Dienstag, 17. Mai 2016

Isländische Eröffnung



Bauernopfer

Dramen über Zeitgeschichte und Bio-Pics kommen ohne außergewöhnliche Inszenierung oder eine riesige Marketingkampagne selten über mittelmäßige Erfolge hinaus. Wenn, wie im vorliegenden Fall beide Genres kombiniert werden, wundert es kaum, dass Bauernopfer schon im Spätsommer 2014 seine Weltpremiere feierte und nun erst seinen Weg über den Atlantik in die deutschen Kinos fand. Sein bescheidener Erfolg unterstützt diese Handhabung des Verleihs leider zusätzlich, was äußerst traurig ist. Denn obgleich Edward Zwick in seiner Geschichte des Ausnahme-Profis Bobby Fischer keine Wunder wirkt, ist Bauernopfer doch dank seiner hervorragenden Schauspieler und seines vereinnahmenden Stils ziemlich unterhaltsam gelungen. Der Streifen zeichnet das Leben des New York Schachspielers bis zu seinem sagenumwobenen Weltmeisterschaftsmatch gegen den russischen Großmeister Boris Spasski in Reykjavik 1972 nach. Da sich Fischer als Propagandafigur im auf (glücklicherweise nur fast) allen Ebenen ausgefochtenen kalten Krieges zwischen der USA und der Sowjetunion wiederfand und zusätzlich ein von Psychosen und Paranoia zerfressenes Genie war, kann sich der geneigte Zuschauer dankend an Tobey Maguire wenden, der Fischers nur schwer zu fassende Persönlichkeit spektakulär auf die Leinwand bringt. Der Spider Man-Star lässt eine große Tour de Force vom Stapel und schafft es trotz der teils unfassbaren Charakterzüge seiner Figur die Sympathien auf dessen Seite zu ziehen. Neben Maguire überzeugt Liev Schreiber als Serienweltmeister Boris Spasski mit viel feiner Ironie und überzeugendem Russisch über die gesamten 115 Minuten Laufzeit. Michael Stuhlbarg und Peter Saarsgard vervollständigen den hochkarätigen Cast als Fischers angenehm undurchsichtige Berater. Doch abseits des durchweg überzeugenden Schauspiels beginnt mit diesen Figuren das zentrale Problem von Bauernopfer. Das Drehbuch des Films geriet in deutlich zu viele Hände, ehe die eigentlichen Dreharbeiten begannen. Bauernopfer zaubert ohne Unterlass neue Nebenfiguren aus dem Hut, ohne diese adäquat in die Geschichte einzubetten. Einzelne Handlungsstränge aus den ersten zehn Minuten des Streifens, der sich mit Fischers Kindheit auseinander setzt, werden beispielsweise nahezu eineinhalb Stunden unbeachtet aus den Köpfen der Kinobesucher gestrichen, um im großen Finale (das Match zwischen Fischer und Spasski ist trotz allem eine fantastisch inszenierte und hoch spannende Angelegenheit) wieder relevant zu werden. Alles in allem wirkt Bauernopfer so verhältnismäßig unstet und hinterlässt den faden Beigeschmack einer zum Film eingedampften Mini-Serie. Dass Bauernopfer dann doch mehr als nur ein mittelmäßiger Film wurde, ist neben den tadellosen Akteuren vor der Kamera einem authentischen Sixties-Feeling und der tollen Fotografie von Selma- und A most violent year-Kameramann Bradford Young zu verdanken. Fischers undurchsichtiger Charakter, die ideologische Entsprechung des Krieges auf dem Schachbrett und die allgegenwärtige Propagandaschlacht, zu der das große Duell schließlich verkam, werden gern in stimmigen Parallelmontagen mit flimmernden Bildern und überzeugendem Sounddesign inszeniert. Dank dieser Sachen ist es letztendlich noch etwas schade, dass Edward Zwick einer beeindruckenden Filmografie (Glory, Der letzte Samurai, Blood Diamond) durch ein teils recht konventionelles und teils völlig konfusen Drehbuchs nur einen guten Film hinzufügen kann. 

7/10

Für Fans von: Apollo 13, Love & Mercy

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