Mittwoch, 14. September 2016

Der Psycho und der Assi







Tschick

Nach seinem Mammutprojekt The Cut aus 2014 verkündete Fatih Akin eine Schaffenspause einzulegen. Das Finale seiner Liebe, Tod und Teufel – Trilogie blickte auf eine mehrjährige Produktionsphase, Dreharbeiten in 5 Ländern und 3 Kontinenten zurück und konnte Kritik und Publikum dennoch nur vorsichtig begeistern. Für seinen „Comeback“-Film drehte Akin den Spieß nun um. Mit geringem Aufwand aber viel Herzblut schuf er Tschick in nur 8 Wochen und drehte hauptsächlich in der ostdeutschen Provinz. Akin selbst ist aber viel zu sehr Profi, als das er Tschick zur offensichtlich leichten Fingerübung verkommen lassen würde. Das melancholische, wahrhaftige und herrlich verschrobene Roadmovie kann mit tollen Jungdarstellern und jeder Menge Abenteuerlust überzeugen. Tschick ist der Name eines Russlanddeutschen, der den schüchternen 14jährigen Maik aus der Reserve lockt und ihn zu einem Trip in einem geklauten Lada überredet. Während der Film als Teeniekomödie beginnt und schon da mit intelligenten und feinen Beobachtungen begeistert, regieren im Verlauf der 93 Minuten Laufzeit klassische Coming-of-Age-Themen. Der unbedingte Freiheitswille, das Entdecken von wahrer Freundschaft und Liebe sowie das gespaltene Verhältnis zur eigenen Familie werden hier klischeefrei thematisiert. Dass Tschick nie ins fantastische abdriftet, darf man vor allem auch den tollen Schauspielern anrechnen. Hauptdarsteller Tristan Göbel konnte bereits in Winnetous Sohn und der Rico und Oskar- Reihe Filmerfahrung sammeln, doch für Anand Batbileg in der titelgebenden Rolle ist Tschick sein erster Leinwandauftritt. Die Chemie zwischen beiden ist hervorragend, mit Anja Schneider, Uwe Bohm und Nachwuchsstar Mercedes Müller sind zudem noch bekanntere Geschichte aus der deutschen Film- und TV-Landschaft zugange. Was Tschick zum wirklichen Instant-Hit fehlt, ist jedoch die Konstanz. Die Produktion ist durchweg hochwertig, doch inszenatorische Feinheiten, die die erste Hälfte des Films so temporeich und unterhaltsam machen, findet man gegen Ende des Streifens nicht mehr. Hier verlässt sich Akin dann zu sehr auf sein zwar umkämpftes (der gleichnamige Bestseller aus 2010 mit 2,2 Millionen verkauften Exemplaren gewann nicht nur den Deutschen Jugendliteraturpreis sondern ging auch durch viele Hände, bevor Fatih Akin mit der Arbeit beginnen konnte) aber auch vorhersehbares und etwas beliebiges Drehbuch. So wird Tschick sicher kein Kino-Dauerbrenner werden, aber ein weiteres Ausrufezeichen in einer an außergewöhnlichen Werken nicht armen Regisseursbiografie. 

7/10

Für Fans von: About a girl, Knockin' on heavens door

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