Dienstag, 3. Mai 2016

Wuchernde Wüstenpflanzen




Ein Hologramm für den König

Nach eigener Aussage könnte sich Tom Hanks vorstellen, in Berlin eine zweite Heimat sein Eigen zu nennen. In den letzten vier Jahren sorgte der Ausnahmeschauspieler mit den Dreharbeiten zu Cloud Atlas, Bridge of Spies und jetzt Ein Hologramm für den König für viel mediale Aufmerksamkeit, die den zur Zeit ohnehin so populären Filmstandort Deutschland weiter in den Fokus vieler internationaler Filmemacher rückte. Doch wer nun erwartet, dass die hier vorliegende Culture-Clash-Komödie einzig und allein eine Huldigung des zweifachen Oscargewinners ist, liegt glücklicherweise falsch. Denn trotz der Tatsache, dass Ein Hologramm für den König den Schwerpunkt auf Hanks Figur legt, verdanken wir den diesen unterhaltsamen und gleichzeitig sehr erwachsenen Film zum Großteil der leichtfüßigen Arbeit von Regielegende Tom Tykwer. Ein Hologramm für den König folgt dem alternden und erfolglosen Verkäufer Alan Clay, der sich an seinen perspektivisch letzten Strohhalm klammert: Den Verkauf eines neuartigen IT-Kommunikationssystems an die Königsfamilie in Saudi-Arabien. Tykwer taucht in seiner zweiten Arbeit mit Hauptdarsteller Tom Hanks tief in die schizophrene kulturelle Welt des Nahen Ostens ein. Mit traumhaft schönen Bildern von Stammkameramann Frank Griebe erforscht er zugleich Rückständigkeit der Gesellschaft in Bezug auf die Staatsreligion und zugleich den unerschütterlichen Fortschrittsglauben in der hochtechnisierten Welt des Wüstenstaates. Die ohnehin schon recht minimalistische Handlung des Streifens, die sich im Verlauf der 98 Minuten Laufzeit hauptsächlich auf das Warten auf den saudischen König beschränkt, wird somit schnell zur Nebensache. Die Reise des glücklosen Clays hin zu neuen Horizonten und zu innerer Einkehr ist das eigentlich bestimmende Thema des Films. Glücklicherweise entschied sich Tykwer keinen spezifisch politischen Film zu drehen, sondern lässt Konflikte auf rein kultureller und menschlicher Ebene ablaufen. Dies entspricht der einfühlsam- gelösten Stimmung des Films besonders, zumal das Drehbuch, nach der weltweit erfolgreichen Romanvorlage von Dave Eggers, äußerst humorvoll und unberechenbar und die Charakterisierung Clays stets puzzleartig und ebenso überraschend gelang. Damit bleibt eine gewisse Grundspannung gewahrt, die den Zuschauer bei der Sache hält. So sucht Ein Hologramm für den König Antworten auf die universelle Suche nach dem Glück, ist zugleich Schelmenstück und aufklärerischer Kulturfilm, Liebesgeschichte und stille Meditation über die relevanten Dinge im Leben. Dank toller Nebendarsteller und der großartigen Arbeit der Set-Designer und Soundleute, die die thematisierten Kontraste des Streifens präzise audiovisuell umsetzen, ist Ein Hologramm für einen König als Film ebenso vielfältig genießbar, wie seine Message richtig ist.  

8/10

Für Fans von: Ein Sommer in der Provence, Madame Mallory und der Duft von Curry

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