Donnerstag, 2. Juni 2016

Guck mal, Apfelkuchen




The Nice Guys

Los Angeles 1977. Eine Welt aus Neonfarben, Funkmusik, Drogen, Partys und Pornofilmen. Wie gemacht, um sie in Hollywood auferstehen zu lassen. Und wer wäre dafür besser geeignet, als ein Mann, der mit seinen Arbeiten ebenso kultig wurde, wie die Zeit, die er nun in The Nice Guys porträtiert. Shane Black war gerade 25, als sein Drehbuch zu Lethal Weapon den Höhepunkt des Buddy-Cop-Kinos setzte. Es folgten Fortsetzungen und Skripte zu den nicht mindern begeisternden Kultfilmen Last Boy Scout und Last Action Hero. Erst 2005 jedoch trat Black selbst als Regisseur in Erscheinung – und schuf einen Instant- Klassiker. Kiss Kiss Bang Bang erfreut sich heute einer enormen Beliebtheit und war damals die Wiederauferstehung des von Drogen zerstörten, ehemaligen Teenieschwarms Robert Downey Jr. Mit diesem realisierte er 2013 Iron Man 3, sodass The Nice Guys nun erst die dritte Regiearbeit eines Mannes ist, dessen Ruf auf einem ganzen Filmleben zu ruhen scheint. Doch Shane Black weiß offensichtlich genau, warum er mit Stoffen und Projekten äußerst vorsichtig umgeht, denn er liefert. Erneut. The Nice Guys ist ein nahezu perfekter, schamlos unterhaltsamer und in jeder Hinsicht unberechenbarer Film. Die Story folgt Russell Crowe und Ryan Gosling als Auftragsschläger/Privatdetektiv-Duo, die wider Willen den Tod einer Pornodarstellerin und das Verschwinden einer jungen Dame untersuchen. Die Geschichte und dessen Auflösung ist in Buddy-Movies oder Gangsterkomödien oft zweitrangig und auch The Nice Guys scheint da auf den ersten Blick keinen Unterschied zu machen. Doch der Schein trügt. Ausgangspunkt und Auflösung der verschachtelten, aber jederzeit nachvollziehbaren Ereignisse, sind tief im Zeitgeist der 70er Jahre verwurzelt und bilden so einen schlussendlich stimmigen Unterbau für die Story. Doch was diese 116 Minuten Kino besonders aufregend macht, sind Stilempfinden und Drehbuch. Letzteres stammt ebenfalls aus den Händen des Regisseurs. Design, Garderobe, Sets, Frisuren und Make-Up lassen die wilde Disco-Ära auf höchstem Niveau auferstehen. Die optische Brillanz des Streifens wird durch die durchweg gelungene Kameraarbeit und den stimmigen Schnitt noch verstärkt, die beide besonders in den toll choreografierten Actionsequenzen hervorstechen. Dazu fand Black mit Crowe und Gosling zwei Hauptdarsteller, die mit einer unglaublichen Leinwandchemie die perfekt getimten Dialogduelle grandios transportieren. Russell Crowe wiederholt hier mit Jackson Healy seine Figur des Bud White aus L.A. Confidential, dreht sie jedoch einmal durch den Fleischwolf und schmeißt sie in eine wilde Komödie. Ryan Gosling beweist als Holland March einmal mehr, dass er trotz großer dramatischer Leistungen, wie etwa in Drive, für das humoristische Handwerk geboren wurde. Seine trottelige Verwirrtheit gepaart mit Momenten unfassbarer Klarsicht, liefert der Kanadier mit hervorragendem Mimenspiel, sodass ich geneigt bin die Figur des Holland March in einem Atemzug mit den Genrevorbildern „Dude“ Lebowski und „Doc“ Sportello zu nennen. Der Humor in The Nice Guys trifft ohne Unterlass ins Schwarze, besonders Running Gags werden nicht wie in mittelmäßigen Komödien ständig überstrapaziert, sondern wohldosiert eingesetzt und bleiben somit stets witzig. Einen großen Pluspunkt gibt es auch noch für die Charakterisierung von Kindern in diesem Film. In der weiblichen Hauptrolle sehen wir dann auch die gerade erst 15jährige Angourie Rice als Marchs Tochter Holly. Mit größter Selbstverständlichkeit fährt sie Daddys Auto, besucht Partys von Pornofilmproduzenzten und ist immer wieder treibende Kraft der Erzählung. So ist es zu verschmerzen, dass sie der Film zur Mitte hin eine kleine Schwächephase hinsichtlich Tempo und Storyverlauf gönnt, die das wieder herrlich durchgedrehte Finale jedoch schnell vergessen lässt. Toller Look, tolle Story, tolle Dialoge – The Nice Guys ist absolutes Pflichtprogramm für jeden Kinofan. 

9/10

Für Fans von: Kiss Kiss Bang Bang, Inherent Vice, Chinatown, L.A. Confidential




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