Dienstag, 24. November 2015

Selig sind die geistig starren



El Club

„Gott sah, dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Dunkelheit“ (Gen 1.4). Dieses Zitat aus der biblischen Schöpfungsgeschichte stellt der Chilene Pablo Larrain seinem neusten Werk El Club voran. Schnell offenbart sich jedoch, dass die katholische Kirche und ihre Vertreter Licht und Dunkelheit keinesfalls unterscheiden wollen. El Club erzählt die Geschichte vierer Priester, die am Rande eines verlassenen chilenischen Dorfes ihr Dasein fristen. Aus verschiedenen Gründen wurden sie alle aus der Kirche ausgeschlossen, unter der Aufsicht einer auffällig freundlichen Ordensschwester mit ebenfalls komplizierter Vergangenheit verbringen sie nun ihren Lebensabend in diesem heiligen Exil. Ohne auf allzu plakative Rückblenden zuzugreifen, entfaltet sich die Vergangenheit der Protagonisten langsam, aber eindringlich im Kopf des Zuschauers. Diese fällt in Form des Missbrauchsopfers Sandokan ähnlich unbarmherzig, wie das raue Küstenklima über den trügerischen Frieden der Gemeinschaft ein. Dessen markerschütternde Monologe übernahm Larrain nach eigener Aussage von realen Geschädigten. Fortan beschäftigt sich El Club mit dem großen Thema kirchliche contra zivile Gerechtigkeit. Die Position, die ein jeder nach Betrachten dieses Streifens einnehmen wird, ist schnell geklärt, die Kunst des Films besteht viel mehr darin, das unbegreifliche Grauen in seiner Wirkung darzustellen, ohne reine Anklage zu sein. El Club vermeidet simple Schuldzuweisungen, sondern entfacht durch ein präzises Zusammenspiel von Inhalt und Form einen lodernden Hass gegen Ignoranz und Unantastbarkeit der Kirchenoberen im Kopf des Zuschauers. Larrain nutzt hierfür beispielsweise permanente Unschärfen in der Kameraarbeit für die Darstellung des Verschwimmens jeglicher moralischer Grenzen. Hier vermittelt die Atmosphäre das nicht sichtbare. Generell steht einer fast kammerspielartigen, minimalistischen Inszenierung einen maximale Aussagekraft gegenüber. An dieser Stelle sei diesbezüglich auch auf den hervorragenden Score hingewiesen, der sich sukzessive steigert und bis zum unerbittlichen Finale stetig besitzergreifender wird. Auch auf einer zweiten Ebene ist El Club ein wichtiger Film geworden. Eine Kernaussage des Streifens ist die Angst der Kirche vor der Macht der Medien. Nur durch deren Einfluss scheint die realitätsferne Parallelwelt der chilenischen Kleriker ins Wanken zu geraten. Auch außerhalb dieses Films sollte der Einfluss von Pablo Larrain daher nicht unterschätzt werden. Schon mit seinem letztem Werk, Chiles ersten jemals oscarnominierten Film No, konnte er einige Aufmerksamkeit auf Verstrickungen zwischen Politik und Medien lenken. Auch El Club steht nun auf der Auslands-Shortlist der Academy und gewann bereits den Großen Preis der Jury auf der Berlinale. El Club fordert den Zuschauer wahrlich heraus. Fernab jeglicher Moralvorstellungen, egal ob auf persönlicher Ebene oder auf die Institution Kirche bezogen, gilt es letztlich selbst Antworten zu finden. Dieser Film ist eine ungemütliche, aber lohnende Erfahrung.

8/10

Für Fans von: Am Sonntag bist du tot, Verfehlung

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