Samstag, 31. Dezember 2016

Jahresrückblick 2016

Ein äußerst durchschnittliches Kinojahr geht zu Ende. Die Qualität, der im Folgenden aufgeführten Top-Filme des Jahres ist unheingeschränkt hoch, dennoch rührt die große Dichte an der Spitze eher vom Fehlen des ganz großen Wurfes her. Viele Positionen wären daher vertauschbar, doch alle diese Streifen sind äußerst empfehlenswert. Wie immer hielt ich mich bei der Auswahl der Filme streng an die Kinostarts in Deutschland, obwohl die eigentliche Saison hier ja erst Ende Februar oder Anfang März endet, wenn die großen Oscarblockbuster in den Kinos gelaufen sind. Somit findet ihr hier wie gewohnt viele Streifen aus dem ersten Quartal 2016. 

Dies sind die besten (und einige der schlechtesten) Filme des vergangenen Jahres:


10 – The Jungle Book
Bildgewaltige, düstere und stimmungsvolle Liveaction-Neuauflage des Disneyklassikers. Zumindest in der Originalfassung perfekt synchronisiert. Optisch bahnbrechend und musikalisch spannend umgesetzt.


9 – The Revenant
Perfekte Bilder, perfektes Schauspiel, perfekter Film. Jedoch schreit hier alles vordergründig nach Aufmerksamkeit und Preisen. Daher nur Platz 9. Aber für Leo gab es den Oscar. Endlich.


8 – Vor der Morgenröte
Blieb mir stärker im Gedächtnis als erwartet. 4 Szenen aus dem Leben Stefan Zweigs. Ein frischer Blick auf das so gern für tot erklärte Bio-Pic-Genre. Erstklassig von Josef Hader und Aenne Schwarz gespielt und mit großartiger Kameraarbeit veredelt.


7 – Rogue One: A Star Wars Story
Für mich sind Star Wars-Filme cineastische Highlights, nicht mehr. Ich verbinde mit ihnen keine Sehnsüchte nach verlorenen Kindheitstagen. Daher sehe ich Rogue One einfach als einen hervorragenden und erstaunlich kompromisslosen Sci-Fi-Kriegsfilm mit dem gewissen Etwas.


4 Filme, die ich in diesem Jahr besser nicht gesehen hätte


Louder than bombs
Hochkarätig besetzter Schuss in den Ofen. Dröger und unendlich langweiliger Arthousefilm, in dem weder etwas passiert, noch irgendeine Figur eine Entwicklung durchlebt. Kunst, um der Kunst willen vom norwegischen Newcomer Joachim Trier

Point Break
Das wahrscheinlich schwachsinnigste Drehbuch des Jahres. Zwei Stunden völliger Fremdscham mit unterentwickelten Figuren und lächerlichen Szenen. Nur die Stuntcrew wusste zu überzeugen. Ein Mahnmal wider dem Remakewahn.

Triple 9
Eine schier endlose Brigade von A-Listern in einem heillos überfrachteten Cop-Thriller ohne Struktur oder Glaubwürdigkeit. Hier wollten alle nur ihren Gehaltsscheck. Ermüdender und uninspirierter Quatsch.

Girl on the train
Gone Girl für ganz ganz Arme. Per se als Trashfest genießbar, wäre da nicht die unerklärliche Ernsthaftigkeit, mit der sich Girl on the Train verkaufen will. Noch nie habe ich einen Kinosaal vor unfreiwilliger Komik so herzhaft lachen hören. Große schauspielerische Talente werden hier reinem Schrott geopfert. Ein scheußlicher Film.


6 – Everybody wants some!!
Das Feel-Good-Movie des Jahres. Frische Gesichter und alte Gassenhauer in Richard Linklaters Quasi-Fortsetzung von Dazed and Confused. Ein Wochenende Party, Freiheit und große Wahrheiten. Witzig, Warmherzig und unverkrampft nostalgisch. Die vielleicht beste Teeniekomödie seit den 80ern.


