Donnerstag, 11. August 2016

Die tausend Ideen eines Filmes




Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft

Schau heimwärts, Engel und Von Zeit und Strom gelten als zwei der ganz großen amerikanischen Romane des 20. Jahrhunderts. Ihr Autor: der stürmische Querdenker Thomas Wolfe. Zeit seines kurzen Lebens konnte Wolfe bereits William Faulkner und Hermann Hesse zu seinen Bewunderern zählen, sein Einfluss in der amerikanischen Literatur ist bis heute bemerkenswert. Doch ein gewichtiger Teil am Erfolg dieser Werke ist dem vielleicht berühmtesten Lektor der Geschichte zuzuschreiben. Dem New Yorker Max Perkins. Die titelgebenden tausend Seiten sollen uns das schwierige Verhältnis der beiden so verschiedenen, aber gleichsam von der Literatur begeisterten Männer verdeutlichen. Doch auch wenn Genius vordergründig die Geschichte einer Freundschaft erzählen will, so wird dies im fertigen Film nicht wirklich deutlich. Ein Gesellschaftsporträt der 20er und 30er Jahre findet sich in den 104 Minuten Laufzeit ebenso wie ein Literaturfilm und ein Bio-Pic. Genius ist von allem etwas, ohne irgendwas richtig zu sein. Passend dazu haben zwei fast ungleich berühmtere Schützlinge Perkins bedeutungslose Gastauftritte. Natürlich verbreitet sich ein wohliges Gefühl unter den Kinogängern, wenn The Wire-Star Dominic West Ernest Hemingway und die australische Schauspiellegende Guy Pearce F. Scott Fitzgerald verkörpern, doch dem an sich zentralen Konflikt um die Bedeutung von Literatur und Freundschaft im Verhältnis von Wolfe und Perkins hilft das nicht wirklich. Genius behandelt nur Themen, jedoch keine Geschichte und mäandert so spannungsarm vor sich hin. Das mit Abstand Beeindruckendste an diesem Streifen ist zweifellos dessen Besetzung. Zu den genannten Gaststars darf Jude Law als Thomas Wolfe hemmungslos über die Strenge schlagen (ob man seine Performance als realitätsnah oder aber als sinnfreies Overacting auslegen möchte, soll bitte jeder Zuschauer selbst entscheiden) und Colin Firth eine typisch weise und gesetzte Colin Firth-Verkörperung an den Tag legen. Zum zentralen Konflikt um die Bedeutung von Verleger und Autor im umkämpften Literaturmarkt, gesellen sich bei beiden Protagonisten noch private Probleme. Laura Linney und Nicole Kidman sorgen zwar für zusätzliche Starpower und vertiefen die charakterlichen Differenzen ihrer Männer, sorgen thematisch aber für zusätzlichen Ballast. Schlussendlich ist Genius zwar toll anzusehen und ordentlich gespielt, Regisseur-Neuling Michael Grandage will allerdings thematisch zu viel und schafft so erzählerisch zu wenig. 

5/10

Für Fans von: Kill your Darlings, Midnight in Paris

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