Hannas
schlafende Hunde
Als Inhaber
des Lehrstuhls für Regie, Dramaturgie und Produktion an der
Hochschule für Fernsehen und Film in München ist Andreas Gruber
ein einflussreicher Mann. Begibt sich der Österreicher selbst auf
den Regiestuhl horcht die Fachwelt auf, nicht umsonst kann sich
Gruber mit jedem erdenklichen Filmpreis im deutschsprachigen Raum
schmücken. Sein neustes Werk Hannas schlafende Hunde, eine Adaption
des autobiografischen Romans von Elisabeth Escher mit gleichem
Namen, kann sich dann auch standesgemäß in die Riege großer
hiesiger Zeitgeschichtsdramen einordnen. Hannas schlafende Hunde
porträtiert eine Familie im oberösterreichischen Wels (zugleich
Geburtsort des Regisseurs) in den 1960er Jahren. Die Bergers sind in
ihrer streng katholischen Umgebung gut assimiliert, doch ihre
jüdische Herkunft halten sie auch zwei Jahrzehnte nach Ende der
Naziherrschaft weiterhin geheim, denn die alten NSDAP-Bonzen
genießen im verschlafenen Wels ihr Dasein und propagieren weiterhin
die alten, faschistischen Ansichten mit Duldung der Kirchenoberen.
Hannas schlafende Hunde zeigt die Auswirkungen dieses halbanonymen
Lebens anhand dreier Frauen aus drei Generationen. Großmutter,
Mutter und Tochter zeigen dabei präzise, wie Angst und Erniedrigung
an der Tagesordnung einen Menschen verändern. Hannelore Elsner darf
dabei als erblindetes Familienoberhaupt den Glanzpunkt in diesem Film
setzen. Als lakonische Holocaust-Überlebende ist ihre Darstellung
einer mutigen Frau voller tiefer Geheimnisse schlicht brillant. Das
eigentliche Verbindungsglied zum Publikum, und damit die technische
Hauptrolle, ist allerdings die erst 11jährige Nike Seitz. Die kranke
und abartige Welt aus den Augen eines Kindes zu zeigen, verleiht
Hannas schlafende Hunde natürlich eine doppelte Tragik. Trotz all
dem ist die Nachwuchsschauspielerin immer wieder ein Quell für
kleine Momente der Hoffnung, die sie toll transportiert. Andreas
Gruber taucht seinen ersten Kinofilm seit 2005 in eine stets
mysteriöse Stimmung. Kamera, Schnitt und die gesamte Szenerie
erscheinen formell sehr streng und lassen Raum für die Entwicklung
der Charaktere. Optisch langweilig ist Hannas schlafende Hunde
trotzdem niemals. Grubers Handling ist fehlerlos. Lediglich im
dritten Akt kippt der Film ein wenig, wenn sich der Schrecken des
Unausgesprochenen gelegt hat und einem reinen Familiendrama weicht.
Den positiven Gesamteindruck des Streifens mindert dies allerdings
nicht. Hannas schlafende Hunde ist ein großartig gespieltes und
tief erschütterndes Drama über Macht und Abhängigkeit.
8/10
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