5 – Spotlight
Oscar für den besten Film. Das großartigste Casting des Jahres. Dazu eine unaufgeregte, zeitlose Inszenierung, die stets begeistert, aber nie das bedrückende Drehbuch überlagert. Ein immens wirkungsvoller Journalistenthriller alter Schule.


4 – Arrival
Dennis Villeneuve hat nach Prisoners und Sicario in den vergangenen Jahren auch 2016 einen Platz in dieser Liste sicher. Arrival sucht nach dem, was uns menschlich macht, ist dabei clever, realistisch und wirklich charmant. Intelligente Science-Fiction über die Kraft der Kommunikation mit beeindruckenden Klängen von Jóhann Jóhannsson.


5 Filme, die die Top Ten knapp verpassten


Midnight Special
Berührendes Sci-Fi-Drama mit einer großen Portion Spielberg. Mit Michael Shannon, Adam Driver und Kirsten Dunst bestens besetzt. Inhaltlich überraschend, visuell eindrucksvoll. Für den großen Sprung aber etwas minimalistisch.

Mustang
Türkisch-Französische Koproduktion um 5 Töchter, die in den Weiten Anatoliens ihrer rückständigen Familie entkommen wollen. Selten wurde Freiheitswillen so quirlig und lebendig auf die Leinwand gebracht. Konkurrierte um den Auslandsoscar.

El Clan
Die erstaunliche Geschichte einer hochangesehenen, argentinischen Familie, die ihre Kontakte in Politik und Wirtschaft nutzt, um ungestört dem Gangsterdasein zu frönen. Unterhaltsam, inszenatorisch überraschend, insgesamt nur etwas überfrachtet.

Der Schamane und die Schlange
Ein beeindruckender, fiebriger Ritt in schwarz und weiß. Wir folgen Menschen, die auf zwei Zeitebenen einer Heilpflanze der amazonischen Ureinwohner auf der Spur sind. Ein Film, der trotz seiner psychedelischen Inszenierung viel zum Thema Kolonisierung zu sagen hat. Ein würdiger, erster jemals für einen Oscar nominierter, kolumbianischer Streifen.

Sing Street
Pure Lebensfreude, die Popmusik der 80er, jugendlicher Tatendrang und eine zeitlose Liebesgeschichte ohne Kitsch machten aus Sing Street einen kleinen aber eindrucksvollen Überraschungsfilm. Nach Once und Can a song save your life? der dritte großartige Musikfilm von John Carney.


3 – Raum
Kein Film war 2016 bedrückender und machte zugleich hoffnungsvoll und fassungslos. Geniale Performances von Brie Larson (oscarprämiert) und Newcomer Jacob Tremblay. Ein zutiefst menschlicher Film über die Torturen einer jungen Mutter und ihres Sohnes.


2 – The Nice Guys
Der einzige Film, den ich in diesem Jahr zweimal im Kino gesehen habe – aus gutem Grund. The Nice Guys ist durchgedrehtes unerwartbares und zum Schreien komisches Kino. Die Geschichte zweier Privatdetektive ist dank Ryan Gosling und Russell Crowe ein wahres Fest voller skurriler Szenen, einprägsamer Charaktere und einem herrlichen Gefühl für das Leben in den 70er Jahren.


1 – The Big Short
Das perfekte Ensemblestück. Steve Carrell, Brad Pitt, Christian Bale und, erneut, Ryan Gosling führen in dieser hochoktanigen Wall Street-Komödie durch die völlig widerwärtigen Geschäftspraktiken, die zur weltweiten Finanzkrise 2007/2008 führten. Mit einer Überdosis Fantasie und einem perfekt adaptierten Drehbuch macht uns Regisseur Adam McKay trotz viel Fachchinesisch menschliche Schicksale hinter den Maschinerien des Investmentbankings auf amüsanteste Weise begreiflich. The Big Short ist nicht nur Margot Robbie im Schaumbad, es ist ein Film, der auch nach dem wiederholten Male noch uneingeschränkt begeistert. Mein Lieblingsfilm 2016 und dazu einer der am besten geschnittenen Streifen aller Zeiten.

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