Donnerstag, 23. Juni 2016

Leichen im Keller



Hannas schlafende Hunde

Als Inhaber des Lehrstuhls für Regie, Dramaturgie und Produktion an der Hochschule für Fernsehen und Film in München ist Andreas Gruber ein einflussreicher Mann. Begibt sich der Österreicher selbst auf den Regiestuhl horcht die Fachwelt auf, nicht umsonst kann sich Gruber mit jedem erdenklichen Filmpreis im deutschsprachigen Raum schmücken. Sein neustes Werk Hannas schlafende Hunde, eine Adaption des autobiografischen Romans von Elisabeth Escher mit gleichem Namen, kann sich dann auch standesgemäß in die Riege großer hiesiger Zeitgeschichtsdramen einordnen. Hannas schlafende Hunde porträtiert eine Familie im oberösterreichischen Wels (zugleich Geburtsort des Regisseurs) in den 1960er Jahren. Die Bergers sind in ihrer streng katholischen Umgebung gut assimiliert, doch ihre jüdische Herkunft halten sie auch zwei Jahrzehnte nach Ende der Naziherrschaft weiterhin geheim, denn die alten NSDAP-Bonzen genießen im verschlafenen Wels ihr Dasein und propagieren weiterhin die alten, faschistischen Ansichten mit Duldung der Kirchenoberen. Hannas schlafende Hunde zeigt die Auswirkungen dieses halbanonymen Lebens anhand dreier Frauen aus drei Generationen. Großmutter, Mutter und Tochter zeigen dabei präzise, wie Angst und Erniedrigung an der Tagesordnung einen Menschen verändern. Hannelore Elsner darf dabei als erblindetes Familienoberhaupt den Glanzpunkt in diesem Film setzen. Als lakonische Holocaust-Überlebende ist ihre Darstellung einer mutigen Frau voller tiefer Geheimnisse schlicht brillant. Das eigentliche Verbindungsglied zum Publikum, und damit die technische Hauptrolle, ist allerdings die erst 11jährige Nike Seitz. Die kranke und abartige Welt aus den Augen eines Kindes zu zeigen, verleiht Hannas schlafende Hunde natürlich eine doppelte Tragik. Trotz all dem ist die Nachwuchsschauspielerin immer wieder ein Quell für kleine Momente der Hoffnung, die sie toll transportiert. Andreas Gruber taucht seinen ersten Kinofilm seit 2005 in eine stets mysteriöse Stimmung. Kamera, Schnitt und die gesamte Szenerie erscheinen formell sehr streng und lassen Raum für die Entwicklung der Charaktere. Optisch langweilig ist Hannas schlafende Hunde trotzdem niemals. Grubers Handling ist fehlerlos. Lediglich im dritten Akt kippt der Film ein wenig, wenn sich der Schrecken des Unausgesprochenen gelegt hat und einem reinen Familiendrama weicht. Den positiven Gesamteindruck des Streifens mindert dies allerdings nicht. Hannas schlafende Hunde ist ein großartig gespieltes und tief erschütterndes Drama über Macht und Abhängigkeit. 

8/10

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