Genius
– Die tausend Seiten einer Freundschaft
Schau
heimwärts, Engel und Von Zeit und Strom gelten als zwei der ganz
großen amerikanischen Romane des 20. Jahrhunderts. Ihr Autor: der
stürmische Querdenker Thomas Wolfe. Zeit seines kurzen Lebens
konnte Wolfe bereits William Faulkner und Hermann Hesse zu seinen
Bewunderern zählen, sein Einfluss in der amerikanischen Literatur
ist bis heute bemerkenswert. Doch ein gewichtiger Teil am Erfolg
dieser Werke ist dem vielleicht berühmtesten Lektor der Geschichte
zuzuschreiben. Dem New Yorker Max Perkins. Die titelgebenden tausend
Seiten sollen uns das schwierige Verhältnis der beiden so
verschiedenen, aber gleichsam von der Literatur begeisterten Männer
verdeutlichen. Doch auch wenn Genius vordergründig die Geschichte
einer Freundschaft erzählen will, so wird dies im fertigen Film
nicht wirklich deutlich. Ein Gesellschaftsporträt der 20er und 30er
Jahre findet sich in den 104 Minuten Laufzeit ebenso wie ein
Literaturfilm und ein Bio-Pic. Genius ist von allem etwas, ohne
irgendwas richtig zu sein. Passend dazu haben zwei fast ungleich
berühmtere Schützlinge Perkins bedeutungslose Gastauftritte.
Natürlich verbreitet sich ein wohliges Gefühl unter den
Kinogängern, wenn The Wire-Star Dominic West Ernest Hemingway und
die australische Schauspiellegende Guy Pearce F. Scott Fitzgerald
verkörpern, doch dem an sich zentralen Konflikt um die Bedeutung
von Literatur und Freundschaft im Verhältnis von Wolfe und Perkins
hilft das nicht wirklich. Genius behandelt nur Themen, jedoch keine
Geschichte und mäandert so spannungsarm vor sich hin. Das mit
Abstand Beeindruckendste an diesem Streifen ist zweifellos dessen
Besetzung. Zu den genannten Gaststars darf Jude Law als Thomas Wolfe
hemmungslos über die Strenge schlagen (ob man seine Performance als
realitätsnah oder aber als sinnfreies Overacting auslegen möchte,
soll bitte jeder Zuschauer selbst entscheiden) und Colin Firth eine
typisch weise und gesetzte Colin Firth-Verkörperung an den Tag
legen. Zum zentralen Konflikt um die Bedeutung von Verleger und
Autor im umkämpften Literaturmarkt, gesellen sich bei beiden
Protagonisten noch private Probleme. Laura Linney und Nicole Kidman
sorgen zwar für zusätzliche Starpower und vertiefen die
charakterlichen Differenzen ihrer Männer, sorgen thematisch aber
für zusätzlichen Ballast. Schlussendlich ist Genius zwar toll
anzusehen und ordentlich gespielt, Regisseur-Neuling Michael
Grandage will allerdings thematisch zu viel und schafft so
erzählerisch zu wenig.
5/10
Für
Fans von: Kill your Darlings, Midnight in Paris
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