Sonntag, 3. Juli 2016

Katzen sollten nicht in den Kühlschrank



Everybody wants some!!

Die Filmografie von Richard Linklater als außergewöhnlich zu beschreiben, wäre eine ziemliche Untertreibung. Seine Werke genießen fast durchgängig höchstes Ansehen und beeindrucken durch ihre aufwändige Machart (Boyhood, Before-Trilogie) oder ihre entwaffnende Unbeschwertheit (School of Rock, Dazed and Confuzed). Als Nachfolger im Geiste von eben diesem Dazed and Confused dürfen wir nun in Everybody wants some!! (die Schreibweise mit zwei Ausrufezeichen entspricht dem tatsächlichen Titel des Films) erneut einer Gruppe junger Menschen in einer kurzen, aber sehr speziellen Zeit beiwohnen. Everybody wants some!! schildert das Wochenende einiger College-Neulinge vor dem offiziellen Start ihrer Ausbildung. Hauptfigur Jake wird dort, im Texas des Jahres 1980, wegen seiner Baseball-Fähigkeiten den fiktionalen Southeast Texas Cherokkees zugeordnet. Mit seinen Mitspielern bewohnt er ein Haus nahe der Universität. Doch allein mit dieser Ausgangslage geht Linklater phänomenal unüblich um. Erst nach eineinhalb Stunden der 116 Minuten Laufzeit wird zum ersten Mal der Baseballschläger geschwungen, nur in einer der letzten Szenen sehen wir die Protagonisten tatsächlich studieren. Die Thematik des Films ist weder am College noch auf dem Sportplatz angesiedelt, sondern behandelt das süße Nichttun, die sorgenfreie Zeit, den Hauch von Anarchie vor dem Beginn des Ernsts des Lebens. Und Linklater beweist damit, wie sehr sich Erfahrung und Hingabe auch in scheinbar leichteren Filmen auszahlen – besonders im Vergleich mit den Teenie-Filmen der späten 90er und frühen 2000ern, die niemals die selbstverständliche Leichtigkeit und den ungewissen Unterton der großen Vorbilder wie Ferris macht blau oder The Breakfast Club versprühten. All dies gelingt nun Everybody wants some!!. Der Streifen huldigt schamlos der Jugendkultur der 80er Jahre. Musikauswahl, Kostüme, Frisuren und Ausstattung sind schlicht hinreisend. Der gesamte Film versprüht eine Alles-ist-möglich-Haltung. Linklater kann dabei von vielen unverbrauchten Gesichtern profitieren. Alle Akteure sind hierzulande weitestgehend unbekannt, doch ähnlich wie es etwa Matthew McConaughey oder Ben Affleck nach ihren Rollen in Dazed and Confuzed erging, dürften auch Blake Jenner, Zoey Deutsch oder Ryan Guzman in Zukunft gern für große Projekte gecastet werden. Sie alle verkörpern mit beeindruckender Leichtigkeit die Freude über das Leben, die im tristen Alltag so schnell verloren geht. Eine Freude, die sich in Everybody wants some!! in unentwegten Duellen und Wettbewerben, in hochnotpeinlichen Flirtversuchen und in endlosen philosophischen Diskussionen zeigt, und die im Zuschauer ein erheiterndes nostalgisches Gefühl erweckt. Everybody wants some!! ist beste Unterhaltung, die gerade wegen ihrer minimalistischen Grundidee viel Raum für Charaktere und Stimmungen schafft und nachhaltig im Gedächtnis bleibt.

9/10

Für Fans von: Dazed and Confuzed, Ferris macht blau

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