Bauernopfer
Dramen über
Zeitgeschichte und Bio-Pics kommen ohne außergewöhnliche
Inszenierung oder eine riesige Marketingkampagne selten über
mittelmäßige Erfolge hinaus. Wenn, wie im vorliegenden Fall beide
Genres kombiniert werden, wundert es kaum, dass Bauernopfer schon im
Spätsommer 2014 seine Weltpremiere feierte und nun erst seinen Weg
über den Atlantik in die deutschen Kinos fand. Sein bescheidener
Erfolg unterstützt diese Handhabung des Verleihs leider zusätzlich,
was äußerst traurig ist. Denn obgleich Edward Zwick in seiner
Geschichte des Ausnahme-Profis Bobby Fischer keine Wunder wirkt, ist
Bauernopfer doch dank seiner hervorragenden Schauspieler und seines
vereinnahmenden Stils ziemlich unterhaltsam gelungen. Der Streifen
zeichnet das Leben des New York Schachspielers bis zu seinem
sagenumwobenen Weltmeisterschaftsmatch gegen den russischen
Großmeister Boris Spasski in Reykjavik 1972 nach. Da sich Fischer
als Propagandafigur im auf (glücklicherweise nur fast) allen Ebenen
ausgefochtenen kalten Krieges zwischen der USA und der Sowjetunion
wiederfand und zusätzlich ein von Psychosen und Paranoia
zerfressenes Genie war, kann sich der geneigte Zuschauer dankend an
Tobey Maguire wenden, der Fischers nur schwer zu fassende
Persönlichkeit spektakulär auf die Leinwand bringt. Der Spider
Man-Star lässt eine große Tour de Force vom Stapel und schafft es
trotz der teils unfassbaren Charakterzüge seiner Figur die
Sympathien auf dessen Seite zu ziehen. Neben Maguire überzeugt Liev
Schreiber als Serienweltmeister Boris Spasski mit viel feiner Ironie
und überzeugendem Russisch über die gesamten 115 Minuten Laufzeit.
Michael Stuhlbarg und Peter Saarsgard vervollständigen den
hochkarätigen Cast als Fischers angenehm undurchsichtige Berater.
Doch abseits des durchweg überzeugenden Schauspiels beginnt mit
diesen Figuren das zentrale Problem von Bauernopfer. Das Drehbuch
des Films geriet in deutlich zu viele Hände, ehe die eigentlichen
Dreharbeiten begannen. Bauernopfer zaubert ohne Unterlass neue
Nebenfiguren aus dem Hut, ohne diese adäquat in die Geschichte
einzubetten. Einzelne Handlungsstränge aus den ersten zehn Minuten
des Streifens, der sich mit Fischers Kindheit auseinander setzt,
werden beispielsweise nahezu eineinhalb Stunden unbeachtet aus den
Köpfen der Kinobesucher gestrichen, um im großen Finale (das Match
zwischen Fischer und Spasski ist trotz allem eine fantastisch
inszenierte und hoch spannende Angelegenheit) wieder relevant zu
werden. Alles in allem wirkt Bauernopfer so verhältnismäßig
unstet und hinterlässt den faden Beigeschmack einer zum Film
eingedampften Mini-Serie. Dass Bauernopfer dann doch mehr als nur
ein mittelmäßiger Film wurde, ist neben den tadellosen Akteuren vor
der Kamera einem authentischen Sixties-Feeling und der tollen
Fotografie von Selma- und A most violent year-Kameramann Bradford
Young zu verdanken. Fischers undurchsichtiger Charakter, die
ideologische Entsprechung des Krieges auf dem Schachbrett und die
allgegenwärtige Propagandaschlacht, zu der das große Duell
schließlich verkam, werden gern in stimmigen Parallelmontagen mit
flimmernden Bildern und überzeugendem Sounddesign inszeniert. Dank
dieser Sachen ist es letztendlich noch etwas schade, dass Edward
Zwick einer beeindruckenden Filmografie (Glory, Der letzte Samurai,
Blood Diamond) durch ein teils recht konventionelles und teils
völlig konfusen Drehbuchs nur einen guten Film hinzufügen kann.
7/10
Für Fans von:
Apollo 13, Love & Mercy
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