Mittwoch, 15. Februar 2017

Vermächtnisse




Fences

Es ist ein Lebenswerk, das sich Denzel Washington vorgenommen hat umzusetzen. Der hochdekorierte amerikanische Dramatiker August Wilson schuf Anfang der 80er Jahre The Pittsburgh Cycle, in dem er afro-amerikanisches Leben durch die Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts begleitete. Alle 10 Stücke wurden seitdem am Broadway aufgeführt, Fences, das die 50er Jahre darstellt, gewann bei seiner Wiederaufführung 2010 drei Tonys. August Wilson hatte für diesen Teil seines Zyklus bereits einen Pulitzer-Preis erhalten. Die damalige Besetzung des Stücks schlägt nun den Bogen zur aktuellen Verfilmung. Denn zwei der drei „Broadway-Oscars“ gingen an Denzel Washington und Viola Davis, die nun auch die Hauptrollen in der Kinoversion des Ehedramas innehaben. Doch Washingtons Ziel ist jetzt, den gesamten Pittsburgh Cycle in die Kinos zu bringen. Als Produzent, Regisseur und Darsteller in Personalunion legt der New Yorker mit Fences den äußerst beachtenswerten Grundstein für dieses Vorhaben. Washington verkörpert darin den offensiven aber auf den zweiten Blick unsicheren Müllmann Troy Maxson, der auch in seinen Fünfzigern noch mit Entscheidungen aus seiner Jugend hadert und nun bei der Erziehung seiner beiden erwachsenen Söhne ins Wanken gerät. An seiner Seite steht mit Viola Davis' Rose seine treue Frau, die dem unsteten Charakter ihres Mannes entgegenwirkt und im Gesamten klüger und weniger affektbetont handelt. Gemeinsam mit beiden Kindern, dem Bruder Troys, einem Arbeitskollegen und einer an dieser Stelle nicht benannten Figur beschränkt sich Fences auf nur sieben relevante Sprechrollen. Ebenso das Setting des Films unterstützt die Herkunft des Drehbuches aus einem Theaterstück. Das Haus und der Garten der Troys sind nahezu alles, was wir auf der Kinoleinwand zu sehen bekommen. Von einem Kammerspiel möchte ich hier trotzdem nicht sprechen, zu agil ist die Szenerie, zu alternierend die Dialogpartner. Trotz dieses inszenatorischen Minimalismus versprüht Fences ein beeindruckendes Feeling für die 50er Jahre. Ausstattung und Kostüme sind absolut großartig gestaltet, die Sprache (man sollte den Film wenn irgendwie möglich im Originalton sehen) herrlich zeitgemäß. Trotz der ansehnlichen Optik des Films bleiben Dialoge und Schauspiel die Herzstücke des Streifens. Washington übernahm August Wilsons Wortwechsel (dieser ist nun posthum für einen Drehbuchoscar nominiert) und schafft so dank seiner Bühnenerfahrung gemeinsam mit Viola Davis ein schauspielerisches Ereignis der Extraklasse. Jedes Wort, jede Geste sitzt, einen besser Fusion aus Figur und Künstler wird man im modernen Kino schwerlich finden. Hinter jedem Satz, nach jeder Minute Spielzeit findet sich ein neues Puzzleteil, dass zur intensiveren Charakterisierung von Troy Maxson und seiner Familie beiträgt. In den ausgetragenen Konflikten bleibt viel verborgen und dringt nur langsam an die Oberfläche. Mit weniger begabten Mimen hätten fast zweieinhalb Stunden so zu einer echten Belastungsprobe werden können, Denzel Washington und Viola Davis hingegen könnte man noch tagelang zuschauen. Gemeinsam mit den gesellschaftlichen Umbrüchen in der Rassenfrage, die langsam am Horizont aufziehen, ist Fences so ein brillant gespielter, hochintelligenter Film geworden. Zu kritisieren habe ich lediglich die etwas dick aufgetragenen Zaunmetapher, die kein Zuschauer ein gutes Dutzend Male vorgekaut zu bekommen braucht. Auch das spirituell aufgeladene Ende wäre nicht unbedingt von Nöten gewesen. Sollte Denzel Washington die Umsetzungen des Pittsburgh Cycles weiter vorantreiben und dann das Niveau von Fences halten, so könnten die nächsten Jahre eine absolute Hochzeit der Theaterverfilmungen werden. 

8/10

Für Fans von: Selma, Zeiten des Aufbruchs

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