Mittwoch, 28. September 2016

CIA, NSA und Zauberwürfel




Snowden

Der politisch umstrittenste Filmemacher Amerikas nimmt sich der größten Enthüllungsgeschichte des Landes an – ein hochbrisantes Stück Kino mit Konfliktpotential scheint sich den Weg auf die Leinwände zu bahnen. Doch wer in Oliver Stones Umsetzung der Biografie von Edward Snowden einen hochoktanigen Nägelkauer à la Geboren am 4. Juli oder JFK – Tatort Dallas erwartet, kann enttäuscht werden. Aus europäischer Sicht wirkt Snowden fast schon inhaltlich zahm und es fällt schwer, die dargestellten Ereignisse als augenöffnend zu bezeichnen. Ein guter Film ist Stone jedoch allemal gelungen. Ausgehend von den berühmten, schicksalshaften Tagen in einem Hotelzimmer in Hongkong, in denen sich Edward Snowden dazu entschloss mit seinen Enthüllungen an die Öffentlichkeit zu gehen, wird uns in Rückblenden die Geschichte des später berühmtesten aller Whistleblower in den amerikanischen Geheimdiensten erzählt. Snwoden ist dabei viel mehr Bio-Pic als waschechter Paranoia-Thriller und spricht dank eines großartigen Casts und der allgemeingültigen Erkenntnisse, die der Film aus den Erlebnissen seines Protagonisten zieht, dennoch stets die große Mehrheit an. Wir sehen Edward Snowden zu Beginn als schmächtigen Rookie, der sich nur durch seine IT-Fähigkeiten in der CIA halten kann. Der dringende Wunsch zur Sicherheit der USA beizutragen, weicht nur langsam den Beobachtungen über die globale Überwachung, die Edward Snowden nach und nach macht. Hier überschneidet sich dessen Biografie mit der des Regisseurs. Denn Oliver Stone meldete sich in seiner Jugend begeistert für einen Kampfeinsatz im Vietnamkrieg und wurde in seiner beruflichen Laufbahn zu einem der unerbittlichsten öffentlichen Kritiker dieses Militäreinsatzes. Snowdens Entwicklung wird im Film sehr dialoglastig und durch die Einbindung seiner langjährigen Freundin Lindsay Mills ebenfalls auf sehr persönlicher Ebene präsentiert, doch viele Schauplatzwechsel und eine großartige technische Umsetzung lassen dies in einer sehr fiebrigen und somit unterhaltsamen Atmosphäre geschehen. Besonders die Kameraarbeit des Briten Anthony Dod Mantle (127 Hours, Slumdog Millionaire, Rush) trägt signifikant zum allgegenwärtigen Paranoiagefühl bei. Trotz der Rahmenhandlung wird Snowden recht schematisch erzählt. Stone verlässt sich hierbei ganz auf die Brisanz seiner Story, der ich maximal für Amerikaner selbst eine erhellend Wirkung nachsagen würde. Die gesellschaftliche Wertung von Edward Snowdens Taten ist im Rest der Welt schlicht zu eindeutig, als das dieser Film zusätzlich zu dessen Gunsten herhalten müsste. Das internationale Publikum kann sich hingegen an einem tollen Cast rund um Hauptdarsteller Joseph-Gordon Levitt, Divergent-Star Shailene Woodley, Mr. Spock-Akteur Zachary Quinto, und Leinwandikone Nicholas Cage erfreuen. Zusätzliche Nebenrollen von Melissa Leo, Rhys Ifans, Tom Wilkinson und Timothy Olyphant sorgen für den Stone- typischen bunten Reigen an bekannten Gesichtern in Snowden. Mit 135 Minuten erscheint der Streifen verhältnismäßig aufgebläht, doch dank toller Leistungen aller Beteiligten und der großartigen Optik, weißt dieser ungewohnt subtile Film in der Vita Oliver Stones nur minimale Längen auf und wird mit der Einbettung vieler Original- und Nachrichtenaufnahmen sowie einem Gastauftritt des realen Edward Snowdens zumindest zu einem spannenden Zeitdokument. 

7/10

Für Fans von: Citizenfour, Inside WikiLeaks

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