Donnerstag, 19. November 2015

Sinn und Sinnlosigkeit des Lebens



Irrational Man

In diesem Dezember wird er 80 Jahre alt. Und dennoch vermag uns die Arbeitsmoral eines Woody Allen kaum noch zu verwundern. Zielsicher und ohne größere Ausfälle spult der Altmeister sein im Grunde wahnsinniges Pensum von einem gedrehten Film pro Jahr herunter. Sicher wie das Amen in der Kirche können sich seine treuen Jünger darauf freuen, Allens neusten Streich im Herbst eines jeden Jahres zu Gesicht zu bekommen. So auch 2015. Für Irrational Man, der im Mai auf den Filmfestspielen von Cannes Weltpremiere feierte, übernahm der Stadtneurotiker einmal mehr den Regieposten und schrieb natürlich auch das Drehbuch zum Film. Auf einen Auftritt vor der Kamera verzichtet er allerdings wieder. Der titelgebende irrationale Mann ist Philosophieprofessor Abe Lucas, der desillusioniert vom Leben lustlos seinem Job nachgeht, in seinem Fachgebiet zwar ein echtes Genie, im Privatleben allerdings ein absolutes Wrack mit Alkoholproblem ist. Für diese Rolle konnte Woody Allen mit Joaquin Phoenix natürlich eine Idealbesetzung finden. Scheinbar mühelos verkörpert er den abgehalfterten Professor ohne jedoch seiner glänzenden Performance in Inherent Vice aus diesem Frühjahr nahe zu kommen. Allens aktuelle Muse Emma Stone darf ihm in der Rolle einer begeisterten Studentin dann auch regelmäßig Szenen stehlen. Detaillierter in die Handlung einzugehen, käme einem echten Frevel gleich. Denn was Allen nach einer guten halben Stunde Laufzeit aus dem Ärmel schüttelt, hat mich wirklich begeistert. Die betuliche und im Grunde vollkommen triviale Geschichte nimmt erstaunliche Wendungen und kann bis zum Schluss bestens unterhalten. Dennoch schwankt der Film teilweise recht unentschlossen zwischen Komödie, Thriller, Satire und Liebesgeschichte hin und her. Wenn Allen die Haupthandlung für einige Minuten ruhen lässt, kann ich einem jeden Zuschauer den Blick auf die Uhr nachempfinden. Auch wenn in Irrational Man stets eine unterschwellige Spannung herrscht, hätte besonders das dritte Viertel straffer erzählt werden können. Glücklicherweise kommt der Streifen mit einer knappen Gesamtlänge von 95 Minuten aus, sodass diese Unwägbarkeiten nicht übermäßig ins Gewicht fallen. Ansonsten gibt es typische Woody Allen-Kost mit sonnendurchfluteten Bildern, einer kleinen Prise Eskapismus, Frauen in bunten Sommerkleidern und viel Jazzmusik. Somit bietet Irrational Man eineinhalb Stunden vergnügliche Unterhaltung, die sich Fans natürlich nicht entgehen lassen sollten. Einen echten Klassiker für sein Œuvre hat Woody Allen in diesem Jahr jedoch nicht geschaffen.

7/10

Für Fans von: Match Point, Magic in the Moonlight, Cocktail für eine Leiche

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