rollen brachte, sehen wir dazu Daniel Brühl. Der wesentlich spannender und überzeugender gestaltete Erzählstrang im Wien des Jahres 1938 wurde im Übrigen gänzlich mit deutschsprachigen Schauspielern gedreht. So können wir beispielsweise Tom Schilling, Justus von Dohnanyi, Nina Kunzendorf und Moritz Bleibtreu als Gustav Klimt in Die Frau in Gold bewundern. Auch wenn ein Historiendrama mit einer Laufzeit von 109 Minuten und zwei Handlungsebenen nicht gerade übertrieben lang zu sein scheint, so nagt Die Frau in Gold im letzten Drittel doch arg an der Geduld der Zuschauer. Die Inszenierung von insgesamt drei verschiedenen Gerichtsverhandlungen ist dramaturgisch mehr als redundant. Dazu ist der Streifen im Ganzen recht brav und altbacken gefilmt, was die Aufmerksamkeit des Kinobesuchers nicht zwingend erhöht. Hier wäre mehr Mut von Seiten der Verantwortlichen wünschenswert gewesen. Wer im Kern spannendes Geschichtskino mit tollen schauspielerischen Leistungen und brandaktuellem Bezug sehen möchte, wird mit Die Frau in Gold dennoch gut unterhalten sein.

7/10


Für Fans von: Monuments Men, Saving Mr. Banks

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