Silence
Im
17. Jahrhundert wurde die Ausübung des christlichen Glaubens in
Japan verboten. Gläubige mussten, persönlich erniedrigt,
öffentlich der Kirche abschwören oder liefen Gefahr, Folter und
Tod zu erleiden. In den Zeiten zuvor waren es besonders die
missionierfreudigen Jesuiten, die von Europa aus den katholischen
Glauben auch nach Japan brachten, wo er auf fruchtbaren Boden traf.
Als im portugiesischen Bischofssitz Lissabon das Gerücht bekannt
wird, ein berühmter jesuitischer Priester und Vorkämpfer für die
Ausbreitung des Christentums habe seinem Glauben abgeschworen, wagen
zwei junge Geistliche den Weg ins Land der aufgehenden Sonne um eben
jenen Pater Ferreira aufzusuchen, der zugleich auch beider
Lehrmeister ist. Mit Silence bringt Altmeister Martin Scorsese nun
sein persönliches Vermächtnis ins Kino. Ein Film, der jetzt und in
Zukunft sicher niemandem so viel bedeuten wird, wie dem Regisseur
selbst. Jeder Einstellung ist anzusehen, mit welcher Hingabe und wie
viel Planung Silence vorangetrieben wurde. Schon 1990 erwarb
Scorsese die Filmrechte an Shusaku Endos zugrunde liegendem Roman Das
Schweigen (in dessen deutscher Ausgabe ein Vorwort von Scorsese
selbst inbegriffen ist) und begann mit der Arbeit an einem Drehbuch.
Für einen Mann, der zeitlebens mit seiner strengen katholischen
Erziehung haderte – bestens auch in Die letzte Versuchung Chrtisti
von 1988 zu sehen – und dessen sonstige Filmografie nicht
unbedingt von Subtilität geprägt ist, kommt Silence als wahrlich
weises, bedächtiges aber auch emotional kühles und abweisendes
Spätwerk daher. Der 162minütige Parforceritt wird daher
höchstwahrscheinlich in Deutschland seinen weltweiten kommerziellen
Misserfolg fortsetzen. Silence ist eine Fremdheitserfahrung, fernab
von Mainstream und cineastischen Konventionen. Scorsese gibt uns
keinen empathischen Leitfaden zur Hand. Weder die beeindruckende
Kamera von Rodrigo Pietro, noch der klassisch japanisch inspirierte
Score weisen den Zuschauer zu bestimmten Empfindungen. Wie auch die
Pater Rodrigues und Garupe, denen wir auf ihrer Reise folgen, werden
wir mit den uns auferlegten Prüfungen (im Fall des Kinozuschauers
also den Schicksalen der Figuren) allein gelassen. Silence wird so
zu einem missionarischen Werk, an dessen Ende wahrscheinlich niemand
der katholischen Kirche beitreten wird (der Film enthält sich einer
Wertung zum Dasein der Kirche per se und übernimmt den nüchternen
Erzählstil der Vorlage), doch durch den wir uns einem der besten
Regisseure der Filmgeschichte näher fühlen. Dennoch wird der
Missionar, also Silence an sich, größtenteils ablehnend und
verständnislos aufgenommen werden. Doch auch abseits von spannenden
Gedanken über den Glauben und die Opferbereitschaft des Einzelnen
in einer Gemeinschaft ist Silence absolut sehenswert. Andrew
Garfield als Hauptdarsteller ist dafür das beste Beispiel. Sein
Pater Rodriguez wird mit Entscheidungen konfrontiert, die an den
innersten Überzeugungen rütteln, sein Gottvertrauen wird
unvorstellbaren Prüfungen unterzogen, er leidet oftmals
stellvertretend. Querverweise auf die Geschichte von Jesus Christus
sind da natürlich offensichtlich und auch gewollt. Der
oscarnominierte Kalifornier besticht dabei mit einer tiefgehenden,
greifbaren und sehr erwachsenen Performance. An seiner Seite bleiben
Adam Driver und Liam Neeson ebenfalls nachhaltig im Gedächtnis. Der
bereits angesprochene Look des Films lässt uns fast spürbar in
eine Welt aus Rauch, Schmutz und Finsternis eintauchen. Bilder und
Geschichte ergeben eine untrennbare Symbiose. Wer sich also an
langen theologischen Gesprächen und inneren Monologen nicht stört,
wer die Welt des Kinos nicht nur als Unterhaltung versteht und wer
erleben will, wie eine Literaturverfilmung aussehen kann, wenn ein
Regisseur die Buchvorlage wahrlich verinnerlicht hat, für den ist
Silence ein absoluter Pflichttermin.
9/10
Für
Fans von: Der Schamane und die Schlange, Der Name der Rose
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